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Südafrika spricht pauschale Immunität für Putin bei Gipfel aus
VonRobert Wagner
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Theoretisch müsste Südafrika Wladimir Putin verhaften, sollte er einreisen. Das will die Regierung unbedingt vermeiden und hofft auf ein gesetzliches Schlupfloch.
Johannesburg - Der russische Präsident Wladimir Putin muss auf Auslandsreisen stets damit rechnen, festgenommen zu werden. Grund dafür ist ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH), der im März 2023 wegen der Verschleppung von ukrainischen Kindern nach Russland gegen Putin erlassen worden ist. Das bringt Südafrika in ein Dilemma, da dort im August ein Gipfel der BRICS-Gruppe stattfinden wird. Neben China, Indien, Brasilien und Südafrika gehört auch Russland zu diesem Verbund aufstrebender Staaten. Als deren Vertreter werden die Staats- und Regierungschefs erwartet, demnach auch Putin persönlich.
Südafrika gehört zu den 123 Unterzeichnerstaaten des sogenannten Römischen Statuts, auf dessen Grundlage der IStGH gegründet wurde. Theoretisch ist Südafrika deshalb dazu verpflichtet, Putin sofort festzunehmen, sollte er südafrikanischen Boden betreten. Dieses Szenario will die Regierung von Südafrika, das um ein gutes Verhältnis zu Russland bemüht ist, unbedingt vermeiden. Sie gewährt allen Teilnehmern des BRICS-Gipfels, einschließlich den Staats- und Regierungschefs, eine pauschale Immunität, um eine Verhaftung Putins zu vermeiden, wie der Guardian berichtet. Südafrikanische Beamte betonen jedoch, dass es unklar sei, ob diese Immunität den Haftbefehl des IStGH außer Kraft setzt.
15. BRICS-Gipfel
Das Treffen der sogenannten BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika findet vom 22. bis 24. August in der südafrikanischen Hafenmetropole Durban statt. Der Verbund der BRICS-Staaten wurde 2006 gegründet als wirtschaftliche und politische Alternative zum als zu dominant empfundenen Westen. Mit dem Ukraine-Krieg und dem sich anbahnenden Konflikt zwischen China und Russland auf der einen und dem Westen auf der anderen Seite gewinnt dieser Staatenverbund an Bedeutung und tritt zunehmend in Konkurrenz zum Format der G7.
Unklarheit über Wirkungsbereich der Immunität
Das südafrikanische Außenministerium teilte am Dienstag (30. Mai) mit, es handle sich um eine „Standardimmunität, die wir für alle internationalen Konferenzen und Gipfeltreffen in Südafrika gewähren, unabhängig vom Rang der Teilnehmer und dem Ausmaß ihrer Beteiligung“. Die Immunität gelte für die Konferenz, „nicht für bestimmte Personen“, schütze aber die Teilnehmer der Konferenz vor der Gerichtsbarkeit des Gastgeberlandes Südafrika, erklärte das Ministerium laut Guardian.
Vor der Gerichtsbarkeit des IStGH schützt diese „Standardimmunität“ aber nicht zwingend. Das behaupten unter anderem Experten des Analyseinstituts Eurasia Group, wie die Frankfurter Allgemeine (FAZ) berichtet. Die Immunität würden nach deren Einschätzung den internationalen Haftbefehl des IStGH nicht aufheben, folglich könnte Südafrika rechtlich verpflichtet sein, Putin zu verhaften, wenn ein Gericht dies anordnen würde.
Die Behörden des Landes hätten laut einem Bericht der südafrikanischen Sunday Times Präsident Putin bereits vor einigen Wochen gewarnt, nachdem eine eigens eingerichtete Regierungskommission erfolglos nach Möglichkeiten gesucht hatte, dessen Verhaftung durch den IStGH zu verhindern. „Wir haben keine Möglichkeit, Putin nicht zu verhaften“, sagte ein Regierungsbeamter der Sunday Times laut einem Bericht der Berliner Zeitung von Anfang Mai. „Wenn er nach Südafrika kommt, werden wir gezwungen sein, ihn festzunehmen.“
Regierung von Südafrika entschlossen: „Wir werden uns Russland nicht zum Feind machen“
Dieser rechtlichen Verpflichtung, deren Erfüllung der südafrikanische Regierungssprecher Vincent Magwenya bereits im März bekräftigt hatte, steht der politische Wille der Regierung in Johannesburg entgegen. Sie hat bereits angedeutet, dass sie Putin unter keinen Umständen im eigenen Land verhaftet sehen will. „Wir werden uns Russland auf Geheiß anderer nicht zum Feind machen“, sagte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor am Rande einer bilateralen russisch-südafrikanischen Wirtschaftstagung. Der Südafrika-Korrespondent der ARD, Richard Klug, nannte es Anfang April „völlig unvorstellbar, dass Südafrika Putin verhaften würde.“
Putins Zirkel der Macht im Kreml – die Vertrauten des russischen Präsidenten
Nun hofft man in Johannesburg offenbar darauf, dass das Römische Statut, auf dem der IStGH rechtlich fußt, ein Schlupfloch hergibt, um eine Verhaftung zu umgehen. In einem Artikel heißt es, dass die Vollstreckung eines Haftbefehls unzulässig ist, wenn dies „den ersuchten Staat verpflichten würde, im Widerspruch zu seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf die staatliche oder diplomatische Immunität einer Person (...) zu handeln, es sei denn, der Gerichtshof kann zuvor die Mitwirkung dieses Drittstaates an der Aufhebung der Immunität erlangen.“
Diesem Passus entnehmen manche laut Guardian, dass die pauschale Immunität des Gastgeberlandes jeden Teilnehmer des BRICS-Gipfels und damit auch Putin vor einer Verhaftung durch den IStGH schützt. Wie das mit der Feststellung der Regierung, man werde dazu „gezwungen“ sein, den Haftbefehl zu vollstrecken, in Einklang zu bringen ist, ist unklar.
Russland nennt Haftbefehl „illegale Entscheidung“
Russland könnte Südafrika aus diesem Dilemma retten, indem Putin auf eine persönliche Teilnahme am BRICS-Gipfel im August verzichtet. Doch danach sieht es nicht aus. Der Kreml erklärte am Dienstag (30. Mai), Russland werde auf „angemessener Ebene“ teilnehmen, wie der Guardian berichtet. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kommentierte den Haftbefehl des IStGH auf einer Pressekonferenz. Man verlasse sich darauf, dass sich Partnerländer nicht an „solchen illegalen Entscheidung“ orientieren werden.
Zu einem ähnlichen Streit kam es schon einmal 2015, als der damalige sudanesische Diktator Omar al-Bashir zu einem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Südafrika reiste. Gegen ihn bestand ebenfalls ein internationaler Haftbefehl, Südafrikas Regierung berief sich aber diplomatische Immunität und empfing ihn dennoch. Al-Bashir verließ das Land aber schnell wieder, als es immer wahrscheinlicher wurde, dass der Oberste Gerichtshof Südafrikas seine Verhaftung anordnen würde. Aktivisten waren vor Gericht gezogen. Ob man es beim uungleich mächtigeren russischen Staatschef so weit kommen lassen wird, ist unklar.