Nach Assad-Sturz

Neue Eskalation in Syrien: Berichte von Massaker mit Hunderten Toten

  • Sandra Kathe
    VonSandra Kathe
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In wenigen Tagen sind in Syrien hunderte Menschen gestorben, darunter auch etliche Zivilpersonen. Die syrische Regierung macht Assad-Unterstützer verantwortlich.

Damaskus – Bei Kämpfen gegen offizielle Sicherheitskräfte der syrischen Regierung sowie gezielten Erschießungen haben in Syrien in den vergangenen Tagen mindestens 340 zivile Aktivisten ihr Leben verloren. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur, die sich dabei auf Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beruft. Die Organisation spricht von einem „Massaker“.

Hintergrund der Zusammenstöße sei der noch immer schwelende Konflikt zwischen Anhängern des gestürzten Assad-Regimes und dem Umfeld der neuen syrischen Regierung unter Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa, die in den vergangenen Tagen immer weiter eskaliert sind. Schauplatz der Kämpfe sind vor allem die westlichen Küstenregionen Syriens, wo mehrheitlich Alawiten leben. Der religösen Gemeinschaft gehören auch der gestürzte Machthaber Baschar al-Assad und seine Familie an.

In den letzten Tagen sind nach Zusammenstößen zwischen Aktivisten und Sicherheitsleuten in Syrien Hunderte Menschen ums Leben gekommen. (Symbolfoto)

Lage in Syrien: Aktivisten sprechen von Hinrichtungen

Wie die Regierung es darstellt, seien unter den Menschen dieser Religionszugehörigkeit etliche Unterstützer des gestürzten Diktators, die die Konflikte öffentlichen Angaben zufolge angezettelt haben sollen. So berichtet die Nachrichtenagentur AFP auf Basis der Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana, dass Assad-Anhänger das nationale Krankenhaus in der Küstenstadt Latakia angegriffen und damit den Zugriff der Sicherheitskräfte ausgelöst hätten.

Dass die Eskalation einzig auf das Handeln von Assad-Anhängern zurückzuführen ist, ist einem Bericht der Zeit zufolge zumindest umstritten. So zitiert die Zeitung Aktivisten aus der Stadt Idlib, die die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung für die vielen getöteten Zivilpersonen verantwortlich machen. In den Berichten der Beobachtungsstelle heißt es, dass die Sicherheitskräfte und ihre Verbündeten Menschen „hingerichtet“ hätten. Zudem seien „Häuser und Grundstücke geplündert worden“. Unabhängig überprüfbar sei ein Großteil der Angaben derzeit jedoch nicht.

Syrien: Schwerste Kämpfe seit Assad-Sturz mit zahlreichen Toten

Das treffe auch zunächst auf die Echtheit von Videoaufnahmen zu, die die Beobachtungsstelle und Aktivisten veröffentlicht haben. Zu sehen sind darauf Dutzende vor einem Haus aufgestapelte Leichen in Zivilkleidung, daneben Blutflecken und weinenden Frauen. Darüber hinaus gibt es auch Aufnahmen von Männern in Militäruniform, die aus nächster Nähe auf Menschen schießen.

Was trotz der vielen offenen Fragen bereits klar sein dürfte, ist, dass es sich bei den aktuellen Zusammenstößen um die schwersten Kämpfe in Syrien seit dem Machtwechsel Anfang Dezember handelt. So erhöhe sich laut AFP die Gesamtzahl der Todesopfer seit Beginn der Kämpfe angesichts der jüngsten Zahlen auf 524. Darunter seien neben den Zivilisten 120 Kämpfer auf Seiten der Assad-Anhänger und 93 Mitglieder der Sicherheitskräfte der neuen Machthaber.

