Gesundheit

„Praktisch ungebremst“: Beitragserhöhungen bei Krankenkassen in Aussicht

  • Babett Gumbrecht
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Es ist ein unangenehmer Überraschung für viele Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Zusatzbeiträge nehmen zum Jahresbeginn deutlich zu. Und es könnte noch heftiger kommen.

Berlin/München – Seit Mitte Dezember ist klar: Für Millionen Versicherte wird die gesetzliche Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) 2025 teurer werden– oft sogar noch teurer als befürchtet. Und auch 2026 werden die gesetzlichen Krankenkassen nach Einschätzung ihres Dachverbands die Beitragssätze erhöhen. „Ich bin optimistisch, dass die Erhöhungen zum Jahreswechsel in der Krankenversicherung dann für das Jahr 2025 ausreichen. Aber schon heute ist klar, dass es 2026 weitere Erhöhungen geben muss“, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, der Rheinischen Post. 

Allein für die Krankenhaus-Reform, die die Kassen mitfinanzieren sollen, werde dies notwendig sein. Allerdings betonte Pfeiffer: „Wir halten diese Regelung insgesamt für verfassungswidrig und prüfen gerade die Möglichkeiten einer Verfassungsklage dagegen.“

Trotz bereits erfolgter Beitragserhöhungen: Ausgaben steigen weiter „praktisch ungebremst“

Trotz bereits erfolgter Beitragserhöhungen habe sich für das zurückliegende Jahr in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit von 5,5 Milliarden Euro angehäuft. „Seit rund zehn Jahren erleben wir Gesundheitsminister, die zwar gut darin sind, über neue Gesetze die Ausgaben zu steigern, es aber versäumen, die Stabilität der Beitragssätze in den Blick zu nehmen“, sagte Pfeiffer der Zeitung. 

Doris Pfeiffer, die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, ärgert sich über die „systematische Unterfinanzierung“ der Krankenkassen.

Die Ausgaben für Krankenhäuser und Medikamente würden „praktisch ungebremst“ steigen, ohne die Versorgung der Patienten zu verbessern. Statt die Strukturen zu reformieren, habe die Politik die Rücklagen der Krankenkassen abgeräumt. Die Folge seien die höheren Beiträge.

GKV kritisiert Politik: Erhebliche Mehrbelastung für Millionen von Arbeitnehmern

Die Mehrheit der gesetzlichen Kassen wird nach der Auswertung von Vergleichsportalen zum 1. Januar ihre Zusatzbeiträge erhöhen - zum Teil um deutlich mehr als einen Prozentpunkt. Auch der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird nach der abschließenden Zustimmung des Bundesrats um 0,2 Prozentpunkte steigen. Zusammengenommen ergibt sich eine erhebliche Mehrbelastung für Millionen von Arbeitnehmern.

„Bei den meisten Krankenkassen stehen keine Reserven mehr zur Verfügung, um Beitragssteigerungen im nächsten Jahr zu vermeiden oder auch nur abzumildern“, betonte auch die Spitzenverbandsvorsitzende Pfeiffer. Für immer mehr Kassen sei es ein Problem, ihre gesetzliche Mindestreserve von 20 Prozent der Ausgaben eines Monats vorzuhalten.

„Vor diesem Hintergrund ist unerklärlich, dass die Gesundheitspolitik der sich immer schneller drehenden Beitragsspirale tatenlos zuschaut“, kritisierte die Verbandsvorsitzende. Die Krankenkassen kritisieren seit Langem, dass die Regierung politische Maßnahmen wie die bessere Bezahlung von Pflegekräften, die Kosten der geplanten Krankenhausreform oder die Versorgungskosten einer steigenden Zahl von Bürgergeldempfängern allein auf die gesetzlichen Versicherten abwälze. Der Bund müsse diese versicherungsfremden Leistungen endlich vollständig übernehmen, fordert die Chefin des AOK-Bundesverbands Carola Reimann.

Präsident der Steuerzahler: „Im Wahlkampf muss die Entlastung der Bürger endlich Priorität haben“

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, sagte dazu der Bild: „Die explodierenden Kosten bei Pflege, Rente und Krankenkassen müssen dringend eingedämmt werden. Das neue Jahr beginnt für viele Menschen mit einem spürbaren Minus im Geldbeutel. Im Wahlkampf muss die Entlastung der Bürger endlich Priorität haben.“ Er forderte die Parteien auf, Konzepte für eine Entlastung der Beschäftigten vorzulegen.

Gesundheitsminister Lauterbach steht bei vielen Experten in der Kritik.

Die Linken-Fraktion im Bundestag schreibt zu der Mehrbelastung auf dem Kurznachrichtendienst X Mitte Dezember: „Ein Beitragsschock folgt dem nächsten. Der finanzielle Kollaps der Krankenversicherung kommt mit Ansage und belastet vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen“. Gesundheitsminister Karl Lauterbach unternehme keinen Versuch, die explodierenden Kosten gerecht zu verteilen: Er schone Besserverdienende und verweigere sogar Sofortmaßnahmen wie realistische Kassenbeiträge für Menschen in Bürgergeldbezug oder eine geringere Mehrwertsteuer für Arzneimittel, heißt es weiter.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußert sich ebenfalls zu dem Thema auf X: „Die stark steigenden pflegebedingten Kosten belasten immer mehr Pflegebedürftige. Ziel einer Reform der Pflegeversicherung muss sein, dass jemand mit einer durchschnittlichen Rente und einem normalen Vermögen nicht zum Sozialhilfeempfänger wird“ (bg/dpa).

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