„Putins Krieg gegen Russland“

Putin muss Ukraine verlassen: USA appellieren dringend nach Kursk-Attacke

  • Marcus Giebel
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Wladimir Putin dürfte der Vorstoß der Ukraine auf russisches Territorium schmerzen. Ein Vorschlag aus den USA könnte ihn dazu bewegen, Kiew zum Rückzug zu bewegen.

Washington – Wladimir Putin hat in seinem Ukraine-Krieg seit einer Woche ein noch drängenderes Ziel als jenes, die Frontlinie im Nachbarland weiter in Richtung Westen zu verschieben. Der Kreml-Chef will die nach Russland vorgestoßenen ukrainischen Einheiten so schnell wie möglich wieder aus seinem Machtbereich verjagen.

Wie erfolgreich diese Operation innerhalb der sogenannten militärischen Spezialoperation läuft, bleibt nebulös. Moskau will den Vormarsch der Kiewer Soldaten gestoppt haben. Der ukrainische Generalstabschef Oleksandr Syrskyj informierte via Telegram, es befänden sich 1000 Quadratkilometer russisches Territorium unter der Kontrolle seiner Streitkräfte. Beides lässt sich jedoch nicht unabhängig überprüfen.

Putin und die Kursk-Offensive: „Er kann aus der Ukraine verschwinden und damit Schluss machen“

John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, hat derweil einen anderen Vorschlag unterbreitet, wie Putin dafür sorgen könnte, dass sich die ukrainischen Truppen wieder aus Russland zurückziehen. In einer Fragerunde mit Journalisten sagte der ehemalige Konteradmiral der US Navy: „Machen wir uns nichts vor: Das ist Putins Krieg gegen Russland. Und wenn er das nicht möchte, weil er sich ein bisschen unwohl fühlt, gibt es eine einfache Lösung: Er kann aus der Ukraine verschwinden und damit Schluss machen.“

Die Frage hatte darauf abgezielt, wie Kirby auf Putins Vorwurf reagiere, beim ukrainischen Einmarsch in die Region Kursk handele es sich um einen Krieg des Westens gegen Russland. Dies bezeichnete der frühere Sprecher des Außenministeriums und des Verteidigungsministeriums als „witzigen Teil der Putin-Propaganda“.

Szenen eines Kriegs: Wladimir Putins Invasion in die Ukraine holt Russland mehr und mehr ein.

US-Sprecher wettert gegen Putin: Kriegs-Argumente von Kreml-Chef „nur ein Haufen Hickhack“

Denn so habe der russische Herrscher den Ukraine-Krieg von Anfang an verteidigt: „Dass er in die Ukraine einmarschieren musste, die Nato umzingelt ihn, und die Unterstützung der Nato und der USA für die Ukraine beweist, es geht um den Westen gegen Russland, es geht um Nato gegen Russland, es geht um die USA gegen Russland.“ Für Kirby sind diese Argumente „nur ein Haufen Hickhack. Da ist nichts dran.“

Einzig Russland befinde sich in der Ukraine im Krieg: „Es ist Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, schlicht und einfach. So war es von Anfang an.“ Nur fanden die Kämpfe mit ganz wenigen Ausnahmen – etwa Operationen von pro-ukrainischen Putin-Gegnern aus Russland in Grenzregionen – in der Ukraine statt. Nun muss Putin erleben, was der Krieg im eigenen Land anrichten kann.