Syrien-Rebellen stürzen Assad: Die Bilder des Machtwechsels

Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt. In ganz Syrien versammeln sich Menschen, um den Sturz der syrischen Regierung zu feiern.
Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt und hat das Land verlassen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Im ganzen Land versammeln sich Menschen wie hier in der Hauptstadt Damaskus auf den Straßen. Sie feiern den Sturz der syrischen Regierung und das Ende der über 50 Jahre andauernden Herrschaft der Assad-Dynastie.  © dpa/DIA Photo/AP | Ugur Yildirim
Ein zerbrochenes Porträt des syrischen Ex-Präsidenten Hafez Assad liegt auf dem Boden. Menschen durchwühlten die Privatwohnung des geflohenen Machthabers Baschar al-Assad.
Ein zerbrochenes Porträt des syrischen Ex-Präsidenten Hafez Assad liegt auf dem Boden. Der im Jahr 2000 verstorbene Hafez Assad war der Vater Baschar al-Assads und herrschte von 1970 bis zu seinem Tod über das Land. Bürgerinnen und Bürger strömten auch in den Präsidentenpalast und in eine Privatwohnung des geflohenen Machthabers. © dpa/AP | Hussein Malla
Menschen gehen durch die Hallen des Präsidentenpalastes des syrischen Präsidenten, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Der Präsidentenpalast wird nach dem Sturz Baschar al-Assads in Syrien zu einem Publikumsmagenten. Hunderte Menschen strömten in den Protzbau des Ex-Präsidenten und wandelten durch die Hallen. © Hussein Malla / dpa
Eine Gruppe von Menschen macht ein Familienfoto, während sie auf einer Couch in einem Saal des Präsidentenpalastes, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Eine Gruppe von Menschen macht ein Familienfoto, während sie auf einer Couch in einem Saal des Präsidentenpalastes, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © dpa/AP | Hussein Malla
Syrische Oppositionskämpfer stehen vor dem beschädigten Eingang der iranischen Botschaft, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Syrische Oppositionskämpfer stehen vor dem beschädigten Eingang der iranischen Botschaft, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © dpa/AP | Hussein Malla
Syrische Oppositionskämpfer entfernen eine syrische Regierungsflagge von einem offiziellen Gebäude in Salamiyah, östlich von Hama.
Syrische Oppositionskämpfer entfernen eine syrische Regierungsflagge von einem offiziellen Gebäude in Salamiyah, östlich von Hama. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Überall auf den Straßen feiern Menschen den Sturz Assads.
Überall auf den Straßen feiern Menschen den Sturz Assads. © dpa/AP | Emrah Gurel
Ein Satellitenbild von Maxar Technologies zeigt eine riesige Menschenansammlung in Aleppo.
Ein von Maxar zur Verfügung gestelltes Satellitenbild zeigt feiernde Menschen auf den Straßen Aleppos. © dpa/Maxar Technologies/AP | Uncredited
Rauchschwaden im Hintergrund, während Einwohner und Oppositionskämpfer auf einem zentralen Platz in Damaskus feiern.
Rauchschwaden im Hintergrund, während Einwohner und Oppositionskämpfer auf einem zentralen Platz in Damaskus feiern. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee.
Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee. © dpa/AP | Emrah Gurel
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani spricht in der Umayyaden-Moschee nach der Machtübernahme in Syrien.
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani spricht in der Umayyaden-Moschee nach der Machtübernahme in Syrien. © dpa/AP | Omar Albam
Ein Bild von Baschar al-Assad in der Stadt Hama ist durchlöchert von Kugeln.
496721846.jpg © Omar Albam / dpa
Überläufer stellen sich in einer Reihe auf, um ihre Daten bei den syrischen Aufständischen in Aleppo, Syrien, zu registrieren.
Überläufer stellen sich in einer Reihe auf, um ihre Daten bei den syrischen Aufständischen in Aleppo, Syrien, zu registrieren. © dpa/AP | Omar Albam
Nachdem syrische Rebellen Hama erob ert haben, fliehen Menschen aus der Stadt.
