Wirtschaftspapier öffentlich
Lindner-Papier als Ampel-Ende: Klingbeil zeigt sich genervt – „Politisches Berlin ist supernervös“
VonFelix Busjaegerschließen
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Die Ampel ist erneut mitten in einer Krise. Ein Papier von Lindner ist durchgesickert. Die Union fordert Neuwahlen, die SPD und Grünen kritisieren den Partner.
Update vom 3. November, 8.16 Uhr: Mit seinem Grundsatzpapier hat FDP-Chef Lindner den Ampelstreit weiter aufgebauscht – Ausgang ungewiss. CDU-Chef Friedrich Merz erklärt derweil, dass er erhebliche Schnittmengen zwischen den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von FDP und Union sehen würde. Der Lindner-Plan enthalte Vorschläge, die zum Teil wörtlich aus Anträgen übernommen seien, die die Unionsfraktion in den vergangenen zwei Jahren in den Bundestag eingebracht hätte, schreibt der Kanzlerkandidat der Union in seinem E-Mail-Newsletter MerzMail.
„Über Einzelheiten mag man diskutieren, aber die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Sie sind insgesamt auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ausgerichtet und damit im Kern und zutreffend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“, so Merz.
Klingbeil zu Lindner-Papier und Ampelstreit: „Politisches Berlin supernervös“
„Ich merke, dass gerade in diesen Tagen das politische Berlin supernervös ist und viel spekuliert wird, wie es weitergeht“, sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gegenüber der Augsburger Allgemeinen im Zusammenhang mit dem Lindner-Plan und Spekulationen über einen Koalitionsbruch. „Aber genau das ist es, was die Menschen in diesem Land nervt. Mich übrigens auch.“ Viele Menschen hätten angesichts der Wirtschaftslage Sorgen oder sähen sogar ihren Arbeitsplatz gefährdet. „Und da wollen sie eine Regierung sehen, die sich nicht jeden Tag um sich selbst dreht, sondern die alles dafür tut, um diese Arbeitsplätze zu retten“, betonte Klingbeil.
Update vom 3. November, 6.08 Uhr: Der politische Wirbel in Berlin geht nach dem durchgesickertem Grundsatzpapier von FDP-Chef Christian Lindner weiter. Während sich die Ampel-Politiker uneins sind, hat nun die Opposition reagiert. „Der Finanzminister hat ein mutiges Papier vorgelegt, das die desaströse Lage unserer Wirtschaft schonungslos analysiert und grundsätzlich die richtigen angebotspolitischen Antworten gibt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.
Zugleich stellte Frei klar, dass Lindners Vorschläge „das glatte Gegenteil von dem, was die Ampel seit drei Jahren macht“ und nicht in Einklang zu bringen mit den „schuldenfinanzierten Staatsfonds-Ideen“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seien. Vielmehr sei Lindners nun bekanntgewordenes Papier eine „Kampfansage an die Grünen“.
SPD-Vorsitzende stellt nach Lindner-Plan klar: In Koalition „brennt gerade die Hütte“
Update vom 2. November, 20.33 Uhr: Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich vor dem Hintergrund des Grundsatzpapiers von Finanzminister Christian Lindner zum Fortbestand der Ampel geäußert. „Niemand will im Augenblick eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfindet. In der Koalition, das ist nicht von der Hand zu weisen, brennt gerade die Hütte“, erklärte die SPD-Vorsitzende laut dpa.
Grüne kritisieren SPD und FDP: „Als würde man einem Auffahrunfall zuschauen“
Update vom 2. November, 20.02 Uhr: Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hat den Ampel-Partnern mangelnden Teamgeist vorgeworfen. „Jeder möchte sein Ding irgendwie allein machen, keiner will mit dem anderen zusammen“, sagte Dröge mit Blick auf das Vorgehen von SPD und FPD etwa in der Wirtschaftspolitik. „Auch ich sitze dann zu Hause vor dem Fernseher und denke, es ist so, als würde man einem Auffahrunfall zuschauen“, so die Grünen-Politikerin bei einer Landesdelegiertenkonferenz im niedersächsischen Gifhorn.
