Blick auf Bundestagswahl

Grüne unter Habeck suchen Optionen - und senden Signale an die CDU

  • Daniel Dillmann
    VonDaniel Dillmann
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Die Grünen sondieren offenbar bereits Koalitionsmöglichkeiten, um ihre politische Zukunft zu sichern. Auch ein Bündnis mit der Union wird diskutiert.

Berlin - Die politische Landschaft in Deutschland steht vor einer möglichen Neuausrichtung. Auslöser sind die vielen Streitereien in der Ampel-Koalition, die die Grünen dazu bringen, verstärkt nach neuen Koalitionsoptionen zu suchen. Führende Politikerinnen der Partei wie Franziska Brantner und Katrin Göring-Eckardt senden erste Signale für eine mögliche Zusammenarbeit mit der CDU auf Bundesebene aus. Eine bedeutende Verschiebung in der politischen Dynamik des Landes bahnt sich an.

Franziska Brantner, die aus Baden-Württemberg stammt, wo bereits eine erfolgreiche schwarz-grüne Regierung besteht, betonte im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) die Vorteile einer pragmatischen Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Parteien. „Demokraten sollten nicht immer gleich sagen, mit welchen anderen Demokraten sie nicht können. Wir sollten lieber schauen, was wir gemeinsam hinbekommen können“, so die aussichtsreiche Kandidatin auf das Amt der Vorsitzenden bei den Grünen. Brantner gilt als Vertraute von Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Könnten nach der Bundestagswahl zur Zusammenarbeit gezwungen sein: CDU-Chef Friedrich Merz und Grünen-Frontmann Robert Habeck. (Archivbild)

Söder droht mit Veto gegen Schwarz-Grün, Merz fordert Veränderungen

Innerhalb der Union gibt es geteilte Ansichten über eine mögliche schwarz-grüne Koalition. CSU-Chef Markus Söder lehnt eine solche Zusammenarbeit kategorisch ab. Bayerns Ministerpräsident drohte gar mit einem Veto seiner Partei, sollte eine Koalition mit den Grünen im Bund zur Debatte stehen. Grünen-Politikerin Brantner sagte dazu in der FAS: „Ach, bei Söder schwankt es ja je nach Tagesform und Tageszeit, was er sagt.“

Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945

Bundeskanzler Konrad Adenauer (mit Zylinder, CDU), Bundesratspräsident Karl Arnold (l, CDU) und Fritz Schäffer (r, CSU) bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestages am 07.09.1949 in Bonn.
28. Mai 1945 – 28. September 1945: Fritz Schäffer (r, CSU) mit Konrad Adenauer (mit Zylinder, CDU), Bundesratspräsident Karl Arnold (l, CDU) bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestages am 07.09.1949 in Bonn. © dpa
28. September 1945 – 21. Dezember 1946: Wilhelm Hoegner (SPD), ernannt durch die USA.
28. September 1945 – 21. Dezember 1946 (erste Amtszeit): Wilhelm Hoegner (SPD), ernannt durch die USA. © IMAGO/Rolf Poss
21. Dezember 1946 –
 14. Dezember 1954: Hans Ehard (CSU) mit Ehefrau Sieglinde.
21. Dezember 1946 – 14. Dezember 1954: Hans Ehard (CSU) mit Ehefrau Sieglinde. © IMAGO
14. Dezember 1954 – 16. Oktober 1957 (zweite Amtszeit): Wilhelm Hoenger (SPD) trat nach Verlust der Mehrheit im Landtag zurück.
14. Dezember 1954 – 16. Oktober 1957 (zweite Amtszeit): Wilhelm Hoenger (SPD) trat nach Verlust der Mehrheit im Landtag zurück. © IMAGO
16. Oktober 1957 – 26. Januar 1960: Hanns Seidel (CSU) überreicht General Lauris Norstad den Bayerischen Lowen.
16. Oktober 1957 – 26. Januar 1960: Hanns Seidel (CSU) überreicht General Lauris Norstad den Bayerischen Lowen. © IMAGO
26. Januar 1960 – 11. Dezember 1962 (zweite Amtszeit): Hans Erhard (CSU).
26. Januar 1960 – 11. Dezember 1962 (zweite Amtszeit): Hans Erhard (CSU). © IMAGO
11. Dezember 1962 – 7. November 1978: Ministerpräsident Alfons Goppel und Parteivorsitzender Franz Josef Strauß (beide CSU).
11. Dezember 1962 – 7. November 1978: Ministerpräsident Alfons Goppel, der aus Altersgründen zurücktrat, und Parteivorsitzender Franz Josef Strauß (beide CSU). © IMAGO
7. November 1978 – 3. Oktober 1988: Franz Josef Strauß (CSU) mit Münchens ehemaligem Oberbürgermeister Erich Kiesl.
7. November 1978 – 3. Oktober 1988: Franz Josef Strauß (CSU) mit Münchens ehemaligem Oberbürgermeister Erich Kiesl. © Heinz Gebhardt/IMAGO
3. Oktober 1988 – 19. Oktober 1988: Max Streibl (CSU) führte das Amt erst kommissarisch und trat dann in seiner offiziellen Amtszeit (19. Oktober 1988 – 28. Mai 1993) wegen der „Amigo-Affäre“ zurück.
3. Oktober 1988 – 19. Oktober 1988: Max Streibl (CSU) führte das Amt erst kommissarisch und trat dann in seiner offiziellen Amtszeit (19. Oktober 1988 – 28. Mai 1993) wegen der „Amigo-Affäre“ zurück. © IMAGO
28. Mai 1993 – 9. Oktober 2007: Edmund Stoiber (CSU) trat nach einem innerparteilichen Machtkampf zurück.
28. Mai 1993 – 9. Oktober 2007: Edmund Stoiber (CSU) trat nach einem innerparteilichen Machtkampf zurück. © IMAGO/Astrid Schmidhuber
9. Oktober 2007 – 27. Oktober 2008: Günther Beckstein (CSU) schied aus dem Amt, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen musste.
9. Oktober 2007 – 27. Oktober 2008: Günther Beckstein (CSU) schied aus dem Amt, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen musste. © IMAGO
27. Oktober 2008 – 13. März 2018: Horst Seehofer (CSU) gab das Amt ab, als die Ernennung zum Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat anstand.
27. Oktober 2008 – 13. März 2018: Horst Seehofer (CSU) gab das Amt ab, als die Ernennung zum Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat anstand. © Sammy Minkoff/IMAGO
13. März 2018 – 16. März 2018: Ilse Aigner (CSU) übernahm das Amt der Ministerpräsidentin kommissarisch.
13. März 2018 – 16. März 2018: Ilse Aigner (CSU) übernahm das Amt der Ministerpräsidentin kommissarisch. © Charles Yunck/IMAGO
Seit 16. März 2018: Markus Söder (CSU) ist Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender.
Seit 16. März 2018: Markus Söder (CSU) ist Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender. © IMAGO

