Rechtsruck bei Wagenknecht-Partei
„Schnell und radikal“: So hat das BSW den Niedergang der Linken im Osten beschleunigt
VonPeter Siebenschließen
Die Wagenknecht-Partei hat in Thüringen und Sachsen einen Raketenstart hingelegt und der Linken Wasser abgegraben. Auffällig finden Experten indes die Themenauswahl der Partei.
Erfurt – Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist die Katze im Sack. Über das Programm war vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen nicht allzu viel bekannt. Wofür das BSW eigentlich steht: bislang unklar.
Wagenknecht-Partei BSW zieht nach Thüringen-Wahl aus dem Stand in den Landtag ein
Jetzt zieht die neue Partei trotzdem aus dem Stand mit fast 16 Prozent in den Thüringer Landtag ein und in Sachsen mit immerhin fast zwölf Prozent. Die Linke hingegen ist die große Verliererin dieser Wahlen in Ostdeutschland. In Sachsen fliegt die Partei wahrscheinlich ganz aus dem Landtag. Und in Thüringen hat die Linke ein Minus von 18 Prozent gegenüber der Landtagswahl von 2019 hinnehmen müssen.
Viel Zuspruch dürfte dort die Partei von Ministerpräsident Bodo Ramelow an das BSW verloren haben. „Es überrascht, wie schnell und radikal das BSW der Linken das Wasser abgraben konnte. Zumal die BSW-Mitglieder sich seit der Parteigründung deutlich radikaler äußern als noch zu Wagenknechts Zeiten in der Linken“, sagt Silke van Dyk, von der Universität Jena. Silke van Dyk, Professorin für politische Soziologie an der Universität Jena.
Rechtsruck bei BSW hat der Linken in Thüringen und Sachsen nicht geholfen
Tatsächlich unterscheidet sich BSW in vielen Fragen grundlegend von der Linken, aus der die Wagenknecht-Partei einst hervorgegangen war. Vor allem bei den Themen Migration und Ukraine-Krieg vertritt vor allem Namensgeberin Sahra Wagenknecht bei öffentlichen Auftritten immer wieder deutlich rechtskonservative Positionen: Sie will mehr Abschiebungen, stellt die Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge infrage und spricht sich gegen Russlandsanktionen aus.
Im Vorfeld der Thüringen-Wahl hatte man den Rechtsruck bei der Linken als Vorteil für die eigene Partei verstanden. Ein Trugschluss, wie das Ergebnis der Wahl nun zeigt. „Viele sind von der Rechnung ausgegangen: je weiter nach rechts das BSW rückt, desto weniger schadet es der Linken. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen“, sagt van Dyk.
Migration, Abschiebungen, Ukraine-Krieg: BSW setzt wenig auf Landesthemen
Auffällig: Im Wahlkampf hat das BSW in Thüringen wenig auf Landesthemen gesetzt. Kurz vor der Wahl noch hatten Bürgermeister und Landräte in einem offenen Brief genau das kritisiert und vor allem dem BSW und der AfD vorgeworfen, viel über das politische Weltgeschehen zu reden, aber wenig über Thüringen. „Beim Thema Russland und der Frage nach Frieden wurde deutlich, dass Parteien in diesen Wahlen Fragen in den Fokus rückten, die wirklich nichts mit Landespolitik zu tun haben“, sagt auch Sile van Dyk. „Man muss sich fragen: Geht es den Menschen bei einer solchen Landtagswahl überhaupt noch um die Frage, was Landespolitiker verändern können? Oder sind die Landtagswahlen einfach zu einer Bühne für ganz andere Fragen geworden?“
Tatsächlich bewerten Experten das Ergebnis der Wahl auch als Denkzettel für die Ampelregierung. Mit der sind viele Menschen in Thüringen nicht zufrieden, in Gesprächen wird das schnell deutlich – das steigert sich bisweilen ins Extreme: In einigen Gemeinden gibt es regelmäßige Demozüge, dort laufen Menschen durch die Straßen und skandieren Slogans wie „jagt die Grünen aus dem Land“. Das BSW zu wählen, dürfte für viele auch ein Akt des Protests gewesen sein.
Thüringen-CDU-Chef Mario Voigt: „Wagenknecht ist gemeinhin dafür bekannt, dass sie Dinge kaputt macht“
Unklar ist indes, wie sich das BSW nun im Landtag verhalten wird, und ob es stabile Verhältnisse geben kann. Hochkritisch sehen Politiker in Thüringen den Einfluss von Sahra Wagenknecht auf die gesamte Partei. „Wir hatten noch nie in Deutschland eine Partei, die wie eine Person heißt. Das halte ich für einen sehr kuriosen Führungsanspruch“, sagte der bisherige Umweltminister Bernhard Stengele im Interview mit IPPEN.MEDIA kurz vor der Wahl. Seine Partei hat den Einzug in den Landtag verpasst.
Die CDU von Mario Voigt hingegen ist zweitstärkste Kraft und schickt sich an, die Regierung zu bilden. Das dürfte nur gemeinsam mit dem BSW und der SPD gelingen. Voigt machte im Gespräch mit dieser Redaktion deutlich, dass er für Gespräche bereit sei. Aber: Solange aus Berlin oder Saarbrücken – Wagenknecht lebt im Saarland – entschieden werde, was in Thüringen gemacht werden solle, gebe es keine Gesprächsgrundlage. „Sahra Wagenknecht ist gemeinhin dafür bekannt, dass sie Dinge eher kaputt macht, als dass sie Dinge aufbaut“, so Voigt.
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