Armeechef muss gehen

Ukraine-Machtkampf beendet? Selenskyj entlässt Oberbefehlshaber – und wirft Fragen auf

  • Florian Naumann
    VonFlorian Naumann
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Wolodymyr Selenskyj hat offenbar den Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee Saluschnyj entlassen. Zuvor war über einen Machtkampf spekuliert worden.

Kiew – Ausgerechnet der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Valerij Saluschnyj, schien zuletzt zu einer Art Opposition für Wolodymyr Selenskyj zu werden. Nun muss Saluschnyj mitten im Ukraine-Krieg seinen Posten räumen. Das verkündete Selenskyj am Donnerstagabend (8. Februar) in eher verklausulierten Worten in einem Posting auf X (ehemals Twitter). Er schien eine einvernehmliche Entscheidung andeuten zu wollen. Fragen bleiben aber offen.

Selenskyj entlässt Ukraine-Oberbefehlshaber Saluschnyj – „Zeit für Erneuerung“

„Ich habe mich mit General Valerij Saluschnyj getroffen. Ich habe ihm für zwei Jahre der Verteidigung der Ukraine gedankt“, erklärte Selenskyj. Nun sei die Zeit für eine „Erneuerung“ gekommen. Zusammen mit dem bisherigen Oberbefehlshaber habe er auch Optionen für eine „erneuerte Führung“ der ukrainischen Armee besprochen.

Im Sommer 2023 herrschte noch demonstrative Einigkeit zwischen Wolodymyr Selenskyj und Valerij Saluschnyj. (Archivbild)

Der ukrainische Präsident betonte, er habe Saluschnyj auch angeboten, „Teil des Teams zu bleiben“. Eine Antwort oder Einwilligung des (Ex-)Armeechefs erwähnte er aber nicht. Saluschnyj hatte Ende Januar einen Rücktritt abgelehnt.

Klar ist unterdessen bereits, wer der Neue an der Spitze der ukrainischen Armee wird: Zum Nachfolger sei Generaloberst Olexander Syrskyj ernannt worden, erklärte Selenskyj in einer Videobotschaft. Syrskyj verantwortete bislang unter anderem die Verteidigung Kiews und Teile der Gegenoffensive.

Saluschnyj hatte öffentlich Kritik geübt – Selenskyj sprach bereits über „Austausch“ in Staat und Militär

Selenskyjs Entscheidung kommt nicht völlig unerwartet. „Ein Neustart ist notwendig“, sagte er dem italienischen Sender RAI schon am Sonntag in einem Interview. Er denke über einen „Austausch“ in Staat und Militär nach. „Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir am selben Strang ziehen“, betonte der ukrainische Präsident.

Diese Aussage hatte er nicht explizit auf Saluschnyj gemünzt. Der oberste Militär der Ukraine dürfte aber durchaus gemeint gewesen sein. Ende 2023 hatte Saluschnyj öffentlich eine „Pattsituation“ im Verteidigungskrieg gegen Russland attestiert. Zuletzt forderte er eine Neuausrichtung unter anderem der militärischen Produktion in der Ukraine. Saluschnyj gilt als einer der populärsten Köpfe in der Ukraine und ließ den Präsidenten in Beliebtheitsumfragen hinter sich. Zugleich war von einem Zwist zwischen den beiden wohl wichtigsten Anführern im Ukraine-Krieg die Rede.

Wirbel im Ukraine-Krieg: Zoff zwischen Selenskyj und Saluschnyj – rollen weitere Köpfe?

Mehr oder minder offenen Streit gab es zuletzt über Mobilisierungmaßnahmen. Saluschnyj forderte weitere Soldaten – und warf Selenskyj über den US-Sender CNN indirekt „Unfähigkeit“ bei diesem Schritt vor. Zwischen den Zeilen schien Selenskyj nun Kritik zu üben. Die Ukraine brauche einen „realistischen“ Schlachtplan für 2024, erklärte er. Allerdings räumte auch Saluschnyj nach dem Treffen ein, die Militärstrategie des Landes müsse sich „ändern“. Alle müssten sich „an die neuen Realitäten anpassen“.

Nicht nur Selenskyjs Worte vom Wochenende lassen vermuten, dass weitere Personalrochaden folgen werden. Das Portal Ukrajinska Prawda verbreitete zuletzt das Gerücht, auch der Stuhl von Generalstabschef Serhij Schaptala wackele. (fn)

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