Experte attestiert Demütigung
Putin in der Wagner-Krise Verlierer auf „lange Sicht“ - Blinken sieht bereits „Risse“
- VonJoshua Eiblschließen
Der Aufstand der Wagner-Gruppe dauerte nur etwa 36 Stunden, aber er wird wohl Folgen für Wladimir Putin und seinen Krieg gegen die Ukraine haben.
Washington/Moskau - Nach dem Ende des Wagner-Aufstands zogen sich die putintreuen Truppen am Sonntag (25. Juni) wieder zurück. Sie waren einberufen worden nicht etwa um den Krieg gegen die Ukraine fortzusetzen, sondern um die eigene Hauptstadt Moskau vor einem drohenden Angriff des Wagner-Kommandeurs Jewgeni Prigoschin und seiner Söldner zu schützen. Der Aufstand der Wagner-Gruppe dauerte nur etwa 36 Stunden, aber könnte weitreichende Folgen für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Krieg gegen die Ukraine haben.
Lange hielt sich das Weiße Haus mit Aussagen zum Wagner-Aufstand zurück. Im US-Fernsehen äußerte sich nun US-Außenminister Anthony Blinken zu dem Tag, der Russland an den Rand eines Bürgerkriegs brachte. „Was wir gesehen haben, ist außergewöhnlich“, sagte Blinken am Sonntag (Ortszeit) in der Sendung „State of the Union“ von CNN. „Man sieht Risse aufbrechen, die vorher nicht da waren.“
US-Außenminister: Wagner-Chef „hat Angriffskrieg infrage gestellt“
„Zuerst mal dadurch, dass Prigoschin sehr deutlich den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine infrage gestellt hat, indem er gesagt hat, dass die Ukraine und die Nato keine Bedrohung für Russland darstellten. Und es war eine direkte Herausforderung an Putin selbst.“ Allerdings sei es noch zu früh, um beurteilen zu können, wohin die jüngsten Ereignisse führen werden, schränkte Blinken ein.
„Vor sechzehn Monaten standen russische Streitkräfte vor den Toren Kiews in der Ukraine und dachten, sie würden die Stadt in wenigen Tagen einnehmen“, sagte er. „Jetzt müssen sie sich darauf konzentrieren, Moskau, die Hauptstadt Russlands, gegen Söldner zu verteidigen, die Putin selbst geschaffen hat“, sagte Blinken. Bereits am Samstag soll Putin Gerüchten zufolge den Sicherheitsdiensten befohlen haben, Prigoschin zu „liquidieren“.
Wagner-Chef kurzfristiger Verlierer - Langfristiger Putin?
Die Auswirkungen des Aufstandes könnten eine entscheidende Rolle für Putins Zukunft spielen. Laut Phillips O’Brien, Professor für strategische Studien an der schottischen Universität St. Andrews, war der Aufstand „für eine Diktatur, die auf der Idee unangefochtener Macht aufbaut, eine extreme Demütigung“. Die entstandenen Zweifel seien extrem schwer aufzufangen. „Wenn also Prigoschin kurzfristig verloren haben könnte, dürfte Putin langfristig der Verlierer sein“, sagte O’Brien der Associated Press.
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Obwohl die Gefahr eines Aufstands der Wagner-Gruppe inzwischen gebannt scheint, hat er nicht nur die Schwächen des Kremls offengelegt, sondern auch das Land anfällig für künftige Gegenangriffe in der Ukraine gemacht zu haben: dort wurden Truppen von den Schlachtfeldern abgezogen, um auf die Moskauer Bedrohung zu reagieren.
„Prigoschins Rebellion und die Lösung der Ereignisse vom 23. und 24. Juni – wenn auch nicht unbedingt der Kampf zwischen Prigoschin und Kreml im Großen und Ganzen – werden wahrscheinlich Putins Regierung und den russischen Kriegsanstrengungen in der Ukraine erheblichen Schaden zufügen“, schrieb das Institute for the Study of War. Inzwischen reagierte Prigoschin auf den Aufstand vom Wochenende und dementierte, einen Machtwechsel in Moskau angestrebt zu haben.
Auch Blinken sah in den jüngsten Ereignissen eine weitere Bestätigung, dass Russland „einen strategischen Fehler“ mit dem Angriff auf die Ukraine beging. Der amerikanischen Außenminister sieht die russischen Machtkämpfe als einen weiteren Vorteil für die Ukraine. (je)