Zu Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Ampel-Koalition sagte die Fraktionschefin im Bundestag: „Ich finde, wir haben eine Verantwortung. Wenn man von den Wählern der Auftrag bekommt, eine Regierung zu bilden, dann sollte man das auch vier Jahre tun.“
Linder-Papier überrascht nicht nur Ampel-Partner: FDP-Bundestagsfraktion soll nichts gewusst haben
Update vom 2. November, 18.58 Uhr: Offenbar wurden nicht nur die Koalitionspartner von FDP-Finanzminister Christian Lindner von seinem Grundsatzpapier und den darin enthaltenen Forderungen überrascht. Auch die FDP-Bundestagsfraktion sowie das Parteipräsidium sollen nichts von Lindners Papier über eine Neuausrichtung der Wirtschaft gewusst haben. Das berichtet der Tagesspiegel unter Berufung auf Parteikreise.
SPD-Bundesvorstand kritisiert Lindners Forderungen: „In der Koalition nicht zu verwirklichen“
Update vom 2. November, 18.32 Uhr: Die Bundesvorsitzenden der SPD haben die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geforderten Maßnahmen für eine Wirtschaftswende zurückgewiesen. „Durch die Bank sind diese Punkte, die er dort aufgezählt hat, in der Koalition nicht zu verwirklichen“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Rande einer SPD-Dialogveranstaltung in Hamburg. Esken sagte, Lindner habe in seinem Grundsatzpapier nur die Position der FDP deutlich gemacht – „nicht innerhalb der Koalition, sondern im Allgemeinen.“ Auf die Regierungsarbeit der Ampel werde das Papier keinen Einfluss haben.
Auch der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil lehnte die Ideen des FDP-Politikers ab. Klingbeil sagte, es sei „völlig in Ordnung“, Vorschläge zu machen. Lindner wisse aber auch, dass Vorschläge nicht die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme sein könnten, bei denen es darum gehe, „die Reichen werden jetzt reicher“ und die arbeitende Mitte solle weniger Lohn haben, länger arbeiten und später weniger Rente bekommen. „Das wird die SPD an keiner Stelle mitmachen“, sagte der SPD-Co-Vorsitzende.
Lindner-Beauftragter fordert „weites Entgegenkommen“ von SPD und Grünen
Update vom 2. November, 18.13 Uhr: Der Persönliche Beauftragte von Bundesfinanzminister Christian Lindner, Lars Feld, hält den Fortbestand der Ampel-Koalition für möglich, sofern SPD und Grüne dem FDP-Chef in der Wirtschaftspolitik in weiten Teilen folgen. „Wenn SPD und Grüne ihm dabei weit genug entgegenkommen, muss die Koalition nicht platzen“, sagte der Wirtschaftsprofessor dem Handelsblatt. Vor allem in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Klimapolitik müssten die Koalitionspartner auf die FDP zugehen.
FDP-Basis fordert nach Lindner-Papier Ende der Ampel: „Die Koalition ist komplett dysfunktional“
Update vom 2. November, 15.47 Uhr: Die FDP-Basis fordert vor dem Hintergrund des Grundsatzpapiers des FDP-Finanzministers Christian Lindner den Austritt aus der Ampel. „Das Papier ist ein Frontalangriff auf den Koalitionsvertrag“, sagte Uwe Henn, Mitinitiator der FDP-Basisinitiative Weckruf-Freiheit, am Samstag dem Tagesspiegel. Weiter kritisiert der FDP-Politiker nach dem Lindner-Papier: „Es zeigt: Die Ampel-Parteien passen einfach nicht mehr zusammen. Die Koalition ist komplett dysfunktional.“ Lindner müsse die Regierung nun „sofort verlassen“, so Henns Forderung.
Lindners Grundsatzpapier befeuert Spekulationen über mögliches Ampel-Aus
Erstmeldung: Berlin – Das Durchsickern eines Grundsatzpapiers von FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik erobert das politische Berlin im Sturm. Noch brisanter: Es befeuert Spekulationen über ein baldiges Ende der Ampel-Regierung, die schon seit langem in einen Modus der Dauerkrise versunken ist.
Ampel-Streit um Wirtschaft: Habeck und Lindner machen eigene Vorschläge
Das Papier von Lindner wurde dabei mitten im Streit der Koalition über den richtigen Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik bekannt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte selbst ein Papier mit Vorschlägen zur Bewältigung der Herausforderungen inklusive eines kreditfinanzierten Sondervermögens öffentlich gemacht. Lindner verweist in seinem durchgesickerten Papier auf Habecks Position und betont, mit diesem Konzept schlage er „eine alternative Richtungsentscheidung für unser Land“ vor.
