Russland braucht Rekruten

„Mehrere Tausend“ im Einsatz? Soldaten aus Nordkorea desertieren offenbar von Ukraine-Front

Nordkoreanische Soldaten, die auf der Seite Russlands kämpften, sind offenbar desertiert. Nicht der erste Hinweis auf eine Anwesenheit von Nordkoreanern im Ukraine-Krieg.

Einem Bericht der südkoreanischen Tageszeitung Choson Ilbo zufolge sind mehrere nordkoreanische Soldaten, die im Ukraine-Krieg auf der Seite Russlands kämpften, desertiert. Die Zeitung beruft sich auf einen ukrainischen Militärbeamten. Er sagte dem Blatt, dass sich insgesamt 18 Soldaten sieben Kilometer nordwestlich der russisch-ukrainischen Grenze, zwischen Bryansk und Kursk, von ihrer Einheit entfernt hätten.

Nordkoreanische Soldaten bei einer Übung (Archivbild).

„Mehrere Tausend“ im Einsatz? Soldaten aus Nordkorea desertieren offenbar von Ukraine-Front

Der ukrainische Beamte erklärte der Zeitung: „Die russischen Streitkräfte sind derzeit auf der Suche nach den Deserteuren.“ Er fügte hinzu: „Die Soldaten wurden noch nicht festgenommen, und lokale russische Militäreinheiten versuchen Berichten zufolge, den Vorfall vor ihren Vorgesetzten zu verbergen.“

Es ist jedoch nicht möglich, diese Informationen unabhängig zu bestätigen. Ohnehin bleibt weiter unklar, ob sich tatsächlich nordkoreanische Soldaten in der Ukraine oder im russischen Grenzgebiet aufhalten. Dennoch gibt es immer mehr Berichte, die genau darauf hinweisen. Anfang Oktober meldete die ukrainische Kyiv Post, dass sechs Nordkoreaner bei einem ukrainischen Raketenangriff nahe der besetzten Stadt Donezk getötet und drei weitere verletzt worden seien.

