„Um Ukraine-Invasion fortzusetzen“

Putin schließt strategische Partnerschaft mit Nordkorea: Bekommt er auch neue Waffen für den Ukraine-Krieg?

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
    schließen

Putin und Kim Jong-un feiern mit Pomp ihren Gipfel. Doch vor allem geht es Putin um eins: Er braucht dringend Waffen für seinen Krieg in der Ukraine.

„Unbesiegbarkeit und Dauerhaftigkeit“: Das zeigt das Gipfeltreffen von Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un – wenn man der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA glaubt. Die Beziehungen beider Länder seien zu einer „starken strategischen Festung“ für die Aufrechterhaltung des Friedens, der Sicherheit und der internationalen Gerechtigkeit geworden. Und zu einem Motor der multipolaren Welt.

Große Teile dieser Welt sehen eher zwei schurkische Diktatoren, die den Westen hassen. Und Putins neue Anbiederung an das isolierte Kim-Regime legt vor allem eins nahe: Ihm gehen im Ukraine-Krieg Waffen und Munition aus. Und seine hochgepuschte Kriegswirtschaft kann sie nicht schnell genug selbst herstellen.

Putin und Kim: Nordkoreas Waffen verlängern Ukraine-Krieg

Nordkorea ist kein Land, das für eine florierende Industrie bekannt ist. Doch Waffen hat es schon immer in großer Zahl hergestellt. Auch forscht es seit langem an Atomwaffen. Im September 2023 hatten sich Putin und Kim erstmals getroffen, damals auf einem Weltraumbahnhof in der ostsibirischen Baikal-Amur-Region. Dort sollen sie erstmals nordkoreanische Waffenlieferungen vereinbart haben, etwa von Artilleriemunition. Beide Seiten schweigen sich dazu aus, doch es gilt als sicher, dass Russland in der Ukraine nordkoreanische Munition und Waffen einsetzt. „Ich denke, dass Nordkorea weiterhin Artilleriegranaten und Raketen liefern wird“, sagt der Nordkorea-Experte Ramon Pacheco Pardo vom King‘s College London. „Und ich denke, dass Nordkorea um Treibstoff, Lebensmittel, Waffenkomponenten und Fachwissen für die Entwicklung von Waffensystemen bitten wird.“

Nordkorea führt zwar regelmäßig provokante Raketentests durch, doch die gehen öfter mal schief. Deshalb dürften die Nachbarstaaten Japan und Südkorea wenig erfreut über russische Technologiehilfe sein. Pardo glaubt, dass sowohl Europa als auch Asien angesichts der neuen Bromance zwischen Putin und Kim beunruhigt sind.