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz schließt ein Bündnis mit den Grünen auf Bundesebene aktuell noch aus. Für die Zukunft wollte sich der CDU-Parteichef aber nicht festlegen. Sollten die Grünen ihre Sichtweisen ändern, wären Verhandlungen über eine Koalition nach der Bundestagswahl denkbar. Der Süddeutschen Zeitung sagte Merz, es gehe ihm aber um „eine grundlegende Kurskorrektur in der Wirtschafts- und Umweltpolitik“ der Grünen. In Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen, wo Hendrik Wüst (CDU) Regierungschef ist, regieren bereits schwarz-grüne Koalitionen.

Schwarz-grüne Bündnisse auf Landesebende in der Übersicht

  • Baden-Württemberg: Seit 2016 regieren CDU und Grüne unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
  • Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) führt seit 2022 eine schwarz-grüne Koalition.
  • Nordrhein-Westfalen: Ebenfalls seit 2022 leitet Ministerpräsident Hendrik Wüst ein Bündnis aus CDU und Grüne.

Friedrich Merz und Robert Habeck: Verhandlungen nach der Bundestagswahl?

Doch auch Friedrich Merz weiß, dass das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl möglicherweise kaum andere Optionen als ein Bündnis mit den Grünen zulassen wird. Dabei könnte sich der CDU-Chef auf die Unterstützung vieler Landesverbände verlassen. Diese zeigten sich laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP größtenteils offen für Gespräche mit Robert Habecks Grünen. Das bestätigten auch CDU-Generalsekretäre auf Landesebene - darunter Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen. Er betonte die Bedeutung von Gesprächsfähigkeit mit allen demokratischen Parteien.

CDU-Vertreter in den ostdeutschen Bundesländern sind zögerlicher. Aus Brandenburg, Sachsen und Thüringen kamen keine Äußerungen zur Diskussion über eine mögliche schwarz-grüne Koalition. Zweifel an dem Bündnis gibt es also offenbar nicht nur in Bayern.

Robert Habeck spielt zentrale Rolle für die Grünen bei der Bundestagswahl

Ob ein schwarz-grünes Bündnis im Bund eine Chance hat, hängt vor allem von einer Person ab: Robert Habeck. Der potenzielle Kanzlerkandidat der Grünen für die Bundestagswahl dürfte eine zentrale Rolle bei der Ausrichtung der Partei in den kommenden Monaten spielen. Die jüngsten Entwicklungen innerhalb der Grünen, wie der angekündigte Rückzug der Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour nach der Landtagswahl in Brandenburg, deuten darauf hin, dass sich die Partei auf Habeck fokussieren könnte. Dann liegt es vor allem an ihm, welche Koalitionsmöglichkeiten realistisch wären.

