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Putins Russland als „Honigdachs“: Was die Münchner Siko für die Zukunft erwartet
VonFlorian Naumann
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Putin wird bei der Münchner Siko der Elefant im Raum sein. Ein Papier beschäftigt sich vorab auch mit den Zukunftsaussichten rund um Russland.
München – Es ist ein kühler Befund – mit großer Tragweite: Die Weltordnung ändert sich. Diese Diagnose bestimmt den „Munich Security Index“, den die Macher der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) wenige Tage vor dem Treffen vorgelegt haben. Sie gehen (wie andere Experten) davon aus, dass die Tage der US-Vorherrschaft gezählt sind.
Was jetzt kommen wird? Das ist die große Frage. Die MSC blickt auf mehrere mögliche neue Machtpole. Neben den USA etwa China, Indien, Japan, Brasilien, Südafrika, womöglich die EU. Und vielleicht auch das Russland von Wladimir Putin.
Trump und Putin: Zwei Problemthemen bei der Münchner Siko
Eine entscheidende Rolle spielt Donald Trumps erneute Wahl zum US-Präsidenten. Womöglich wird Trumps Vize J.D. Vance bei der Siko Fingerzeige für den weiteren Kurs gehen. Aber die MSC-Experten urteilen schon vorab klar: „Für Trump und viele seiner Unterstützer ist die von den USA geschaffene internationale Ordnung ein ‚schlechter Deal‘“, schreiben sie. Womöglich werde Washington seine Rolle als Schutzmacht Europas aufgeben – „mit signifikanten Konsequenzen“ für den Ukraine-Krieg.
Womit indirekt bereits Russland angesprochen wäre. „Kein anderer Staat hat die internationale Ordnung in diesem Jahrhundert so auf den Kopf gestellt wie Russland“, heißt es im „Security Report“. Laut Putin selbst gehe es beim Angriff auf die Ukraine nicht nur um das Nachbarland, sondern „um die Prinzipien, auf denen die neue internationale Ordnung fußen wird“. Die Warnung der Siko-Experten: Russland preise zwar eine neue Ordnung entlang „souveräner Gleichheit“. Gerade für kleinere Staaten könne Russlands Plan aber das Gegenteil bedeuten.
Putins neue Weltordnung: Viele Machtzentren – mit einer bedrohlichen Klausel
Mit dem jüngst wieder gewachsenen BRICS-Bündnis um Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika mache Putin den Staaten des globalen Südens den Hof. Der Teufel liege aber im Detail: Russland plädiere für eine neue Ordnung mit mehreren Machtzentren – in denen aber nicht Staaten, sondern „Zivilisationen“ die Hauptrolle spielen. Nur „mächtige Zivilisationsstaaten“ seien legitime Träger voller Souveränität, zitiert der Report Aussagen Putins aus dem 2024er-Treffen des „Waldai-Klubs“, einer Tagung in Russland. Wobei die Aussagen des Kremlchefs einen Rest Interpretationsspielraum ließen.
Dem Papier zufolge nimmt Russland die Ukraine jedenfalls als „Teil einer russisch geführten Zivilisation“ wahr – und spreche ihr deshalb jedenfalls in dieser offiziellen Kreml-Argumentation kein Recht auf Souveränität zu. Entsprechendes gelte gar für den gesamten Raum, den einst die Sowjetunion umspannte. Auch andere Experten erwarten weitere Konflikte in dieser Region. Georgien ist dabei nur ein weiteres Beispiel, wenn auch mit anderen Mitteln. Das Siko-Papier geht noch weiter: Angesichts von russischen Forderungen nach einem Rückzug der Nato aus Ost- und Mitteleuropa könne Putins Machtanspruch noch weiter reichen.
Putins Russland als „Honigdachs“: Mittelmäßiges Blatt, geschickt ausgespielt
Mit Blick auf die weitere Entwicklung hat Kapitel-Autor Jintro Pauly aber eine Art zweispältiges Kompliment für Putin parat. In einer Poker-Analogie schreibt der Verteidigungsexperte: Russland habe eine „mittelmäßige Hand“ – die es aber geschickt ausspiele.
Das Land befinde sich nicht in den Top 10 der mächtigsten Ökonomien, die Bevölkerungszahl schrumpfe, die Verteidigungsausgaben seien zwar immens, aber deutlich kleiner als die der Nato-Staaten. Dennoch: Die hochgefahrene russische Rüstungsindustrie liefere 1500 Panzer und 3000 gepanzerte Fahrzeuge pro Jahr. Und nicht zuletzt dank der BRICS habe Russland eine internationale Isolierung vermieden. Eine Umfrage der Siko in elf Staaten zeige: Russland werde weiter als Großmacht wahrgenommen.
Der Ukraine-Krieg in Bildern – Zerstörung, Widerstand und Hoffnung
Auch Europa setze der Kreml unter Druck. Mit Desinformationskampagnen, Wahlbeeinflussung, Sabotage und „atomarem Säbelrasseln“. In Afrika habe Russland die USA und Russland vielerorts an den Rand gedrängt. Wenn die Partner der Ukraine nun „Frieden um jeden Preis“ suchten und Sicherheitsgarantien und eine Nato-Mitgliedschaft Kiews ausbleiben, könne ein neuer militärischer Angriff auf das Land folgen. Russland bleibe ein geopolitischer „Honigdachs“, der eine ernsthafte Herausforderung für stärkere Rivalen darstellt.
Trumps Russland-Kurs könnte entscheiden – Warnungen vor der Münchner Sicherheitskonferenz
Andererseits könne ein härterer Kurs Trumps Russlands Aussichten massiv verschlechtern, ist in dem Diskussionspapier für die Siko zu lesen. Und schon jetzt seien enorme Verluste an Mensch und Material im Ukraine-Krieg ein Problem für Putin. Auch wirtschaftlich gebe es zumindest große Unsicherheiten.
„Die schwindelerregenden Kosten des Krieges gegen die Ukraine haben auch Russlands Fähigkeiten, Macht über die Ukraine hinaus darzustellen, limitiert“, schreibt Pauly weiter. Es handle sich um ein Zeichen eines „wachsenden imperial overstretch“, also einer Überdehnung der eigenen Kräfte. Ein Beispiel sei ausbleibende Unterstützung für den Partner Armenien im Bergkarabach-Krieg. Oder auch die Niederlage von Putins Verbündetem Assad im syrischen Bürgerkrieg. Dort strauchelt auch der Iran – der laut der Umfrage in den G7-Staaten zusammen mit Russland zunehmend als „Risiko“ wahrgenommen wird. Ganz anders als in den „BICS“-Staaten.
Ob Russland seine „imperialistischen Unternehmungen“ weiter ausbauen könne, liege auch in der Hand der internationalen Gemeinschaft. Doch die Handlungskraft der liberalen Demokratien sei längst angefochten, heißt es in dem Bericht. Von außen, durch Autokratien. Aber auch im Inneren, durch das Erstarken von nationalistischen Populisten, etwa in der EU. Reichlich Stoff für Debatten bei der Sicherheitskonferenz also. Russland wird einmal mehr nicht dabei sein. (fn)