Nachdem syrische Rebellen Hama erobert haben, fliehen Menschen aus der Stadt. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Oppositionskämpfer fahren an Panzern der Regierungstruppen vorbei, die auf einer Autobahn zurückgelassen wurden, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Oppositionskämpfer fahren an Panzern der Regierungstruppen vorbei, die auf einer Autobahn zurückgelassen wurden, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © Hussein Malla / dpa
Eine zerstörte Straße nach einem Angriff der syrischen Armee in Aleppo.
Eine zerstörte Straße nach einem Angriff der syrischen Armee in Aleppo. © Anas Alkharboutli / dpa
Ein syrischer Oppositionskämpfer hält einen Raketenwerfer vor dem Büro der Provinzregierung, an dessen Fassade ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar Assad von Kugeln durchlöchert ist.
Ein syrischer Oppositionskämpfer hält einen Raketenwerfer vor dem Büro der Provinzregierung, an dessen Fassade ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar Assad von Kugeln durchlöchert ist. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Ein Kind erklimmt eine abgerissene Statue des ehemaligen Präsidenten Hafis al-Assad. In ganz Syrien wurden derartige Statuen gestürzt.
Ein Kind erklimmt eine abgerissene Statue des ehemaligen Präsidenten Hafis al-Assad. In ganz Syrien wurden derartige Statuen gestürzt. © dpa/IMAGESLIVE via ZUMA Press Wire | Juma Mohammad
Ein im Bürgerkrieg zerstörtes Fahrzeug der syrischen Armee.
Ein im Bürgerkrieg zerstörtes Fahrzeug der syrischen Armee. © IMAGO/Rami Alsayed
Ein syrischer Oppositionskämpfer zerreißt am internationalen Flughafen von Aleppo ein großes Bild, das den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seinen verstorbenen Vater Hafis al-Assad zeigt.
Ein syrischer Oppositionskämpfer zerreißt am internationalen Flughafen von Aleppo ein großes Bild, das den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seinen verstorbenen Vater Hafis al-Assad zeigt. © dpa/AP | Omar Albam
Eine zerbrochene Büste des alten syrischen Präsidenten Hafez Assad
Eine zerbrochene Büste des alten syrischen Präsidenten Hafez Assad, Vater des jetzigen Präsidenten Baschar al-Assad, liegt auf einem von Oppositionskämpfern zerstörten Fliesenboden in Aleppo. © dpa/AP | Omar Albam
Syrische Oppositionskämpfer stehen auf einem beschlagnahmten Kampfjet auf einem Militärflughafen nahe der Stadt Hama.
Syrische Oppositionskämpfer stehen auf einem beschlagnahmten Kampfjet auf einem Militärflughafen nahe der Stadt Hama. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Syrer feiern die Ankunft der Rebellen in Damaskus auf einem Panzerfahrzeug.
Syrer feiern die Ankunft der Rebellen in Damaskus auf einem Panzerfahrzeug. © dpa/AP | Omar Sanadiki
Noch im Morgengrauen feierten Menschen die Ankunft der Rebellen in Damaskus. Immer wieder feuerten Syrer mit Gewehren in die Luft.
Noch im Morgengrauen feierten Menschen die Ankunft der Rebellen in Damaskus. Immer wieder feuerten Syrer mit Gewehren in die Luft. © dpa/AP | Omar Sanadiki
Auch in Deutschland feierten die Exil-Syrer die Flucht von Assad. Hier etwa in Mainz.
Auch in Deutschland feierten die Exil-Syrer die Flucht von Assad. Hier etwa in Mainz. © dpa | Andreas Arnold

Neuer Präsident in Syrien: al-Scharaa drängt Assad-Anhänger zur Kapitulation

Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hatte die Anhänger des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad bereits am Freitag in einer Ansprache auf dem Onlinedienst Telegram zur Kapitulation gedrängt und auch Konsequenzen wegen der vielen zivilen Opfer angekündigt. Damit könnte er einem Appell der Beobachtungsstelle folgen, die Damaskus dazu aufgerufen hatte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Zudem rief die Organisation die internationale Gemeinschaft zum dringenden Handeln auf und forderte die Entsendung von Fachleuten, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Auch das Auswärtige Amt in Berlin hat ein Ende der Gewalt gefordert.

Laut Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit dem Assad-Sturz bereits mehr als 300.000 syrische Geflüchtete sowie 900.000 syrische Binnenvertriebene in ihre Heimat zurückgekehrt. Dennoch handle es sich laut UNHCR-Sprecherin Céline Schmitt noch immer um „die größte Flüchtlingskrise der Welt“. (saka mit AFP/dpa)

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