ÖVP-Initiative „Glaub an Österreich“: Kanzler Karl Nehammer bei einer Pressekonferenz in Wien im September 2023
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Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) empfiehlt Armen eine Mahlzeit bei McDonald‘s.

Aufregung um Videoaufnahme

Kein Geld für warme Mahlzeit? Österreichs Kanzler Nehammer erteilt sonderbaren Rat

  • Franziska Schwarz
    VonFranziska Schwarz
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Ein Video mit Österreichs Kanzler Nehammer geht viral. Darin gibt der ÖVP-Politiker zweifelhafte Ernährungsratschläge und zieht DDR-Vergleiche.

Salzburg – Die Sozialpolitik wird auch bei Deutschlands Nachbarn Österreich mit harten Worten verhandelt. Oder mit bildlichen Vergleichen, die Emotionen schüren. McDonald‘s, DDR, „Fleißige, die Faule mitziehen“ – Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat jetzt alle diese Schlagworte in einer Rede untergebracht. Der Clip derselben geht aktuell viral.

In der Aufnahme ärgert sich Nehammer in geselliger Runde: „Was soll denn das, wenn man mir vorwirft, die Armut in Österreich wird immer größer, die Menschen haben immer weniger Geld?“ Dann verstehe er aber nicht, warum in Österreich die Teilzeitquote nicht sinke. Für Nehammer spricht diese Beobachtung offenbar dafür, dass steigende Armut nur eine Behauptung sei. „Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten“, empfiehlt er.

Nehammer über Armut in Österreich: „Ein McDonald‘s-Hamburger ist billig“

Genauso schreibe man, ein Kind in Österreich kriegt keine warme Mahlzeit, kritisiert Nehammer weiter. Was ihn dabei am meisten störe, sei die ausbleibende „Empörungswelle in den Leserbriefen“, denn es müsse bei dem Thema auch nach den Eltern und der Definition einer warmen Mahlzeit gefragt werden.

„Was heißt es, ‚ein Kind kriegt in Österreich keine warme Mahlzeit‘?“, ereifert sich Nehammner und fährt fort: „Wissen Sie, was die billigste warme Mahlzeit in Österreich ist? Sie ist nicht gesund, aber sie ist billig: ein Hamburger bei McDonald’s“.

Essen und Linke in Österreich: Nehammer warnt vor DDR-Verhältnissen

Natürlich sei ein McDonald's-Burger nicht gesund, räumt Nehammer ein. Er habe die Armuts-Debatte mit „Sozi-Freunden“ und Linken geführt, sagt er. Man kann das Video so interpretieren, dass Nehammer in der Debatte vor allem eines ärgert: Dass man gleichzeitig billiges und gesundes Essen verlange.

Das führt seiner Meinung offenbar zu „Staatswirtschaft“, also einer sozialistischen Planwirtschaft wie in der ehemaligen DDR. Denn Nehammer sagt auch noch: „Das heißt, jeder Elternteil hat sein Kind einzumelden, wir machen Kalorientabellen, wir schauen, wie viel Essen kriegt das Kind, wie wird‘s ernährt? Und dann sind wir in der DDR. So schaut die linke Welt aus.“

Dem Portal derstandard.de fiel an dem Clip noch der Einwurf eines Zuhörers auf. Der befindet, dass es für ihn kein Problem sei, wenn jemand nur 20 oder 30 Stunden pro Woche arbeite, „aber ohne Subvention von uns Fleißigen“. Nehammer antwortet, er pflichte da bei – aber: „Über all das hab‘ ich mich mit dir gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft her und die Wirtschaftskammer her und sagt: ‚He, putz di, Sozialpartnerschaft, Sozialpartnerschaft!‘“

Nehammer hat beim Thema Migration in Söder einen Gleichgesinnten

In Deutschland hatte besonders prominent Oppositionsführer Friedrich Merz die Sozialpolitik der Regierung kritisiert. Der CDU-Chef sorgt aktuell mit Aussagen über Zahnersatz für Geflüchtete für Aufsehen, wie unter anderem fr.de von IPPEN.MEDIA berichtete. Die deutsche Bevölkerung werde „wahnsinnig“, hat Merz jetzt in einem Interview gesagt. „Wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen.“ Und weiter: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen. Und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“

Österreichs härterer Asyl-Kurs wiederum gilt einigen in der Schwesterpartei der CDU als wegweisend. Vor der Bayern-Wahl geht Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder dabei in die Offensive: Söder beriet mit Nehammer in München, und es sieht ganz so aus, als werde Migration das große Wahlkampfthema in Bayern.

Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945

Bundeskanzler Konrad Adenauer (mit Zylinder, CDU), Bundesratspräsident Karl Arnold (l, CDU) und Fritz Schäffer (r, CSU) bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestages am 07.09.1949 in Bonn.
28. Mai 1945 – 28. September 1945: Fritz Schäffer (r, CSU) mit Konrad Adenauer (mit Zylinder, CDU), Bundesratspräsident Karl Arnold (l, CDU) bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestages am 07.09.1949 in Bonn. © dpa
28. September 1945 – 21. Dezember 1946: Wilhelm Hoegner (SPD), ernannt durch die USA.
28. September 1945 – 21. Dezember 1946 (erste Amtszeit): Wilhelm Hoegner (SPD), ernannt durch die USA. © IMAGO/Rolf Poss
21. Dezember 1946 –
 14. Dezember 1954: Hans Ehard (CSU) mit Ehefrau Sieglinde.
21. Dezember 1946 – 14. Dezember 1954: Hans Ehard (CSU) mit Ehefrau Sieglinde. © IMAGO
14. Dezember 1954 – 16. Oktober 1957 (zweite Amtszeit): Wilhelm Hoenger (SPD) trat nach Verlust der Mehrheit im Landtag zurück.
14. Dezember 1954 – 16. Oktober 1957 (zweite Amtszeit): Wilhelm Hoenger (SPD) trat nach Verlust der Mehrheit im Landtag zurück. © IMAGO
16. Oktober 1957 – 26. Januar 1960: Hanns Seidel (CSU) überreicht General Lauris Norstad den Bayerischen Lowen.
16. Oktober 1957 – 26. Januar 1960: Hanns Seidel (CSU) überreicht General Lauris Norstad den Bayerischen Lowen. © IMAGO
26. Januar 1960 – 11. Dezember 1962 (zweite Amtszeit): Hans Erhard (CSU).
26. Januar 1960 – 11. Dezember 1962 (zweite Amtszeit): Hans Erhard (CSU). © IMAGO
11. Dezember 1962 – 7. November 1978: Ministerpräsident Alfons Goppel und Parteivorsitzender Franz Josef Strauß (beide CSU).
11. Dezember 1962 – 7. November 1978: Ministerpräsident Alfons Goppel, der aus Altersgründen zurücktrat, und Parteivorsitzender Franz Josef Strauß (beide CSU). © IMAGO
7. November 1978 – 3. Oktober 1988: Franz Josef Strauß (CSU) mit Münchens ehemaligem Oberbürgermeister Erich Kiesl.
7. November 1978 – 3. Oktober 1988: Franz Josef Strauß (CSU) mit Münchens ehemaligem Oberbürgermeister Erich Kiesl. © Heinz Gebhardt/IMAGO
3. Oktober 1988 – 19. Oktober 1988: Max Streibl (CSU) führte das Amt erst kommissarisch und trat dann in seiner offiziellen Amtszeit (19. Oktober 1988 – 28. Mai 1993) wegen der „Amigo-Affäre“ zurück.
3. Oktober 1988 – 19. Oktober 1988: Max Streibl (CSU) führte das Amt erst kommissarisch und trat dann in seiner offiziellen Amtszeit (19. Oktober 1988 – 28. Mai 1993) wegen der „Amigo-Affäre“ zurück. © IMAGO
28. Mai 1993 – 9. Oktober 2007: Edmund Stoiber (CSU) trat nach einem innerparteilichen Machtkampf zurück.
28. Mai 1993 – 9. Oktober 2007: Edmund Stoiber (CSU) trat nach einem innerparteilichen Machtkampf zurück. © IMAGO/Astrid Schmidhuber
9. Oktober 2007 – 27. Oktober 2008: Günther Beckstein (CSU) schied aus dem Amt, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen musste.
9. Oktober 2007 – 27. Oktober 2008: Günther Beckstein (CSU) schied aus dem Amt, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen musste. © IMAGO
27. Oktober 2008 – 13. März 2018: Horst Seehofer (CSU) gab das Amt ab, als die Ernennung zum Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat anstand.
27. Oktober 2008 – 13. März 2018: Horst Seehofer (CSU) gab das Amt ab, als die Ernennung zum Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat anstand. © Sammy Minkoff/IMAGO
13. März 2018 – 16. März 2018: Ilse Aigner (CSU) übernahm das Amt der Ministerpräsidentin kommissarisch.
13. März 2018 – 16. März 2018: Ilse Aigner (CSU) übernahm das Amt der Ministerpräsidentin kommissarisch. © Charles Yunck/IMAGO
Seit 16. März 2018: Markus Söder (CSU) ist Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender.
Seit 16. März 2018: Markus Söder (CSU) ist Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender. © IMAGO

Nehammers ÖVP in Wahl-Umfragen nur auf Platz zwei

Ein Jahr vor der nächsten Parlamentswahl liegt die ÖVP laut jüngsten Umfragen von Mitte September mit etwa 24 Prozent auf Platz zwei hinter der FPÖ. Die rechte Partei wird derzeit von etwa 30 Prozent der Wähler unterstützt. In den vergangenen Wochen hatten Nehammer und die ÖVP Vorstöße zur Verankerung von Bargeld in der Verfassung und zu härteren Strafen für Klima-Kleber präsentiert. Sie stießen damit bei anderen Parteien auf Kritik.

Nach Informationen von puls24.at entstand die besprochene Aufnahme bei einer Funktionärsveranstaltung in Hallein in Salzburg. Viral ging sie teils als geschnittener Clip (wie etwa der oben eingebettete). oe24.at veröffentlichte ein komplettes Transkript von Nehammers sechsminütiger Brandrede. (frs)