Nordkorea – Kim Jong-uns abgeschottete Diktatur

Menschen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Nordkorea ist das wohl geheimnisvollste Land der Erde: eine totalitäre Diktatur, in der der Einzelne nichts zählt, ohne Freiheiten und Menschenrechte, abgeschottet vom Rest der Welt. Schätzungsweise 26 Millionen Menschen leben in dem Land, das im Norden an China und Russland grenzt und im Süden an das freiheitliche, demokratische Südkorea. Nordkoreas Grenzen sind für die meisten Menschen unüberwindbar – kaum einer kommt rein, noch weniger Menschen kommen raus.  © Ed Jones/afp
Die Skyline von Pjöngjang
Hauptstadt sowie kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Landes ist Pjöngjang. Rund drei Millionen Menschen leben in der nordkoreanischen Metropole, die so anders ist als die anderen Mega-Städte Asiens. Pjöngjang ist grau, geprägt von Hochhäusern, gesichtslosen Wohnblöcken und gigantischen Monumenten, die der herrschenden Kim-Familie huldigen sollen. Wer in der Hauptstadt leben darf, ist privilegiert: Hier ist die Stromversorgung besser als auf dem Land, die Regale der Geschäfte sind voller, es gibt Freizeitparks, Kinos, Theater. © Olaf Schuelke/Imago
Kim Jong-un auf einem Pferd
Beherrscht wird Nordkorea seit 2011 von Kim Jong-un, einem Diktator, der skrupellos vor allem ein Ziel verfolgt: den eigenen Machterhalt und den seiner Sippe. Nordkorea ist das einzige kommunistische Land der Welt mit einer Erb-Monarchie, in der die politische Macht vom Vater auf den Sohn übergeht. Die sogenannte „Paektu-Blutlinie“ kontrolliert das Land seit dessen Gründung im Jahr 1948. Die Macht der Kims ist unanfechtbar, Aufstände gab es nie, dafür sorgt die lückenlose Überwachung und Kontrolle der gesamten Gesellschaft. © KCNA via KNS/afp
Sowjetische Soldaten in Pjöngjang
Korea war über Jahrhunderte ein geeintes Land. Die Geschichte der Teilung beginnt erst im 20. Jahrhundert: Von 1910 bis 1945 ist Korea eine japanische Kolonie, nach der Niederlage der Japaner besetzen sowjetische Truppen den Norden des Landes, der Süden wird von amerikanischen Truppen besetzt. Weil Verhandlungen über eine Vereinigung der beiden Landesteile scheitern, gründen sich 1948 auf der koreanischen Halbinsel zwei Staaten. © Jacob Gudkov/Imago
Szene des Koreakriegs
Zwei Jahre später dann die Tragödie: Der Korea-Krieg bricht aus. Kim Il-sung, Machthaber im Norden, schickt seine Truppen in den Südteil des Landes, um Korea mit Gewalt zu vereinen. Wenige Wochen später greifen die UN-Truppen unter Führung der USA den Norden an, stoßen bis an die chinesische Grenze vor. Das beunruhigt Peking – das nun auf der Seite von Nordkorea in den Krieg eingreift. 1953 wird ein Waffenstillstand verhandelt, das Land bleibt entlang des 38. Breitengrades geteilt. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht unterzeichnet. © Imago
Familie Kim
Kim Il-sung, der Gründer und erste Präsident Nordkoreas, ist ein Machthaber von Stalins Gnaden. Geboren 1912, ist er als junger Mann im Widerstand gegen die japanische Besatzungsmacht aktiv. 1940 geht er ins Exil in die Sowjetunion, wo er schließlich zum späteren Machthaber Nordkoreas aufgebaut wird. Ab 1948 etabliert Kim einen auf ihn zugeschnittenen Personenkult. Mit brutalen Säuberungsaktionen entledigt er sich seiner Gegner. Politisch pendelt sein Land zwischen China und der Sowjetunion, vor allem, nachdem sich die beiden kommunistischen Führungsmächte ab Ende der 50er-Jahre zunehmend voneinander entfremden. © Imago
Kim Il-sung und Kim Jong-il
Schon in den 1970ern beginnt Kim Il-sung, seinen Sohn Jong-il zu seinem Nachfolger aufzubauen. Als er 1994 stirbt, übergibt er Kim Jong-il ein verarmtes Land. Mit dem Untergang der Sowjetunion wenige Jahre zuvor hat Nordkorea seinen wichtigsten und engsten Partner verloren, es stürzt in eine wirtschaftliche Krise, auf die eine fatale Hungersnot folgt. Hunderttausende Menschen verhungern. Unter Kim Jong-il, der 1941 oder 1942 geboren wurde, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt, das Land schottet sich immer mehr ab. Vor allem die USA sowie Südkorea – das sich seit den 80ern zur Demokratie gewandelt hat – werden zu Feindbildern. © KCNA via KNS/afp
Fernsehbilder vom ersten nordkoreanischen Atomtest 2006
Unter Kim Jong-il beginnt die beispiellose Aufrüstung des bettelarmen Landes. Wichtigstes Ziel Kims ist es, Nordkorea zur Atommacht zu machen. 2006 gelingt ihm das, Nordkorea testet erstmals eine Atombombe. Die Welt ist geschockt, die Vereinten Nationen erlassen Strafmaßnahmen, denen insgesamt neun weitere Sanktionsrunden folgen. Heute ist Nordkorea eine Atommacht, die wohl Dutzende Sprengkörper besitzt. © Jung Yeon-Je/afp
Kim Jong-un beobachtet einen Raketentest
Zudem testet das Land regelmäßig ballistische Raketen, auf denen die nuklearen Sprengköpfe montiert werden können. So kann das Regime mit seinen Atomwaffen sogar die USA erreichen – zumindest in der Theorie, denn noch ist unklar, wie leistungsfähig die Raketen tatsächlich sind. © KCNA via KNS/afp
Donald Trump und Kim Jong-un an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Kim Jong-il stirbt 2011. Ihm folgt einer seiner Söhne nach: Kim Jong-un. Der treibt das Raketen- und Nuklearprogramm seines Vaters weiter voran. Als Hauptfeinde hat er Südkorea und die USA ausgemacht, die sein Regime regelmäßig mit drastischen Beleidigungen überzieht. Unter US-Präsident Donald Trump sieht es für einen kurzen Moment so aus, als könnten sich die Spannungen zwischen Nordkorea und dem Westen abkühlen – dreimal treffen sich Kim und Trump, auch Südkoreas damaliger Präsident kommt mit Kim zu einem Gipfeltreffen zusammen. © Brendan Smialowski/afp
Passanten in Pjöngjang währen der Corona-Pandemie
Doch die diplomatischen Initiativen scheitern 2019. Ein Jahr später sucht die Corona-Pandemie die Welt heim. Auch Nordkorea schließt seine Grenzen – und schottet sich gegen das Virus so hermetisch ab wie kein anderer Staat weltweit. Trotzdem meldet das Regime im Mai 2022 erste Corona-Fälle. Auch nach dem Ende der Pandemie bleibt Nordkorea ein international isoliertes Land. © Imago
Putin und Kim in Russland
Enge Beziehungen unterhält das Regime in Pjöngjang heute vor allem zu seinen beiden nördlichen Nachbarn China und Russland. Zu Wladimir Putin pflegt Kim ein besonders gutes Verhältnis, denn Russlands Präsident benötigt Nordkoreas Unterstützung für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine – als Lieferant von Waffen und Munition. Im Herbst 2023 treffen Putin und Kim in Russlands Fernem Osten zusammen, es ist Kims erste Auslandsreise seit der Pandemie. © KCNA via KNS/afp
Kim Jong-un und seine Tochter Ju-ae
Kim Jong-un wurde 1982, 1983 oder 1984 geboren, hat also möglicherweise noch viele Jahre vor sich. Nordkoreas Diktator ist allerdings bei schlechter Gesundheit. Er gilt als Kettenraucher und Alkoholiker und ist sichtbar übergewichtig. Was, wenn er stirbt? Experten glauben, dass Kim seine Tochter Ju-ae zu seiner Nachfolgerin aufbauen will. Seit November 2022 zeigen Staatsmedien das Mädchen, das wohl 2012 oder 2013 zur Welt gekommen ist, regelmäßig an der Seite ihres mächtigen Vaters. © KCNA via KNS/afp
Kim Yo-jong
Aber auch Kims Schwester Kim Yo-jong gilt als mögliche Erbin auf den Thron. Die Macht, die die Kims seit bald 80 Jahren innehaben, dürften sie jedenfalls so schnell nicht aus der Hand geben. © Jorge Silva/afp