Nawalny verlängert die Liste der Opfer Putins – ein Überblick

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny war über Jahre der markanteste Kopf der russischen Opposition. Schon früh prangerte der Rechtsanwalt das Machtlager von Präsident Wladimir Putin offen als „Partei der Gauner und Diebe“ an.  © Andrei Zhilin/afp
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin.
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin. © Anatoly Maltsev / dpa
Alexej Nawalny
2013 trat er als Bürgermeisterkandidat in Moskau an und erreichte mit 27 Prozent der Stimmen den zweiten Platz. Später organisierte er Massenproteste im ganzen Land, besonders aber in Moskau. 2018 wollte Nawalny selbst Präsident werden, doch die Justiz schob ihm einen Riegel vor. Wiederholt wurde er wegen Betrugs- und Diebstahlsvorwürfen vor Gericht gestellt und verurteilt. © Kirill Kudryavtsev/afp
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei.
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei. © Valentina Svistunova / dpa
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro.
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro. © Evgeny Feldman / dpa
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden.
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden. © Jean-Francois Badias / dpa
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen.
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen. © Alexander Demianchuk / Imago
Alexej Nawalny
Im August 2020 brach Nawalny bei einer Reise zusammen und fiel ins Koma. Grund war eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok, wie Untersuchungen an der Charité in Berlin bewiesen. © Instagram account @navalny/afp
Alexej Nawalny
Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er erneut vor Gericht gestellt und unter anderem wegen angeblichem „Extremismus“ zu 19 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Im Dezember 2023 folgte die Verlegung in ein Lager hinter dem Polarkreis. Am 16. Februar 2024 starb Nawalny nach Justizangaben in dem Straflager. Er sei nach einem Hofgang zusammengebrochen, teilte die Gefängnisverwaltung mit.  © Vera Savina/afp
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben. Weltweit wird um den Kreml-Kritiker getrauert. © IMAGO/Vuk Valcic / ZUMA Wire
Jewgeni Prigoschin
Jewgeni Prigoschin war in Russland als skrupelloser Unternehmer mit krimineller Vergangenheit bekannt. Er und Putin kannten sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb war Prigoschin, der mehrere Jahre wegen Raubs in Haft saß, auch als „Putins Koch“ bekannt. Niemand sonst in Russland traute sich solche Kritik wie Prigoschin © ITAR-TASS/Imago
Jewgeni Prigoschin
Über Monate hinweg legte sich Jewgeni Prigoschin mit der Militärführung in Moskau an. Immer wieder warf der Chef der russischen Privatarmee Wagner dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab der Armee vor, Präsident Wladimir Putin zu belügen. Mit einem bewaffneten Aufstand seiner Privatarmee forderte Prigoschin aber auch Putin selbst heraus. © Sergey Pivovarov/Imago
Jewgeni Prigoschin
Nach seinem gescheiterten Aufstand sahen Fachleute den Söldnerchef aber dem Tode geweiht. Kremlchef Putin hatte die Kämpfer um seinen Ex-Vertrauten als Verräter bezeichnet. Tatsächlich starb Prigoschin zwei Monate nach seiner Meuterei gegen die russische Staatsmacht im August 2023 bei einem Flugzeugabsturz in Russland. © Imago
Boris Nemzow
Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow galt als einer der schillerndsten und mutigsten Politiker Russlands. Feinde machte er sich vor allem mit seiner Kritik an der Ukraine-Politik von Kremlchef Wladimir Putin. Er wurde zur Galionsfigur der zersplitterten Opposition und galt als Unterstützer der Richtung Westen strebenden Ukraine. © Oxana Onipko/afp
Boris Nemzow
Nemzow wurde im Februar 2015 durch mehrere Schüsse in den Rücken aus einem Auto heraus erschossen. Der Mord wirft noch immer viele Fragen auf. Die EU drängte Russland wiederholt dazu, den Fall weiter aufzuklären. Ein Gericht in Moskau verurteilte 2017 den mutmaßlichen Mörder und vier Komplizen aus dem Nordkaukasus zu langen Haftstrafen. Nemzows Familie beklagte, dass nach den Drahtziehern nie wirklich gesucht worden sei. © afp
Boris Nemzow
In den 1990er Jahren hatte sich Nemzow als liberaler Reformer in Russland einen Namen gemacht. Präsident Boris Jelzin (rechts im Bild) holte ihn einst in die Regierung nach Moskau. Nemzow war zeitweilig auch als Präsidentenanwärter gehandelt worden. „Ich bin liberal, was Wirtschaftsfragen angeht, aber für eine starke Staatsmacht in der Politik“, sagte er einmal. © TASS/afp
Alexander Litwinenko
Der Putin-Kritiker Alexander Litwinenko starb im November 2006 in London nach einem Anschlag mit dem radioaktiven Gift Polonium 210. Einem Untersuchungsbericht zufolge soll ihm das Strahlengift in einem Londoner Hotel in den Tee gemischt worden sein. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit siechte Litwinenko tagelang dahin. Vom Krankenhausbett beschuldigte er Putin, hinter dem Anschlag zu stecken. Die britische Justiz sieht es ebenfalls als bewiesen an, dass die Spur in hohe politische Kreise in Moskau führt. Russland weist dies zurück. © Sergei Kaptilkin/dpa
Anna Politkowskaja
Die Journalistin Anna Politkowskaja machte sich als Kritikerin der Kriege in Tschetschenien einen Namen. Die Mitarbeiterin Oppositionszeitung Nowaja Gaseta berichtete über Kriegsverbrechen der russischen Armee und der verbündeten tschetschenischen Gruppen und sprach von einem „schmutzigen Krieg“. Häufig musste sie sich gegen Drohungen wehren. Am 7. Oktober 2006 wurde sie vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Politkowskajas Familie vermutet ein politisches Motiv für die Tat.  © Imago
Boris Beresowski
Die Serie von mitunter rätselhaften Todesfällen, hinter denen russische staatliche Stellen vermutet werden, ist noch sehr viel länger. Der Oligarch Boris Beresowski (Mitte) fiel nach dem Machtantritt Putins in Ungnade und floh nach Großbritannien. Am 23. März 2013 wurde Beresowski tot im Bad seines Hauses in Ascot gefunden.  © Shaun Curry/afp
Pawel Scheremet
Im Juli 2016 kam der russische Exil-Journalist Pawel Scheremet in Kiew durch eine Autobombe ums Leben. Scheremet engagierte sich während der Maidan-Proteste 2013/2014 in Kiew aufseiten der prowestlichen Kräfte und wurde später Redakteur beim renommierten Internetportal Ukrainskaja Prawda. © Dmytro Larin/afp
Denis Woronenkow
2017 wurde der abtrünnige russische Abgeordnete Denis Woronenkow auf offener Straße in Kiew erschossen. Auch sein Fall wurde nie aufgeklärt. © ITAR-TASS/Imago
Sergej Magnizki
Sergej Magnizki starb 2009 unter ungeklärten Umständen in einem Moskauer Gefängnis. Angeblich wurde der Anwalt, der nach eigenen Angaben einen Steuerbetrug aufgedeckt hatte, zu Tode geprügelt. Medizinische Hilfe wurde im verweigert.  © HO/Hermitage Capital Management/afp
Baburowa/Markelow
Die Journalistin Anastassija Baburowa und der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow wurden 2009 auf der Straße in Moskau erschossen. Für die Tat wurden ein Rechtsextremist und eine Komplizin zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten ihre Schuld bestritten. © ITAR-TASS/Imago
Natalia Estemirowa
Die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa wurde 2009 in der Konfliktregion Nordkaukasus erschossen aufgefunden. Mit Berichten über das Verschwinden von Zivilpersonen in dem Gebiet hatte sie sich wiederholt den Zorn der Machthaber zugezogen. © Memorial/afp
Sergej Juschenkow
Eines der ersten Todesopfer war Sergej Juschenkow. Der Duma-Abgeordnete wurde im April 2003 in Moskau erschossen. Juschenkow war der Staatsführung ein Dorn im Auge, wenngleich der Politiker über wenig Macht und Einfluss verfügte.  © Roman Mukhamedzanov/Vremya Novos/afp