Einblicke ins Reich von Kim Jong-un: Alltag in Nordkorea

Menschen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Nordkorea ist das wohl geheimnisvollste Land der Erde: eine totalitäre Diktatur, in der der Einzelne nichts zählt, ohne Freiheiten und Menschenrechte, abgeschottet vom Rest der Welt. Schätzungsweise 26 Millionen Menschen leben in dem Land, das im Norden an China und Russland grenzt und im Süden an das freiheitliche, demokratische Südkorea. Nordkoreas Grenzen sind für die meisten Menschen unüberwindbar – kaum einer kommt rein, noch weniger Menschen kommen raus. © Ed Jones/afp
Munsu Wasserpark in Pjöngjang.
Als buntes, lebensfrohes Paradies für alle, so zeigt sich Nordkorea gerne. So wie hier, im Munsu Wasserpark in Pjöngjang. Außerhalb der Hauptstadt, in der vor allem die Eliten wohnen, ist das Leben in Nordkorea aber vor allem trist und von Mangel und massiven Menschenrechtsverletzungen geprägt. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2013. © Xinhua/Imago
Burgerladen in Pjöngjang
Die USA sind der erklärte Hauptfeind des nordkoreanischen Regimes. Das hindert das Land aber offenbar nicht, amerikanische Esskultur zu zelebrieren – wie hier in einem Burgerladen in Pjöngjang (Aufnahme von 2018). © Ed Jones/AFP
Braut und Bräutigam posieren für Fotos mit einem Pferd in der Reitschule Mirim am Stadtrand von Pjöngjang
Braut und Bräutigam posieren für Fotos mit einem Pferd in der Reitschule Mirim am Stadtrand von Pjöngjang (2016). © Ed Jones/AFP
Ein Kind spielt 2018 mit Pfeil und Bogen während einer Veranstaltung zum „Internationalen Kindertag“ im Kaeson Youth Park in Pjöngjang.
Ein Kind spielt 2018 mit Pfeil und Bogen während einer Veranstaltung zum „Internationalen Kindertag“ im Kaeson Youth Park in Pjöngjang. © Kim Won Jin/AFP
Touristen aus China posieren vor einem Denkmal in Pjöngjang
Touristen aus China posieren vor einem Denkmal in Pjöngjang (2019). Gigantische Propaganda-Monumente wie dieses finden sich überall in der nordkoreanischen Hauptstadt. © Ed Jones/AFP
In Nordkoreas U-Bahn-Netz sind noch immer alte Züge aus Berlin unterwegs
In Nordkoreas U-Bahn-Netz sind noch immer alte Züge aus Berlin unterwegs. Auf den Bahnsteigen verkünden Zeitungen die staatliche Propaganda. Das Bild entstand 2019. © Ed Jones/AFP
An einem Schießstand in Pjöngjang zeigt eine Ausbilderin ein in Nordkorea hergestelltes Sturmgewehr
Immer bereit, falls der Feind vor der Tür steht: An einem Schießstand in Pjöngjang zeigt eine Ausbilderin ein in Nordkorea hergestelltes Sturmgewehr (2018). © Ed Jones/AFP
Der Turm der Juche-Ideologie
Der Turm der Juche-Ideologie ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Er befindet sich am Ufer des Flusses Taedong und ist ein Monument für Nordkoreas Staatsideologie, die eine Autarkie des Landes propagiert. (Aufnahme von 2019) © Ed Jones/AFP
Junge Besucher warten vor dem Museum für Naturgeschichte in Pjöngjang (2016).
Junge Besucher warten vor dem Museum für Naturgeschichte in Pjöngjang (2016). © Ed Jones/AFP
Das Monument zur Gründung der Partei der Arbeit Koreas in Pjöngjang
Das Monument zur Gründung der Partei der Arbeit Koreas in Pjöngjang: Der Hammer steht für die Arbeiterklasse, die Sichel für die Bauern und der Pinsel für die Intellektuellen. (Aufnahme von 2013) © Ed Jones/AFP
Hochzeitspaar auf dem Taedong-Fluss in Pjöngjang (2015)
Hochzeitspaar auf dem Taedong-Fluss in Pjöngjang (2015): Eine derart glamouröse Hochzeit können sich in Nordkorea nur die wenigsten Menschen leisten. © Ed Jones/AFP
Besucher füttern in Zoo von Pjöngjang die Bären (2016).
Besucher füttern in Zoo von Pjöngjang die Bären (2016). © Ed Jones/AFP
Ein Skigebiet nahe Wonsan im Osten von Nordkorea
Ein Skigebiet nahe Wonsan im Osten von Nordkorea (2017): Skifahren ist in dem Land ein Sport für die Eliten. © Ed Jones/AFP
Billard-Halle in Pjöngjang (2017)
Billard-Halle in Pjöngjang (2017): Der Sport ist in Nordkorea – wie auch in vielen anderen asiatischen Ländern – äußerst beliebt. © Ed Jones/AFP
Auf dem Land, wie hier in der Nähe von Kiliju im Nordosten von Nordkorea, ist das Leben beschwerlich. Die Aufnahme stammt von 2017.
Auf dem Land, wie hier in der Nähe von Kiliju im Nordosten von Nordkorea, ist das Leben beschwerlich. Die Aufnahme stammt von 2017. © Ed Jones/AFP
Der Kim-il-Sung Platz befindet sich im Zentrum von Pjöngjang. Das Regime nutzt ihn gerne für Aufmärsche – und Kinder offenbar auch zum Spielen (Aufnahme von 2019).
Der Kim-il-Sung Platz befindet sich im Zentrum von Pjöngjang. Das Regime nutzt ihn gerne für Aufmärsche – und Kinder offenbar auch zum Spielen (Aufnahme von 2019). © Ed Jones/AFP
Das Foto aus dem Jahr 2020 zeigt eine Kimichi-Fabrik in Pjöngjang.
Kimichi ist das Nationalgericht der beiden koreanischen Staaten. Das Foto aus dem Jahr 2020 zeigt eine Kimichi-Fabrik in Pjöngjang. © Kim Won Jin/AFP
Das Yangdok Hot Spring Resort ist ein beliebter Ausflugsort der Oberschicht (Bild von 2022).
Das Yangdok Hot Spring Resort ist ein beliebter Ausflugsort der Oberschicht (Bild von 2022). © Kim Won Jin/AFP
Der Pjöngjang-Marathon lockt jedes Jahr (hier: 2019) auch ein paar wenige ausländische Besucher in die Hauptstadt. Im Hintergrund: Nordkoreas Triumphbogen – höher als das Original in Paris.
Der Pjöngjang-Marathon lockt jedes Jahr (hier: 2019) auch ein paar wenige ausländische Besucher in die Hauptstadt. Im Hintergrund: Nordkoreas Triumphbogen – höher als das Original in Paris. © Kim Won Jin/AFP
Oans, zwoaf, gsuffa! Auch in Nordkorea gibt es ein Oktoberfest – hier im Jahr 2016.
Oans, zwoaf, gsuffa! Auch in Nordkorea gibt es ein Oktoberfest – hier im Jahr 2016. © Imago
Besucher eines Friedhofs für die „Märtyrer“ des Korea-Kriegs
Besucher eines Friedhofs für die „Märtyrer“ des Korea-Kriegs. Die Gesichtsmasken verraten es: Das Bild entstand in den Jahren der Corona-Pandemie, genauer: 2021. © Kim Won Jin/AFP
Das Bild zeigt Gewächshäuser in der Provinz Süd-Hamgyong im Jahr 2022.
Seit Jahrzehnten schafft es Nordkorea nicht, seine Bürger mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Diktator Kim Jong-un gibt sein Geld lieber für Raketen als für Nahrungsmittel aus. Das Bild zeigt Gewächshäuser in der Provinz Süd-Hamgyong im Jahr 2022. © KCNA via KNS/AFP
Soldaten auf einem Jahrmarkt im Jahr 2012.
Soldaten auf einem Jahrmarkt im Jahr 2012. © Eric Lafforgue/Imago
Im Zentrum von Pjöngjang ehren riesige Bronzestatuen Staatsgründer Kim Il-sung (links) und seinen Sohn und Nachfolger Kim Jong-il (Aufnahme von 2023).
Im Zentrum von Pjöngjang ehren riesige Bronzestatuen Staatsgründer Kim Il-sung (links) und seinen Sohn und Nachfolger Kim Jong-il (Aufnahme von 2023). © Yuri Smityuk/Imago

