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Der russische Präsident Wladimir Putin bei einer Rede am 21. August 2023.

Nach Wagner-Aufstand

Putsch-Plan gegen Putin? Kreml-Elite angeblich in Angst wegen neuer Entwicklungen

  • VonBettina Menzel
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Immer wieder wurde das vermeintliche Ende von Putins Herrschaft vorhergesagt, doch die Wagner-Meuterei hinterließ spürbare Risse im System – und die Elite ist unzufrieden.

Moskau – Der Wagner-Aufstand im Juni dauerte nur wenige Stunden und hinterließ dennoch tiefe Gräben im Machtapparat des russischen Präsidenten. Der Schock über Wladimir Putins milde Reaktion auf Prigoschins Rebellion sitzt noch immer tief. Zuletzt mehrten sich Berichte über die Gefahr eines weiteren Putschversuchs in Russland. Wie viel ist westliches Wunschdenken und wie viele Anzeichen gibt es wirklich?

Welche Anzeichen für und welche gegen einen Putschversuch in Russland sprechen

Die Gefahr eines weiteren Putschversuchs steige, sagte Christo Grozew vom Investigativportal Bellingcat kürzlich. Der Experte hatte bereits den vergangenen Wagner-Coup korrekt vorhergesagt. In sechs Monaten werde Wagner-Chef Jewgeni Priogschin entweder tot sein oder einen neuen Aufstand starten, prognostizierte der Experte nun gegenüber der Financial Times. Mit Ausnahme des militärischen Komplexes stünde die russische Elite generell nicht hinter dem Ukraine-Krieg – und aus dieser Richtung vermutete Grozew den kommenden Aufstand.

Die Unzufriedenheit der russischen Elite scheint zuzunehmen. Der russische Präsident lasse Härte und Entschlossenheit vermissen, lautet die aktuelle Kritik aus engen Machtzirkeln Putins. Das geht aus einem Bericht des Nachrichtenportals Bloomberg hervor, das sich auf mehrere kremlnahe Quellen beruft. Demnach fordern einflussreiche Hardliner ein aggressiveres Vorgehen des Kremlchefs im Ukraine-Krieg. Putins Problem: Die Hardliner finden offenbar Gehör im russischen Sicherheitssektor.

Mobilmachung und Absetzung der Militärführung: Diese Forderungen richten Hardliner an Putin

Ähnlich wie auch Prigoschin fordern die russischen Hardliner Bloomberg zufolge den Rauswurf des Verteidigungsministers Sergej Schoigu und des Generalstabschefs Waleri Gerassimow. Ebenso solle der Kremlchef endlich das Kriegsrecht verhängen und eine zweite Mobilisierungswelle ausrufen, hieß es. Über entsprechende Forderungen aus russischen Kreisen hatte auch das US-Magazin Newsweek unter Berufung auf internen Quellen berichtet.

Mit etwa viermal so vielen Einwohnern könnte Russland aus einem viel größeren Personalpool schöpfen als die Ukraine. Anzeichen für eine Absetzung der Militärführung oder des Verteidigungsministers sehen die Bloomberg-Quellen momentan nicht. Ebenso wenig wie eine unmittelbare Bedrohung für Putins Macht. Dennoch hätte die Autorität des russischen Präsidenten gelitten und auch sein Ruf als Garant der Stabilität habe durch die Wagner-Meuterei einen schweren Schlag erlitten, hieß es.

Putin bekommt einige Hardliner unter Kontrolle – und ergreift Maßnahmen gegen künftigen Putsch

Der frühere Separatistenführer Igor Girkin war in Russland bis vor kurzem einer der größten Kritiker Putins und der Militärführung. „Das Land wird weitere sechs Jahre an der Macht dieses nutzlosen Feiglings nicht überleben“, sagte der Nationalist etwa auf seinem Telegram-Kanal über den Kremlchef. Im Juli war Girkin wegen des Vorwurfs von „öffentlichen Aufrufen zum Extremismus“ festgenommen worden. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Dieser kritischen Stimme konnte sich der Kremlchef bereits entledigen und auch weitere Probleme scheinen zunächst gelöst: Der Stellvertreter des Generalstabschefs Gerassimow, General Sergej Surowikin, ist komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Der als „General Armageddon“ bekannte Militär war nach dem Wagner-Aufstand mutmaßlich als Sympathisant Prigoschins identifiziert worden. Über sein Schicksal herrscht weiterhin Ungewissheit. Indes ist Wagner-Chef Prigoschin eigenen Angaben zufolge in Afrika – und seine Söldnertruppe könnte bald folgen. Um eine Meuterei künftig zu verhindern, ergriff der Kreml zudem Maßnahmen: Ein neues Gesetz ermächtigt den Präsidenten, Gouverneure anzuweisen, spezielle Milizen zur Bekämpfung illegaler bewaffneter Gruppen aufzustellen. Zudem stärkte Putin die ihm direkt unterstellte Nationalgarde und stattete sie unter anderem mit schweren Waffen aus.

Elite wegen nahender Präsidentschaftswahlen nervös – Putin „voller Optimismus“

Im Jahr 2024 finden die nächsten Präsidentenwahlen in Russland statt und Putin will sich seine fünfte Amtszeit sichern. Doch die Wirtschaft leidet unter den Sanktionen des Westens und der Rubel befindet sich im freien Fall. Während die Elite Moskaus zunehmend nervös auf die kommenden Wahlen blickt, sieht der Kremlchef selbst laut Beobachtern keine Probleme. „Putin selbst fühlt sich nicht geschwächt. Er ist überzeugt, dass er auf dem Höhepunkt seiner Stärke ist, er ist selbstsicher und voller Optimismus, sogar Euphorie“, sagte etwa Tatiana Stanoyava von R. Politik zu Bloomberg.

Seine Strategie sei, sich als beliebter Führer zu präsentieren, der im Inland und in der Konfrontation mit dem Westen alles unter Kontrolle habe, schrieb das Nachrichtenportal. Putins Optimismus kommt offenbar nicht von ungefähr: Eine Befragung des Moskauer Instituts Levada, das zumindest bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs als neutral galt, ergab kürzlich eine Zustimmungsrate für den Präsidenten von 82 Prozent, obwohl der Wagner-Aufstand auch Spuren in der öffentlichen Wahrnehmung hinterließ. Dank einer Verfassungsänderung könnte der Kremlchef zwei weitere Amtszeiten bis ins Jahr 2036 an der Macht bleiben. Dann hätte er den ehemaligen sowjetischen Diktator Josef Stalin als dienstältester Herrscher der jüngeren Geschichte des Landes abgelöst. (beme)