Politiker von SPD und Grünen machten umgehend deutlich, dass sie Lindners Papier nicht für hilfreich halten. Lindner selbst beklagte jetzt, dass das Papier über „eine Indiskretion“ öffentlich geworden sei. Es hätte zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung beraten werden sollen, schrieb er in einer E-Mail an Parteifreunde, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Tatsächlich: Im Lindner-Dokument heißt es, man werde „im Gesamtkontext nun in Regierung und Koalition beraten“.
Wer also ließ das Papier nun durchsickern? Die Bild-Zeitung berichtet, dass das FDP-Dokument zunächst nur an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Habeck ging. Demnach haben die Freien Demokraten bereits einen Verdacht: Sie werfen Habeck vor, das Papier an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Vonseiten des Wirtschaftsministers wird laut Bild geantwortet: „Grundlose Unterstellungen kommentieren wir nicht.“
Union fordert Neuwahlen: Durchgesickertes Lindner-Papier sorgt für neuen Chaos in der Ampel
Die Union nahm sich das neue Papier und den entfachten Streit in der Ampel jedenfalls zum Anlass, dem Ruf nach Neuwahlen einen erneuten Schub zu verpassen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte der Rheinischen Post: „Es wird Zeit, dass die Regierung endlich den Weg frei macht zu Neuwahlen. Es wäre der letzte Dienst, den sie unserem Land erweisen könnte.“ Frei bezeichnete Lindners Papier als „ultimative Scheidungsurkunde“. Nach dieser Klatsche könne Scholz wohl kaum zur Tagesordnung übergehen.
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Wir brauchen so schnell wie möglich eine handlungsfähige Bundesregierung und Neuwahlen in Deutschland.“ Der Ampel-Regierung werde es nicht mehr gelingen, Europa zusammenzubringen und maßgeblich zu stärken. „Ich sehe keine Führungsfähigkeit bei Kanzler Scholz mehr.“
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit




Interne Ampel-Kritik an Lindner: SPD sieht „neoliberale Phrasendrescherei“, Grüne eine „Nebelkerze“
Die scharfe Kritik aus den eigenen Reihen der Ampel-Koalition an Lindners Papier liefern der Union dabei jede Menge Gesprächsstoff über ein drohendes Ende der Koalition. Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, sagte dem Tagesspiegel: „Wir brauchen jetzt keine Papiere, sondern gemeinsames Handeln, um der Industrie schnell zu helfen und Sicherheit zu geben. Vor allem brauchen wir keine Opposition in der Regierung.“
Der SPD-Abgeordnete Nils Schmid sprach von „neoliberaler Phrasendrescherei“. Die FDP bleibe Antworten auf die drängenden Fragen schuldig, etwa wie Industriearbeitsplätze bewahrt und der Industriestrompreis gesenkt werden könnten. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch enthielt sich einer inhaltlichen Bewertung der Vorschläge von Lindner, der auch Finanzminister ist. „Wichtig ist jetzt, dass der Prozess konstruktiv und lösungsorientiert von allen Beteiligten begleitet wird“, sagte Miersch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Grünen-Chef Omid Nouripour äußerte sich ebenfalls zurückhaltend: „Wir Grüne sind jederzeit bereit, ernst gemeinte Vorschläge der Koalitionspartner zum Wohle unseres Landes zu diskutieren“, sagte er dem Nachrichtenportal, t-online und den Funke-Zeitungen. „Zum Ergebnis kommt man am Ende dann, wenn die Vorschläge der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht werden.“ Deutlicher wurde der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch: „Das Papier ist eine Nebelkerze. Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt kümmert.“ Zum Haushalt für 2025 ist Mitte November eine entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags. Es müssen Milliardenlücken geschlossen werden.
Deutsche Wirtschaft steckt in der Krise: Ampel von Scholz uneins über Bewältigung
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise. In der Ampel gibt es unterschiedliche Vorstellungen über zusätzliche Maßnahmen, um die Konjunktur anzukurbeln. Dazu kommt die Frage, wie diese finanziert werden sollten. Kanzler Scholz hatte zu einem Industriegipfel geladen, zu dem aber weder Wirtschaftsminister Habeck noch Finanzminister Lindner eingeladen waren.
Die FDP-Fraktion hatte eine Art Gegengipfel mit Verbänden veranstaltet. Habeck wiederum hatte erneut einen milliardenschweren, schuldenfinanzierten Staatsfonds vorgeschlagen, um Investitionen von Firmen zu fördern. (bb/dpa)
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