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Stoltenberg präsentiert Nato-Jahresbericht – Bündnis streitet über Nachfolge
VonStefan Krieger
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Während der Nato-Chef zu mehr Engagement aufruft, entbrennt ein Machtkampf um seine Nachfolge. Die Einigkeit innerhalb der Nato bröckelt.
Brüssel – Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellt am Donnerstag (14. März) in Brüssel seinen Jahresbericht für 2023 vor. Die Pressekonferenz ist für 12.00 Uhr anberaumt. Am Nachmittag kommt er zudem mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda zusammen. Erwartet wird, dass Stoltenberg die Verbündeten erneut zu einer stärkeren Unterstützung für Kiew im Ukraine-Krieg und zu höheren nationalen Verteidigungsausgaben aufruft. Letzteres fordern die USA seit Jahren. Der aussichtsreichste republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hatte allerdings gedroht, er werde Verbündeten mit zu niedrigen Ausgaben bei einem russischen Angriff nicht helfen, wenn er Sieger der US-Wahl 2024 werden sollte.
Im laufenden Jahr erreicht Deutschland die Nato-Quote mit 2,01 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nach Nato-Angaben erstmals ganz knapp. Weiter diskutiert wird zudem über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte seine Ablehnung erst am Mittwoch im Bundestag bekräftigt.
Nato streitet offen über Stoltenberg-Nachfolge
Wie brüchig die viel beschworene Einigkeit der Nato zuweilen ist, zeigt die Suche nach dem Nachfolger für Stoltenberg. Nur vier Monate vor dem Nato-Jubiläumsgipfel in Washington zeichnet sich kein Konsens ab. Der rumänische Präsident Klaus Iohannis hat sogar offen seine Kampfkandidatur gegen den Niederländer Mark Rutte erklärt.
Eigentlich war die Nato-Planung klar: US-Präsident Joe Biden wollte auf dem Gipfel in Washington ab dem 9. Juli Stoltenbergs Nachfolger präsentieren und damit die Geschlossenheit der Allianz unterstreichen, gut 75 Jahre nach Unterzeichnung des Nordatlantik-Vertrags am 4. April 1949.
Wer ihr Wunschkandidat ist, haben die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereits kundgetan: Der langjährige niederländische Regierungschef Rutte, der nach seiner Niederlage bei den Parlamentswahlen gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders im November einen neuen Posten sucht. Der 57-Jährige sei ein „exzellenter“ Bewerber, ließ Biden im Februar erklären. Bundeskanzler Scholz bekannte sich ebenfalls zu Rutte. „Mit seiner immensen Erfahrung, seiner großen sicherheitspolitischen Expertise und seinem ausgeprägten diplomatischen Geschick ist Mark Rutte ein herausragender Kandidat“, ließ er verkünden.
Traditionell gilt in der Nato jeder als verbrannt, dessen Name öffentlich kursiert. Mit ihrer deshalb ungewöhnlichen Erklärung wollten die vier großen Nato-Länder Druck auf alle Verbündeten machen, sich endlich mit der nötigen Einstimmigkeit festzulegen. Den Widerstand gegen Rutte hätten sie dabei unterschätzt, heißt es in Brüssel.
Die Nato wächst und kämpft: Alle Mitgliedstaaten und Einsätze des Bündnisses
An der Spitze der Gegner des liberal-konservativen Niederländers steht Ungarn. Der rechtspopulistische Regierungschef Viktor Orban hält nichts von Rutte, weil sich dieser auf EU-Ebene mehrfach kritisch zu Rechtsstaatsmängeln in Ungarn geäußert hat. Das Veto aus Budapest stehe weiter, heißt es von Diplomaten. Daneben legt es Orban offensichtlich darauf an, Biden zu düpieren. Der US-Präsident hatte dem Ungarn kürzlich wenig diplomatisch vorgeworfen, er strebe nach einer „Diktatur“. Budapest bezichtigte Biden daraufhin der „Lügen“ und bestellte den US-Botschafter ein. Orban zeigte sich darüber hinaus in Florida mit seinem „guten Freund“ Donald Trump, er unterstützt den Ex-Präsidenten im US-Wahlkampf.
Osteuropäer haben noch nie einen Nato-Chef gestellt
Ein gewisser Autoritätsverfall Bidens ist aber auch anderswo im Bündnis spürbar. Rumänien hatte wiederholt über diplomatische Kanäle in der Nato verbreitet, es habe mit seinem 64-jährigen Präsidenten Iohannis einen guten Kandidaten - auch weil dieser perfekt Englisch und Deutsch spricht.
Dass Iohannis seine Kandidatur nun gegen Bidens erklärten Willen öffentlich macht, verdeutlicht eine breitere Unzufriedenheit bei den Osteuropäern: Die seit 1999 schrittweise beigetretenen Staaten der früheren Sowjetunion haben durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stark an Stellung und Selbstbewusstsein gewonnen. Sie haben jedoch noch nie den Nato-Generalsekretär gestellt.
Biden müsste Stoltenberg überzeugen
Iohannis hat laut Diplomaten keine nennenswerte Unterstützung im Bündnis. Als Favoritin bei den Osteuropäern gilt vielmehr die estnische Regierungschefin Kaja Kallas, zumal sie die erste Frau an der Spitze des Bündnisses wäre. Auch Lettlands Außenminister Krisjanis Karins bewirbt sich. Gegen beide spricht aus Sicht westlicher Staaten, dass sie zu eng in den Konflikt mit Russland involviert sind.
Schon nach Beginn des Ukraine-Kriegs ließ sich Stoltenberg im Frühjahr 2022 zum Weitermachen überreden und verzichtete auf den prestigereichen Posten des norwegischen Zentralbankchefs. Diesmal müsste Biden seine ganze Überzeugungskraft einsetzen, um den 64-Jährigen noch einmal zu gewinnen. Stoltenbergs Amtszeit endet regulär Anfang Oktober. (skr/afp)