Treffen in Brüssel

„Frieden durch Drohungen“: Selenskyj wirbt auf EU-Gipfel für Siegesplan

  • Franziska Schwarz
    VonFranziska Schwarz
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Der EU-Gipfel in Brüssel dreht sich vor allem um Asylpolitik und die Ukraine. Selenskyj wirbt bei dem Treffen für seinen Siegesplan.

Update vom 18. Oktober, 10.23 Uhr: Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben „dringend“ neue europäische Regeln zur schnelleren Abschiebung von Migranten gefordert. „Die Europäische Union ruft auf allen Ebenen zu entschlossenem Handeln auf, um Rückführungen (…) zu erleichtern und zu beschleunigen“, heißt es in gestern in Brüssel veröffentlichten Gipfelerklärung zur Migration. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich überzeugt, „dass die irreguläre Migration zurückgehen muss“. Zugleich müsse die EU aber „offen bleiben für die nötige Zuwanderung von Fachkräften“.

Update vom 17. Oktober. 20.55 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten um die Unterstützung seines Plans für einen Sieg gegen Russland geworben und dabei auch auf die Option einer atomaren Bewaffnung verwiesen. Selenskyj sagte in Brüssel, der Ansatz sei, „Frieden durch Drohungen“ zu schaffen. Dazu sollten Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und die USA dafür sorgen, dass in der Ukraine ein passendes Raketen-Paket stationiert werden könne.

Dieses könnte Russland dann entweder in echte Friedensverhandlungen zwingen oder die Zerstörung militärischer Ziele ermöglichen, erklärte Selenskyj. Es gehe darum, die Ukraine zu stärken, um dann bereit für Diplomatie zu sein. Dabei hänge es vom Willen der Partner ab, ob sein Plan umgesetzt werden könne. Die Option einer atomaren Bewaffnung der Ukraine erwähnte Selenskyj in dem Zusammenhang mit dem Szenario, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine wegen des Vetos von Alliierten nicht möglich sein sollte.

Wolodymyr Selenskyj (l), Präsident der Ukraine, und Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, treffen ein zu einem EU-Gipfel.

Update vom 17. Oktober, 10.28 Uhr: In ihrem Zehn-Punkte-Plan setzt von der Leyen unter anderem auf wirksamere Abschiebungen. Nur 20 Prozent jener Migranten, die gehen müssten, wurden bisher tatsächlich abgeschoben, heißt es in dem Brief. Nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat wurden im vergangenen Jahr mehr als 480.000 Drittstaatsangehörige zum Verlassen der EU aufgefordert, nur in jedem fünften Fall kam es jedoch zur Rückkehr ins Heimatland. Aufgeschlossen äußerte sich die EU-Kommissionschefin außerdem zu einem italienischen Pilotprojekt zur Abwicklung von Asylverfahren in Albanien und der Idee für die externe Unterbringung abgelehnter Asylbewerber. 

EU-Asylgipfel startet: Orban, Tusk und „Meloni-Land“ – Eklat vorprogrammiert?

Erstmeldung: Brüssel – Die hitzigen Diskussionen um die EU-Asylpolitik reißen nicht ab. Auch der EU-Gipfel ab diesem Donnerstag (17. Oktober) in Brüssel könnte von dem Streit überschattet werden. Eines seiner Hauptthemen ist die Migration. Deutschland und viele andere Länder sehen sich durch Wahlerfolge von Rechtspopulisten unter Handlungsdruck. Die 27 Staats- und Regierungschefs haben allerdings so unterschiedliche Positionen, dass eine gemeinsame Gipfelerklärung laut Diplomaten am Ende scheitern könnte.

„Meloni-Land“ in Albanien wird für EU zum Asyl-Zankapfel

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem schärfere Abschieberegeln vorsieht. Umstritten sind Abschiebezentren in Drittländern, wie Italien sie in Albanien eingerichtet hat. Bei den Aufnahmelagern will nun unter anderem die niederländische Regierung vorangehen. Sie erwägt nach Angaben vom Mittwoch, abgewiesene Asylsuchende nach Uganda auszufliegen. Das Land soll sie in dann in Aufnahmelagern unterbringen und dafür finanziell entschädigt werden.

Polen warnt vor Lukaschenko-Plan – und reagiert hart

Ebenfalls kontrovers diskutiert wird Polens Ankündigung, in Reaktion auf von Russland und Belarus in Richtung EU geschleuste Migranten vorübergehend das Recht auf Zugang zu Asylverfahren aussetzen zu wollen.

Unter anderem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán fordert zudem, auch die Asylverfahren künftig in Staaten außerhalb der EU in externen „Hotspots“ durchzuführen und Schutzsuchende vorher nicht mehr in die Union zu lassen.

Vor EU-Gipfel zur Migration: Kritik an deutschen Grenzkontrollen

Befeuert wird die Diskussion von nationalen Alleingängen in den vergangenen Wochen und Monaten. So äußerten zuletzt mehrere EU-Partner Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung, nach dem Terroranschlag von Solingen an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen anzuordnen und damit die Bewegungsfreiheit im eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raum einzuschränken.

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Beschlossene Asylreform der EU: Umsetzung dauert an

Hintergrund der aktuellen Debatte ist, dass die EU-Asylreform von etlichen Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen wird. Hinzu kommt, dass die Umsetzung sich wegen der Übergangsfrist noch bis Juni 2026 hinziehen könnte. Mit der Reform werden Mitgliedstaaten etwa zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet werden. Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen dabei nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. (frs mit dpa)

Rubriklistenbild: © Humberto Bilbao/Europa Press/AP/dpa

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