Selenskyj: Nordkorea ist „de-facto-Komplize“ der Russen im Ukraine-Krieg

Der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Yong-hyun bezeichnete den Bericht als „sehr wahrscheinlich“. Er verwies auf ein Abkommen, das Moskau und Pjöngjang im Juni unterzeichnet hatten. Kim sagte, der Pakt zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ähnele „einem Militärbündnis“. Daher sei es gut möglich, dass Nordkorea auch Soldaten in den Ukraine-Krieg entsende.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte das Kim-Regime ebenfalls, Soldaten in den Krieg gegen sein Land zu schicken. In seiner abendlichen Videoansprache am Wochenende sagte Selenskyj, es gebe eine gestärkte Allianz zwischen Moskau und Regimen wie dem von Kim Jong-un. „Es geht jetzt nicht mehr nur um Waffenlieferungen, sondern um die Eingliederung von Nordkoreanern in die Besatzungstruppen.“ Im September hatte Selenskyj Nordkorea vor den Vereinten Nationen als „de-facto-Komplizen“ im „kriminellen Krieg“ der Russen bezeichnet.

Möglicherweise „mehrere Tausend“ Soldaten aus Nordkorea in Russland – und bald im Ukraine-Krieg?

Die Anzahl der nordkoreanischen Soldaten, die in der Ukraine im Einsatz sind, ist unbekannt. Ein Mitarbeiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurde kürzlich von der Washington Post mit der Einschätzung zitiert, dass „mehrere Tausend“ nordkoreanische Infanteriesoldaten in Russland ausgebildet werden und bis Ende des Jahres an die Front geschickt werden könnten. Nordkoreanische Offiziere sollen sich demnach bereits in russischen besetzten Gebieten in der Ukraine befinden, um die Situation auf dem Schlachtfeld zu studieren. Der Geheimdienstmitarbeiter sagte jedoch, dass man noch keine nordkoreanischen Soldaten im Kampf gesehen habe. Während die USA sich „besorgt“ über die Berichte über eine Beteiligung nordkoreanischer Soldaten am Ukraine-Krieg zeigten, bezeichnete der Kreml diese als „Falschmeldungen“.

Das Regime von Diktator Kim Jong-un hatte sich zu Beginn des Krieges auf die Seite Russlands gestellt und später die Annexion der Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja durch den Kreml anerkannt. Geheimdienstberichten aus den USA und Südkorea zufolge liefert Nordkorea massenhaft Munition an die Front, und es wird vermutet, dass auch nordkoreanische Raketen dort eingesetzt werden. Für Moskau ist Pjöngjang zu einem der wichtigsten Verbündeten geworden, ohne den es seinen Angriffskrieg in der jetzigen Intensität wohl nicht führen könnte.

Nordkorea profitiert von Zusammenarbeit mit Russland im Ukraine-Krieg

Die Zusammenarbeit mit Russland bringt Nordkorea mehrere Vorteile. Russland hat neue UN-Sanktionen gegen Pjöngjang verhindert und die Arbeit eines Expertengremiums der UN, das für die Überwachung der Sanktionen zuständig war, gestoppt. Es wird auch angenommen, dass Nordkorea Devisen, Lebensmittel und Treibstoff von Russland erhält. Experten vermuten zudem, dass Russland das nordkoreanische Waffen- und Atomprogramm mit Know-how und Komponenten unterstützt.

Nordkorea führt regelmäßig Tests mit ballistischen Raketen durch, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden und die gesamten USA erreichen könnten. Vor allem gegen Südkorea hat das Regime in Pjöngjang zuletzt seine Drohgebärden massiv verschärft und einer friedlichen Wiedervereinigung eine Absage erteilt. Anfang dieser Woche begann Nordkorea zudem damit, Verkehrsverbindungen in den Süden zu sprengen. (sh)

Rubriklistenbild: © KCNA/AFP