Nicht die Antwort auf das Problem
Europa fürchtet Faesers Grenzkontrollen - Staaten warnen vor „negativen Auswirkungen“
- VonLea Winklerschließen
Ab dem 16. September wird es verstärkte Kontrollen an deutschen Grenzen geben. In Europa wird das mit gemischten Gefühlen aufgenommen.
Berlin/Athen/Rom – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat temporäre Grenzkontrollen an sämtlichen deutschen Außengrenzen veranlasst. Die Maßnahme soll ab dem 16. September für einen Zeitraum von sechs Monaten in Kraft treten. Der Beschluss wurde getroffen, um die innere Sicherheit vor islamistischem Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität zu schützen und die irreguläre Migration einzudämmen.
Mehrere Länder warnen nun vor einem Domino-Effekt, der sich bis auf die Außengrenzen der EU fortsetzen könnte. Griechenland kritisiert die geplanten Kontrollen an den deutschen Grenzen. Einschränkungen des freien Verkehrs im Schengener Raum könnten nicht die Antwort auf das Problem irregulärer Migration sein.
Grenzkontrollen im Schengen-Raum: Griechenland befürchtet Domino-Effekt
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis kritisierte bei einem Interview im Nachrichtensender Talk Radio die Entscheidung der Bundesregierung. Die stationären Kontrollen, die von Faeser angeordnet wurden, betreffen Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen bereits. Sie sind im Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen. Die Antwort auf die irreguläre Migration könne nicht sein, den Schengen-Vertrag einseitig abzuschaffen, sagte Mitsotakis.
Bei einem Treffen des Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer machte der griechische Regierungschef deutlich, Griechenland werde keine unverhältnismäßig große Last schultern, nur weil es an der europäischen Grenze liege. Die Sorge vor Domino-Effekten Richtung Osteuropa sei groß. Wenn andere Mitgliedsstaaten mit Zurückweisungen an der Grenze nachziehen, dann könne das Griechenland als Erstaufnahmeland in eine schwierige Lage bringen.
Italien verzichtet auf Bewertung: Regierung sei in gewissem Widerspruch
Italiens Innenministerium reagierte dagegen zurückhaltend. Man respektiere die Entscheidung der Bundesregierung, ansonsten verzichte man aber vorerst auf eine Bewertung. Migrationsforscher Prof. Christopher Hein von der Universität LUISS in Rom, geht davon aus, dass Italiens Regierung in einem gewissen Widerspruch stecke. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk erklärte er, dass sich die Regierung einerseits immer wieder für Grenzsicherung starkmache, jedoch der freie Verkehr von Menschen und Waren nach den Regeln des Schengen-Abkommens den meisten Italienern wichtig sei. „Das bedeutet längere Wartezeiten, das bedeutet Schlangen an den Übergangsstellen, wie am Brenner, und das hat natürlich in der Bevölkerung, denke ich mir, eher eine negative Auswirkung.“
Die Grenzkontrollen könnten für Italien zum Problem werden, denn viele Migranten, die in Italien ankommen, reisen momentan weiter. „Das bedeutet, dass die Zahlen natürlich in Italien, wie auch in anderen Ländern mit sensiblen Außengrenzen wie Spanien, hochgehen werden“, meint Hein. Über die Folgen für Italien will sich die Regierung in Rom momentan aber nicht äußern, berichtet der Deutschlandfunk.
Italien hatte im vergangenen Oktober selbst verschärfte Kontrollen an der Grenze zu Slowenien eingeführt. Diese wurden kürzlich bis Mitte Dezember verlängert. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni betonte damals, dass es sich um eine befristete Maßnahme handle, um die innere Sicherheit zu gewährleisten. Man sei sich jedoch bewusst, „dass Schengen eine außerordentliche Errungenschaft war, die bewahrt werden muss“, sagte Meloni damals in der Pressekonferenz. (lw)
Rubriklistenbild: © Peter Kneffel/dpa