Die Bundesvorsitzenden der Grünen: Von Jürgen Trittin bis Ricarda Lang

Krista Sager und Jürgen Trittin von den Grünen
Im Dezember 1994 traten Krista Sager und Jürgen Trittin als Doppelspitze des noch jungen Zusammenschlusses namens „Bündnis 90 / Die Grünen“ an. Beide wurden zu Sprecherin und Sprecher des Bundesvorstands der Partei gewählt. Gemeinsam lenkten sie die Geschicke der Partei für zwei Jahre bis 1996. © Sepp Spiegl/imago-images
Jürgen Trittin blieb Sprecher der Grünen, von 1996 bis 1998 aber mit neuer Kollegin an seiner Seite: Auf Krista Sager folgte Gunda Röstel.
Jürgen Trittin blieb Sprecher der Grünen, von 1996 bis 1998 aber mit neuer Kollegin an seiner Seite: Auf Krista Sager folgte Gunda Röstel. © Jürgen Eis/imago-images
Gunda Röstel blieb für zwei weitere Jahre Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen. Antje Radcke ersetzte den scheidenden Jürgen Trittin.
Gunda Röstel (l) blieb für zwei weitere Jahre Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen. Antje Radcke ersetzte den scheidenden Jürgen Trittin. Von 1998 bis 2000 wurde die Partei damit von zwei Frauen an der Spitze geführt. © Sven Simon/imago-images
Fritz Kuhn und Renate Künast wurden zu Sprecher und Sprecherin des Bundesvorstands.
Im Jahr 2000 tauschten die Grünen ihr Führungspersonal komplett aus. Fritz Kuhn und Renate Künast wurden zu Sprecher und Sprecherin des Bundesvorstands. Ihre Amtszeit hielt aber nur ein Jahr bis 2001. © imago stock&people
Fritz Kuhn und Claudia Roth
Aus Bundesprechern wurden bei den Grünen im Jahr 2001 Bundesvorsitzende. Die ersten Beiden, die dieses Amt bekleideten, waren Fritz Kuhn und Claudia Roth. © Sven Simon/imago-images
Reinhard Bütikofer und Angelika Beer
Nur ein Jahr später der nächste Wechsel an der Spitze der Grünen. Reinhard Bütikofer und Angelika Beer rücken auf und bilden den Bundesvorstand der Partei von 2002 bis 2004. © imago-images
Claudia Roth als Vorsitzende der Grünen zurück - an der Seite von Reinhard Bütikofer
2004 kehrte Claudia Roth als Vorsitzende der Grünen zurück - an der Seite von Reinhard Bütikofer. Das Duo blieb bis 2008 im Amt. © Sven Simon/imago-images
Claudia Roth und diesmal Cem Özdemir das Führungsduo der Grünen
Claudia Roth blieb insgesamt bis 2013 im Amt. Ab 2008 mit neuem Co-Vorsitzenden: Cem Özdemir. © Jan Huebner/imago-images
Cem Özdemir blieb Parteivorstand. Von 2013 bis 2018 führte er die Grünen gemeinsam mit Simone Peter.
Cem Özdemir blieb Parteivorstand. Von 2013 bis 2018 führte er die Grünen gemeinsam mit Simone Peter. © Rüdiger Wölk/imago-images
nnalena Baerbock und Robert Habeck als Führungsduo den Vorstand der Grünen
Im Jahr 2018 übernahmen Annalena Baerbock und Robert Habeck als Führungsduo den Vorstand der Grünen. Nach dem Einzug der Grünen in die Bundesregierung legten sie ihre Ämter nieder und schlossen sich dem Kabinett von Bundeskanzlern Olaf Scholz an. © Chris Emil Janssen/imago-images
Omid Nouripour und Ricarda Lang
Es folgten Omid Nouripour und Ricarda Lang. Sie übernahmen den Vorsitz des Bundesvorstands der Grünen im Jahr 2022. Zwei Jahre später verkünden beide ihren Rücktritt als Reaktion auf zahlreiche Wahlschlappen ihrer Partei. Wer die Umweltpartei künftig führt, ist noch offen. © dpa

Die Erfahrungen mit schwarz-grünen Koalitionen in Bundesländern wie Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeigen, dass solche Bündnisse erfolgreich sein können. Es sind Erfahrungen, die den Grünen und der Union als Modell für eine bundesweite Zusammenarbeit dienen. Letztlich wird das Ergebnis bei der anstehenden Bundestagswahl darüber entscheiden, welche Koalitionsverhandlungen geführt werden. (dil)

Rubriklistenbild: © Kay Nietfeld/dpa