Putin und Russlands Verluste: Laut Gouverneur zwölf Zivilisten bei Kursk-Offensive gestorben

Alexej Smirnow als Gouverneur der Region Kursk gab während eines Meetings am Montag an, 121.000 Zivilisten seien evakuiert worden, insgesamt seien 180.000 direkt von den Auswirkungen des ukrainischen Vormarschs betroffen. Demnach kamen zwölf Zivilisten ums Leben, unter den 121 Verletzten befänden sich auch zehn Kinder. Über Verluste unter den eigenen Truppen verlor er kein Wort.

Als Smirnow darauf zu sprechen kam, die Ukrainer seien auf einer Breite von 40 Kilometern rund zwölf Kilometer tief auf russisches Gebiet vorgerückt, fuhr Putin dazwischen. Derartige Angaben will der Kreml-Chef lieber von der Militärführung aufgetischt bekommen, der Politiker solle sich auf die sozioökonomische Situation und die geleistete Unterstützung für die Menschen fokussieren.

Auf seinem Telegram-Kanal stellte Smirnow am Dienstagnachmittag klar: „Die Krise ist noch nicht überwunden.“ Neben Charakter sei auch Geduld gefragt. Dabei nutzte er die Gelegenheit, für die bereitwillige Hilfe von allen Seiten zu danken. Und der Gouverneur vergaß nicht, zu erwähnen, dass die größte Hilfe aus der Politik komme und von Putin kontrolliert werde.

Rät Russland zum Rückzug aus der Ukraine: John Kirby ist Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA.

Russlands Verluste im Ukraine-Krieg: Laut Kiew fast 600.000 Militärangehörige außer Gefecht gesetzt

Die Reaktion auf das ukrainische Vordringen auf russisches Territorium fiel im Westen unterschiedlich aus. Kirby betonte, er werde sich nicht zu Einzelheiten der Kiewer Kriegsführung äußern. Der FDP-Politiker Marcus Faber als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses warb via X bereits für die Lieferung weiterer Leopard 2, um Putin weiter unter Druck und Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Dagegen wurden auch Stimmen erhoben, denen zufolge die Ukraine diesen Vorstoß in der Zukunft noch teuer bezahlen könnte. Bereits in der einen Woche seit dem Einmarsch sollen sich die ukrainischen Verluste bei den dortigen Kämpfen laut dem Telegram-Kanal der Region Kursk unter anderem auf mehr als 2000 Militärangehörige, 35 Panzer, rund 180 gepanzerte Kampffahrzeuge, vier Flugabwehr-Raketensysteme und zwei Mehrfachraketensysteme belaufen.

Diese Zahlen sind ebenso mit Vorsicht zu genießen wie die täglich vom ukrainischen Verteidigungsministerium verbreiteten Verluste auf russischer Seite. Demnach verloren Putins Truppen seit Beginn der russischen Invasion unter anderem 593.160 Militärangehörige, 8455 Panzer, 16.385 bewaffnete Kampffahrzeuge, 1146 Mehrfachraketensysteme, 366 Kampfflugzeuge sowie 28 Kampfschiffe oder -boote. (mg)

Rubriklistenbild: © IMAGO / SNA (2)