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Krieg in Israel setzt Rechtspopulisten unter Druck – Rückktrittsforderungen gegen Netanjahu
VonBedrettin Bölükbasi
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Der Hamas-Angriff und das Versagen der israelischen Geheimdienste sorgt für sehr scharfe Kritik an Netanjahu. Rücktrittsforderungen werden nun lauter.
Tel Aviv – Es war ein Schrecken, den Israel im Zusammenhang mit dem kleinen Gazastreifen noch nie erlebt hatte: Der Hamas-Angriff am vergangenen Samstag (7. Oktober), bei dem israelischen Medien zufolge bislang rund 1300 Menschen - Soldaten, aber auch Zivilisten - getötet wurden, hat sich als schwerer Schlag für Israels Ruf als Sicherheitsmacht erwiesen. Ein Land, dessen Militär und Geheimdienste zu den Besten der Welt zählen, wurde durch einen Überraschungsangriff völlig überrumpelt.
Hamas-Angriff in Israel: Netanjahu gerät unter Druck
Abgesehen von den Konsequenzen für den israelischen Sicherheitsapparat sorgt der Krieg in Israel auch für einen Wirbel in der politischen Szene des Nahost-Staates. Die Kritik an Premierminister Benjamin Netanjahu und seiner rechtspopulistischen Regierung nimmt stetig zu. Die israelischen Geheimdienste haben wenig bis keine Informationen über einen bevorstehenden Angriff der Hamas sammeln können, die vorhandenen Informationen wurden Berichten zufolge falsch interpretiert und noch dazu sollen Warnungen aus Ägypten ignoriert worden sein. Wegen dieser Kette des Versagens ist für viele klar: Netanjahu muss gehen.
Der israelische Politik-Kommentator Nehemia Schtrasler tauchte in der linksgerichteten Zeitung Haaretz mit einer besonders deutlichen Schlagzeile auf: „Netanjahu, trete jetzt zurück!“ In seinem Beitrag bezeichnete er den blutigen Angriff als „das größte Versagen in der Geschichte des Landes“. Ursprünglich an der Grenze zu Gaza stationierte israelische Soldaten seien verlegt worden, um Siedler in den international als illegal eingestuften israelischen Siedlungen zu schützen. Infolgedessen seien Israelis direkt an der Grenze ohne Hilfe geblieben und hätten einen „fürchterlichen Tod“ erlebt, kritisierte Schtrasler.
Er verglich die Attacke mit dem Holocaust und schrieb: „Für so ein massives Versagen gibt es keine Verzeihung. Es gibt nur eine Person, die die Schuld für dieses schreckliche Desaster trägt, und zwar Benjamin Netanjahu.“ Laut dem Politik-Kommentator hat sich der israelische Premier viel zu sehr auf eigene Probleme angesichts von Korruptionsprozessen fokussiert, statt das Grenzgebiet zu besuchen oder sich um die Stationierung israelischer Soldaten zu kümmern. „Um den Staat Israel zu retten, muss Netanjahu zurücktreten, noch heute“, so der Kommentator.
Netanjahu-Rücktritt nach Hamas-Angriff? „Werden ihm die Tür zeigen“
Eine ähnliche Meinung äußerte Politik-Kommentator und Journalist Ben Kaspit in der Publikation Walla News. Nachdem man sich um die Hamas gekümmert habe, werde man Netanjahu „die Tür zeigen“. Er warf Netanjahu vor, sich mehr über seinen rechtspopulistischen Block zu sorgen, als um das Land und das Leben der Bürger. Ähnlich wie Schtrasler sprach auch Kaspit von einem „riesigen Versagen der Geheimdienste“.
Während Netanjahus Amtszeit habe sich die Hamas „von einer kleinen Terrororganisation mit paar hundert Raketen in eine große, ausgebildete und mörderische Terrororganisation mit tausenden Raketen verwandelt“. Auch seien Städte wie Tel Aviv und Jerusalem während der Amtszeit von Netanjahu zum ersten Mal mit Raketen angegriffen worden. Zudem habe er hochrangige Hamas-Funktionäre wie Yayha Sinwar und Salah Aurouri freigelassen, um nur einen Soldaten zurückzuholen.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Umfrage zeigt: Netanjahu verliert massiv an Unterstützung
Indes belegte eine Umfrage im Auftrag der Zeitung Maariv, dass die Unterstützung für Netanjahu und seine Verbündeten tatsächlich immer schwächer wird. Der Umfrage zufolge verliert Netanjahus Likud-Partei 13 Sitze und fällt von 32 Sitzen auf 19 Sitze, während die Nationale Einheitspartei des ehemaligen Verteidigungsministers Benny Gantz ganze 29 Sitze dazugewinnt und von nur 12 Sitzen auf 41 Sitze kommt. 48 Prozent der Befragten gaben an, Gantz als Premierminister sehen zu wollen, während nur 29 Prozent weiterhin Netanjahu bevorzugen.
Nur 42 Prozent der Befragten gaben an, mit der Arbeit von Netanjahu zufrieden zu sein. Damit liegen der Generalstabschef Herzi Halevi mit 57 Prozent und Verteidigungsminister Yoav Gallant mit 48 Prozent vor dem Premierminister. Selbst unter den Wählern seiner eigenen Partei genießt Netanjahu nur eine Zustimmung von 67 Prozent. Für die Umfrage wurden am 11. und 12. Oktober landesweit 600 Menschen befragt. (bb)