Für Asien von Bedeutung sei, dass „Nordkorea mit Sicherheit Technologietransfers und den Austausch von Fachwissen fordern wird, die Pjöngjang helfen werden, seine Waffen- und Satellitenprogramme schneller zu entwickeln“, meint der Experte. Für Europa bedeute die Liaison, dass Nordkoreas Waffen es Putin ermöglichen, „seine Invasion in der Ukraine über einen längeren Zeitraum fortzusetzen“, so Pardo zu IPPEN.MEDIA.

Russland und Nordkorea haben am Mittwoch eine strategische Partnerschaft unterzeichnet, einen Beistandspakt für den Fall eines militärischen Angriffs auf eins der beiden Länder inklusive. Putin hatte direkt vor seiner Reise in einem Beitrag für die Staatszeitung Rodong Sinmun zudem angekündigt, „alternative Handels- und Zahlungsmechanismen zu entwickeln, die nicht vom Westen kontrolliert werden“ und „eine gleichberechtigte und unteilbare Sicherheitsarchitektur in Eurasien aufzubauen“. Eurasien ist Putins Schlagwort für eine von Moskau angeführte Gemeinschaft, zu der er etwa ehemalige Sowjetstaaten von Belarus bis Kasachstan zählt, sowie Verbündete in Asien wie China – und nun auch Nordkorea.

Putin in Pjöngjang: Verkauft Nordkorea ihm die dringend benötigten Waffen?

Putins Russland längst abhängig von China

Doch Russland führt vielleicht kleine Nachbarstaaten an – ist aber selbst längst von China abhängig geworden. Und ein wahrer Alliierter ist China nicht, auch wenn Peking toleriert, dass chinesische Firmen militärisch nutzbare Güter an Russland verkaufen, die im Krieg zum Einsatz kommen.

Chinesische Firmen erfüllten gern die Nachfrage, die durch den Wegfall westlicher Produkte in Russland entstanden sei, sagt der Sicherheitsexperte und ehemalige Nato-Botschafter der USA Kurt Volker. Peking helfe Russland immer dann, wenn es China selber nütze, sagte Volker im Gespräch mit unserer Redaktion: „China schaut nur auf chinesische Interessen.“

Die neue Achse zwischen Moskau und Pjöngjang betrachtet Peking mit Argusaugen. „Ich glaube nicht, dass China besonders wohl ist bei den wachsenden Beziehungen zwischen Russland und Nordkorea“, sagt Nordkorea-Experte Pardo. „Peking betrachtet sich als Hauptakteur in den internationalen Beziehungen Nordkoreas. Ich denke, es ist bezeichnend, dass Peking eindeutig versucht, sich von jeglichem Gerede über eine Achse China-Russland-Nordkorea zu distanzieren“, erklärt Pardo. Auch lehnt China den Bau von Atombomben durch Nordkorea ebenso ab wie die US-Verbündeten Japan und Südkorea.

Rubriklistenbild: © Gavriil Grigorov/POOL Pyongyang North Korea/Imago