Macht auch nach seinem Tod dem Moskauer Zirkel Wladimir Putins Sorgen: der frühere Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin.
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Macht auch nach seinem Tod dem Moskauer Zirkel Wladimir Putins Sorgen: der frühere Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin.

Duma-Rede geplant

Neue Details zu Prigoschins Plan in Moskau: Wagner-Chef wollte Putins Gunst zurückgewinnen

  • Bedrettin Bölükbasi
    VonBedrettin Bölükbasi
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Kurz vor dem Start seiner Meuterei gegen Putin hatte der verstorbene Wagner-Chef Prigoschin offenbar andere Pläne: Mit einer Duma-Rede wollte er wohl die Unterstützung des Kremlchefs gewinnen.

Moskau – Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine rückte eine Person sowohl in Russland als auch in der restlichen Welt so stark in den Fokus wie kaum ein anderer: Jewgeni Prigoschin, der inzwischen für tot erklärte Chef der russischen Söldnertruppe Wagner. Mit seinen Einheiten kämpfte er im Ukraine-Krieg besonders in der Ostukraine und unterstützte die Soldaten von Kremlchef Wladimir Putin.

Seine offene Kritik an der militärischen Führung und der Machtkampf mit Verteidigungsminister Sergei Schoigu, weswegen er im Kreml in Ungnade fiel, mündeten jedoch schließlich in einem Aufstand am 23. Juni. Davor soll er aber noch einen letzten Versuch unternommen haben, um Putins Gunst zurückzugewinnen.

Vor Prigoschins Meuterei: Wagner-Chef wollte Putins Gunst zurückgewinnen

Konkret geht es um eine Rede, die Prigoschin in der russischen Staatsduma halten wollte, wie die russische oppositionelle Online-Zeitung Moscow Times unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet. Demnach hatte Prigoschin dafür die Unterstützung seiner Verbündeten in der Duma: Die Partei „Gerechtes Russland“ und der Parteivorsitzende Sergei Mironow. Die Partei und der Vorsitzende gelten als Prigoschin-nah, sind aber zugleich auch Verbündete von Putin. Mironow hatte in Vergangenheit mit einem Schlaghammer posiert, der nach einer brutalen Hinrichtung zum Symbol von Wagner geworden war. Der Co-Vorsitzende von „Gerechtes Russland“, Sachar Prilepin, war in Fotos mit Prigoschin aufgetaucht.

Nur wenige Stunden vor der Meuterei des Wagner-Chefs nahm Mironow an einer Sitzung in der Duma teil und spielte dort ein Video mit Aussagen von sämtlichen anderen Abgeordneten und Funktionären ab, so die Moscow Times. Darin sei es um die unzureichende Hilfe aus Moskau für mobilisierte und freiwillige Soldaten in der Ukraine gegangen. Der Plan: Eigentlich hätte auch Prigoschin an diesem Treffen teilnehmen sollen.

