„Würden Vertrauen verlieren“

Drohen bald hohe Strom- und Heizkosten? Habeck beschuldigt Union

  • VonLisa Mariella Löw
    schließen

Die Ampel hat Verfassungsbruch beim Bundeshaushaltsplan begangen. Wird der Fehler bald bei der Heizkostenabrechnung zu Buche schlagen?

Berlin - Die Preise für Gas und Strom könnten bald wieder in die Höhe klettern. Davor warnt jedenfalls Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) angesichts des 60-Milliarden-Lochs im Bundeshaushalt 2024. Die Energiepreisbremsen könnten bald nicht mehr gehalten werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Coronakrise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun stehen die Milliarden nicht zur Verfügung. Noch ist unklar, welche Folgen das Urteil für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern hat.

Kein Geld für Umwelt und Klima: Habeck hält höhere Strompreise für möglich

Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht bei einem Termin.

Aus dem Klima- und Transformationsfonds wollte die Bundesregierung von 2024 bis 2027 Projekte im Umfang von knapp 212 Milliarden Euro finanzieren. Darunter fallen der Umbau hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft, der Ausbau von Elektromobilität und Wärmenetzen, die Förderung des Austauschs von klimaschädlichen Heizungen, die Modernisierung der Deutschen Bahn und des Schienennetzes sowie die Subventionen für die Fabriken der Halbleiter-Konzerne Intel und TSMC. Jetzt, da ein erheblicher Teil der Summe fehlt, könnte es mit der Finanzierung dieser Projekte knapp werden.

Das Karlsruher Haushaltsurteil betreffe zwar nur den Klima- und Transformationsfonds, sagte Habeck im Deutschlandfunk. Allerdings: „In der Begründung bezieht sich das Urteil, weil es so fundamental gesprochen ist, in der Tat im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind.“

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat bereits angekündigt, auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen. Habeck sagte dazu im Deutschlandfunk, dass der Fonds bis zum Sommer 2024 wirken sollen: „Das heißt aber im Klartext, dass die Bürgerinnen und Bürger höhere Strom- und gegebenenfalls höhere Gaspreise bekommen werden.“

60-Millionen-Lücke schließen: Habeck kritisiert Erhöhung der CO₂-Abgabe

Die Dankesschreiben für höhere Energiepreise könnten die Bürgerinnen und Bürger an die Union richten, sagte Habeck: „Sollten wir in eine Krise reingeraten, werden wir die Gas- und die Strompreisbremse nicht mehr ziehen können.“ Die Preisbremsen für Strom und Gas gelten noch bis zum 31. März. Die Preise werden dabei für einen Großteil des Verbrauchs von Privathaushalten gedeckelt – für Strom bei 40 Cent und für Gas bei zwölf Cent je Kilowattstunde. Die Marktpreise sind inzwischen aber so stark gesunken, dass die Deckel aktuell für die meisten Haushalte irrelevant sind, wie etwa der Spiegel berichtete.

Dennoch muss die Ampel-Koalition fieberhaft nach Möglichkeiten suchen, wie sie das Milliardenloch im Haushalt stopfen kann. Überlegungen aus der FDP, den Sozialetat zu kürzen, sind laut Habeck ein Zeichen für Ratlosigkeit: „Wo will man 60 Milliarden Euro Sozialleistungen kürzen? Das geht an der Dramatik der Situation dramatisch vorbei.“

Um das Defizit auszugleichen, soll nun unter anderem der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie zum Jahresende auslaufen. Außerdem wird derzeit über eine stärkere Erhöhung der CO₂-Abgabe zum Jahreswechsel diskutiert. Beides würde die Lücke jedoch wohl bei Weitem nicht schließen. Und höhere CO₂-Preise hätten laut Habeck auch Schattenseiten: „Wir haben noch immer Inflation, damit machen wir natürlich Produkte teurer.“ Wer versuche, das Loch allein über die Abgabe auf CO₂-Emissionen bei Sprit, Gas oder Heizöl zu schließen, treibt laut Habeck die Preise so hoch, „dass sehr viele Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren würden“.

Erneute Haushaltsnotlage wegen 60-Millionen-Loch wohl verfassungswidrig

Als Ausweg aus dem Dilemma hat die SPD der vorgeschlagen, erneut eine Haushaltsnotlage zu erklären, die die Schuldenbremse suspendieren würde. Das jedoch hält die Union für grundgesetzwidrig. „Hier soll offenkundig ein verfassungswidriges Vorgehen mit einem weiteren verfassungswidrigen Vorgehen geheilt werden. Ganz im Sinne von Minus mal Minus ergibt Plus“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion aus CDU und CSU, Christian Haase, dem Handelsblatt.

Der Klima- und Transformations-Fonds

Der Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung hat offiziell die Aufgabe, den Wandel von Wirtschaft und Infra­struktur vom fossilen Zeitalter hin zur CO₂-freien neuen Zeit befördern. Gleichzeitig diente der Fonds der Bundesregierung als Vehikel, um Sonderausgaben zu finanzieren und damit die Kreditaufnahme im regulären Haushalt zu drücken.

Der Fonds wurde bereits 2010 unter der Bezeichnung „Energie- und Klimafonds“ errichtet und erst in dieser Legislatur in „Klima- und Transformationsfonds“ umbenannt. Die meiste Zeit erhielt er seine Mittel aus dem Emissionshandel und Bundeszuschüssen. Damit unterscheidet er sich auch heute noch maßgeblich von normalen Posten im Bundeshaushalt, da er aus Einnahmen und nicht aus Steuermitteln gespeist wird. Bis zu 20 Prozent des KTF-Wirtschaftsplans können allerdings auch Darlehen sein. Einnahmen und Ausgaben müssen sich dabei immer ausgleichen.

Die Erklärung einer erneuten Notlage könnte die Regierung mit den Folgen der Energiekrise begründen. Diese Begründung hält die Union für nicht stichhaltig. So hatte zunächst die Große Koalition und dann die Ampel für die Jahre 2020, 2021 und 2022 wegen der Corona-Pandemie und der Energiepreiskrise eine Notlage erklärt, um mit höheren Schulden die Krisen abfedern zu können. Zum Prinzip, dabei auch Geld beiseitezulegen, hatte der Chef des Bundesrechnungshofs dem Spiegel im Sommer 2020 gesagt: „Das entspricht nicht den Regeln des Grundgesetzes.“

Für dieses Jahr hatte die Bundesregierung aber darauf verzichtet und wollte die Schuldenbremse wieder einhalten. Eine nachträgliche Erklärung der Notlage würde wieder vor dem Verfassungsgericht scheitern, warnte CDU-Politiker Haase im Handelsblatt: „Wir haben keine ökonomische Notlage, wir haben vielmehr eine politische Notlage.“

Die Ampel muss sich nun entscheiden: Entweder sie erhöht Steuern und Abgaben, oder sie kürzt die Mittel für Klimainvestitionen. Wahrscheinlich werde die Entscheidung zunächst auf Punkt zwei hinauslaufen, denn das sei der kurzfristig leichtere Hebel, wie unter anderem das Wirtschaftsmagazin Capital urteilte. (Lisa Mariella Löw)

Rubriklistenbild: © Annette Riedl/dpa