Durchsetzung der Kopftuchpflicht

Irans Sittenpolizei kehrt zurück auf die Straßen: Verhaftungen haben bereits begonnen

  • Andreas Apetz
    VonAndreas Apetz
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Der Iran holt die Sittenpolizei zurück. In Teheran werden erste Kontrollen durchgeführt, ein Schauspieler wurde wegen offener Kritik bereits festgenommen.

Teheran – Weniger als ein Jahr nach den massiven Protesten im Herbst 2022 gegen die politische und religiöse Führung im Iran, hat nun die Regierung die Rückkehr der gefürchteten Sittenpolizei angekündigt. Seit Sonntag (16. Juli) sind im gesamten Land wieder Sittenwächter auf Patrouille und ahnden Verstöße gegen geltende Bekleidungsvorschriften. „Ab heute wird die Polizei mit Streifenfahrten und zu Fuß Menschen warnen und bestrafen, die – leider – Befehlen nicht Folge leisten und weiterhin gegen die Kleiderordnung verstoßen“, sagte Polizeisprecher Said Montaserolmahdi am Sonntag laut einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim.

Gefürchtete Sittenwache kontrollieren wieder Kopftuchpflicht im Iran

Fotos und Videos in Online-Netzwerken zeigten bereits in den vergangenen Tagen Polizistinnen im Tschador, einem bodenlangen schwarzen Umhang mit Kopftuch, die Frauen ermahnen und festnehmen, die nicht das im Iran vorgeschriebene islamische Kopftuch, den Hijab, tragen. Das Nachrichtenportal Iran International veröffentlichte auf seinem Twitter-Account ein Video, welches ein Mädchen zeigt, das sich dagegen wehrt, von einer Sittenwächterin in einen Lieferwagen gezerrt zu werden.

Die iranisch-amerikanische Frauenaktivistin Sarah Raviani schrieb dazu in einem Beitrag auf Twitter: „Dies ist die grausame Realität, der iranische Frauen, dem islamischen Regime ausgesetzt sind. Nichts daran ist normal. Die einzige Lösung ist ein Regimewechsel.“ In den sozialen Netzwerken gehen User davon aus, dass das iranische Regime die Schlinge nun enger ziehen und noch härter durchgreifen wird. Laut einem Bericht der reformorientierten Tageszeitung Schargh vom Sonntag wurden vier Frauen kürzlich dazu verurteilt, „psychologische Lehrgänge zu belegen“ und „Krankenhäuser zu reinigen“. Außerdem verhängten die Behörden dem Bericht zufolge ein „zweijähriges Fahrverbot“ gegen die Frauen.

Schauspieler nach Kritik an Kopftuchpflicht in eigener Wohnung festgenommen

Am Tag der Wiedereinführung der Sittenpolizei im Iran ist in Teheran ein Schauspieler festgenommen worden. Der 66-jährige Mohammed Sadeghi hatte am Sonntag in den sozialen Netzwerken die gewaltsame Durchsetzung des Kopftuchzwangs kritisiert. Sadeghi wurde kurz darauf unter Einsatz der Feuerwehr in seiner eigenen Wohnung festgenommen. Darüber berichtete die Nachrichtenagentur Tasnim.

Iranische Frauen bei einer regierungsfreundlichen Kundgebung in Teheran im Oktober 2022. (Archvifoto)

Über Twitter verbreitete Videos sollen zeigen, wie Beamte in die Wohnung des Mannes eindringen, während Sadeghi auf einer sozialen Plattform live streamte. Zuvor hatte der Schauspieler ein Video veröffentlicht, in dem er das gewaltsame Vorgehen des Staates gegen Frauen kritisierte, die sich nicht an die strengen Kleidervorschriften halten.

Rückkehr der Sittenpolizei zum Todestag von Masha Amini

Die Rückkehr der berüchtigten Sittenpolizei zur Einhaltung der Kopftuchpflicht im Iran kommt im Vorfeld des einjährigen Todestages von Mahsa Amini. Die junge Kurdin war am 13. September 2022 wegen eines angeblich nicht ordnungsgemäß getragenen Kopftuchs festgenommen worden. Drei Tage später starb Amini, während sie sich noch im Polizeigewahrsam befand.

Ihr Tod löste landesweite Proteste aus, die mittlerweile jedoch wieder abflauten. Dabei wurden mehrere hundert Menschen, darunter auch Mitglieder der Sicherheitskräfte, getötet und Tausende festgenommen. Sieben Männer wurden wegen ihrer Beteiligung an der Protestbewegung hingerichtet. Im Dezember wurde die gefürchtete Sittenpolizei, die seit 2006 die Einhaltung der Kopftuchpflicht kontrolliert hatte, nach Justizangaben aufgelöst. Immer mehr Frauen gingen seitdem ohne Kopftuch aus dem Haus, vor allem in Teheran und anderen Großstädten.

Doch seit Jahresbeginn verfolgen die Behörden Verstöße gegen die Kleidervorschriften wieder zunehmend strenger mit einer Reihe von repressiven Maßnahmen, darunter Kameraüberwachung im öffentlichen Raum mit Gesichtserkennung und die Schließung von mehr als 150 Geschäften als Strafe. Im Mai präsentierten Justiz und Regierung einen Gesetzentwurf zur „Stärkung der Hidschab-Kultur und der Keuschheit“. Im Text, der eine lebhafte Debatte ausgelöst hat, wird vorgeschlagen, Geldstrafen und andere Sanktionen gegen alle Frauen zu verschärfen, „die ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit oder im Internet abnehmen“. (aa/dpa)

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