Prigoschin stirbt bei Flugzeug-Katastrophe – Bilder vom Unglücksort

Söldnerführer Prigoschin offenbar bei Flugzeugabsturz getötet
Flüge unternahm Jewgeni Prigoschin mit seinem Privatjet. Jetzt ist er bei einem Absturz seiner Embraer Legacy 600 getötet worden. Der russische Präsident Wladimir Putin bestätigte dessen Tod. © picture alliance/dpa/Luba Ostrovskaya/AP
Das Bild stammt vom Telegram-Kanal Grey Zone, der Prigoschin nahe steht, und soll Prigoschins Privatjet zeigen, der vom Himmel fällt.
Am Mittwochabend (23. August) fiel die Maschine auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg vom Himmel. Das Bild stammt vom Telegram-Kanal Grey Zone, der Prigoschin nahesteht. © IMAGO/Gray_Zone
„Ostoroschno Nowosti“ veröffentlichte ein Bild aus einem Video, das die Absturzstelle in der Nähe des Dorfes Kuschenkino in der Region Twer zeigt.
„Ostoroschno Nowosti“ veröffentlichte ein Bild aus einem Video, das die Absturzstelle in der Nähe des Dorfes Kuschenkino in der Region Twer zeigt. © picture alliance/dpa/Ostorozhno Novosti/AP
Offenbar ist der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Es wird über einen Doppelgänger spekuliert.
Noch am Abend meldete die russische Luftfahrtbehörde, dass Prigoschin im Unglücksflieger saß. Sein Tod wurde einen Tag später bestätigt.  © Lev Borodin/IMAGO
Das Wrack, in dem zehn Menschen starben, brannte völlig aus. Die Identifizierung der Leichen ist schwierig.
Das Wrack, in dem zehn Menschen starben, brannte völlig aus. © picture alliance/dpa/Investigative Committee of Russia/XinHua | Uncredited
Die Absturzstelle gut 200 Kilometer nordwestlich von Moskau gleicht einem Trümmerfeld.
Die Absturzstelle gut 200 Kilometer nordwestlich von Moskau gleicht einem Trümmerfeld. © picture alliance/dpa/AP | Uncredited
Teile liegen verstreut nahe einem Waldgebiet.
Teile liegen verstreut nahe einem Waldgebiet. © IMAGO/SNA
Ein Trümmerteil liegt auf dem Boden.
Dass es sich einmal um ein Flugzeug handelte, ist kaum zu erkennen. © IMAGO/Vitaliy Shustrov
Russische Ermittler beginnen vor Ort mit der Untersuchung des Unglücks.
Russische Ermittler beginnen vor Ort mit der Untersuchung des Unglücks.  © picture alliance/dpa/AP | Alexander Zemlianichenko
Die Toten werden zur Untersuchung in eine Halle nach Twer gebracht.
Die Toten werden abtransportiert. © picture alliance/dpa/AP | Uncredited
In dieses Gebäude der Gerichtsmedizin wurden die Körper offenbar zur Untersuchung gebracht.
In dieses Gebäude der Gerichtsmedizin der Region Twer wurden die Körper offenbar zur Untersuchung gebracht.  © IMAGO/Petrov Sergey
Ein Mann legt Blumen in Prigoschins Geburtsstadt Sankt Petersburg nieder.
Noch am Abend des Absturzes werden in einigen Städten Russlands Gedenkstätten eingerichtet. Hier legt ein Mann Blumen in Prigoschins Geburtsstadt Sankt Petersburg nieder. © IMAGO/Alexander Galperin
Prigoschin und Kreml-Chef Putin
Prigoschin galt lange als Vertrauter Putins (r.). Bevor er den Kremlchef kennenlernte, war er ein Krimineller und verbüßte eine langjährige Haftstrafe. © Alexei Druzhinin/dpa
Prigoschin und Putin
Nach seiner Entlassung eröffnete er Restaurants in Sankt Petersburg und lernte Putin kennen, der ebenfalls aus der Stadt kommt. © Alexey Druzhinin/AFP
In der Folge erhielt Prigoschins Cateringfirma „Konkord“ viele öffentliche Aufträge, was ihm letztlich zu Reichtum verhalf.
In der Folge erhielt Prigoschins Cateringfirma „Konkord“ viele öffentliche Aufträge, was ihm letztlich zu Reichtum verhalf. © IMAGO / ITAR-TASS
Die berüchtigten Wagner-Söldnertruppen haben, im Kommando von Jewgeni Prigoschin und im Namen Russlands, sich am Ukraine-Krieg beteiligt. Den sehr wahrscheinlichen Tod von Putins Wagner-Chef nehmen in der Ukraine viele Menschen mit Freude wahr.
Ab 2013 begann Prigoschin, das private Sicherheits- und Militärunternehmen Gruppe Wagner zu formen. Die Söldnertruppe war im Auftrag der Regierung weltweit tätig und setzte russische Interessen durch. © Uncredited/Prigozhin Press Service/AP/dpa/Archiv
Kämpfer der Wagner-Gruppe, die berüchtigt für ihre brutalen Methoden sind, unterstützen russische Truppen auch im Ukraine-Krieg.
Kämpfer der Wagner-Gruppe, die berüchtigt für ihre brutalen Methoden sind, unterstützten russische Truppen auch im Ukraine-Krieg. Doch spätestens am 23. Juni 2023 war das Tischtuch zwischen Putin und Prigoschin zerschnitten.  © IMAGO/RIA Novosti
Wagner-Söldner in Rostow am Don.
Nachdem er zuvor im Ukraine-Krieg die russische Militärführung bereits mehrfach scharf kritisiert hatte, befahl Prigoschin an jenem Tag einen Aufstand gegen die russische Regierung. Wagner-Söldner marschierten Richtung Moskau. © IMAGO/Vladimir Konstantinov
Kämpfer der Wagner-Gruppe verlassen Rostow am Don.
Nur einen Tag später brach Prigoschin nach Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko den Aufstand wenige Hundert Kilometer vor Moskau ab. © IMAGO/Sergey Pivovarov
Prigoschin
Der Wagner-Boss ging ins Exil nach Weißrussland. Jetzt starb er im Alter von 62 Jahren. Nicht wenige vermuten, dass sich Putin für Prigoschins Illoyalität rächte. © -/AP/dpa

Prigoschin wollte Rede in der Staatsduma halten: „Es sollte ein großer Skandal werden“

Wegen seines Machtkampfes mit der obersten militärischen Führung sowie den Eliten des Landes verschlossen sich für den Wagner-Chef im Laufe des Krieges in der Ukraine nahezu alle Türen. Prigoschin wurde in russischen Medien zensiert, seine Möglichkeiten, den Kreml zu erreichen, stark eingeschränkt. Sein Einfluss begann zu wanken und er konnte sich nicht mehr persönlich mit dem Kreml sowie der Regierung treffen. Einen Zugang zu Putin hatte er nicht mehr. „Selbst die Büros, deren Türen er einfach aufreißen konnte, waren für ihn verboten“, sagte eine Regierungsquelle gegenüber Moscow Times.

Daher wollte Prigoschin seiner Stimme wohl mit einer geheimen Teilnahme an der Sitzung in der Staatsduma Gehör verschaffen. Dazu kam es aber nicht: Duma-Vorsitzender Wjatscheslaw Wolodin erteilte Prigoschins Forderung eine Absage, da der Kreml die Aktivitäten des Wagner-Chefs limitiert habe. Er wich laut dem Bericht daher aus und ließ stattdessen die Präsentation, die er selber vorführen wollte, von seinen Verbündeten in der Duma vorstellen. Schließlich sollten sie Prigoschin direkt einladen.

Prigoschins Hoffnung: Seine Rede im Staatsduma in Anwesenheit der Presse und wichtigen politischen Persönlichkeiten würde Putins Gefolgsleute dazu zwingen, den Präsidenten zu informieren. So sollten seine Aussagen direkt auf den Tisch von Putin kommen. „Es sollte ein großer Skandal werden“, räumte eine Quelle der Partei „Gerechtes Russland“ laut dem Bericht ein. Doch Prigoschins Teilnahme sei ein Tag vor der Rede ohne Erklärung abgesagt worden, schreibt die Moscow Times. Stattdessen rief der Wagner-Chef wenige Stunden nach der Sitzung ohne ihn die Meuterei aus. Ein Monat später stürzte sein Flugzeug ab. Die Umstände seines Todes sind immer noch nicht vollständig geklärt. (bb)