Verräterisches Interview
Perfider Hamas-Plan: Verluste sollen arabische Welt zum Krieg gegen Israel aufstacheln
VonJens Kiffmeierschließen
Makaberes Ziel: Das Hamas-Massaker sollte Israel zu einer harten Reaktion in Gaza provozieren – und die arabische Welt aufwiegeln. Doch der Plan hat Lücken.
Tel Aviv – Flucht, Vertreibung, fast vollständige Zerstörung: Nach dem Massaker vom 7. Oktober reagiert Israel im Krieg mit der Hamas seit vier Wochen mit aller Härte. Doch die Eskalation der Gewalt liegt offenbar im Kalkül der pro-palästinensischen Terrororganisation. So solle damit die gesamte arabische Welt mobilisiert werden, verriet jetzt ein hochrangiger Hamas-Vertreter der New York Times in einem Interview die perfide Strategie für den blutigen Angriff.
Es sei notwendig gewesen, „die gesamte Gleichung zu ändern und nicht nur einen Zusammenstoß zu haben“, sagte demnach Chalil al-Haja von der Hamas-Führung dem Blatt in Doha. „Es ist uns gelungen, die Palästinenserfrage wieder auf den Tisch zu bringen, und jetzt kommt niemand mehr in der Region zur Ruhe.“ Die hohen Opferzahlen nahm die Terrororganisation offenbar billigend in Kauf. Doch ob die Gleichung wirklich aufgeht? Bislang halten sich die möglichen Verbündeten noch auffällig zurück. Doch die Lage in Nahost hängt weiter an einem seidenen Faden.
Perfide Ziele der Hamas im Krieg gegen Israel: Brutaler Angriff sollte arabische Welt aufwiegeln
Vor nunmehr vier Wochen hat die Hamas mit einem Massaker den Krieg in Israel losgetreten und weltweit für Entsetzen gesorgt. In der Folge des überraschenden Angriffs auf israelische Siedlungen starben fast 2000 Menschen, rund 260 Geiseln wurden verschleppt. Als Reaktion darauf startete die israelische Armee massive Luftangriffe und eine Bodenoffensive auf den Gazastreifen, wodurch weite Teile der Küstenenklave zerstört worden sind. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums, das sich im Gazastreifen unter der Kontrolle der Hamas befindet, haben mittlerweile mehr als 10.000 Menschen ihr Leben verloren. Unabhängig prüfen lassen sich die Zahlen nicht, fest steht aber, dass die Hamas mit ihrem Angriff auf Israel und der zu erwartenden Reaktion unbeschreibliches Leid über die Bevölkerung im Gazastreifen gebracht hat.
Hohe Verluste im Israel-Krieg liegen im Kalkül der Hamas
Doch die hohen Verluste sind offenbar Kalkül. Das Ziel der Hamas sei es nicht, den Gazastreifen zu regieren und diesen etwa mit Wasser, Strom oder Treibstoff zu versorgen. „Es ging nicht darum, die Situation in Gaza zu verbessern. Diese Schlacht dient dazu, die Situation komplett umzuwerfen“, zitierte das US-Blatt den Hamas-Vertreter Taher al-Nunu. Ohne die hohen Opferzahlen hätte man den Status quo nicht erschüttern können, hieß es. Man hoffe nun, dass der „Kriegszustand mit Israel an allen Grenzen dauerhaft wird und dass die arabische Welt auf unserer Seite steht“, verkündete der Hamas-Vertreter.
Für dieses Ziel hat die Hamas ihren Plan für den Angriff offenbar in letzter Sekunde noch umgeworfen. Ursprünglich sollten am 7. Oktober einige Soldaten entführt werden. Doch kurz vor Beginn der Attacke sei der Befehl geändert worden und die Anführer der Terrororganisation, Ismail Haniyeh und Yahya Sinwar, hätten den Kämpfern das groß angelegte Massaker angewiesen.
Massaker vom 7. Oktober löst internen Streit bei Hamas aus
Doch dieses Vorgehen ruft mittlerweile innerhalb der Hamas großen Unmut hervor. Angesichts des Sterbens im Gazastreifens bleibt die Strategie auf der unteren Führungsebene der Terrororganisation nicht ohne Widerspruch. Ein Kommandant, der sich Abu Mohammed nennt, wies in der Daily Mail darauf hin, dass Haniyeh und andere Anführer im Ausland ein prächtiges Leben führten – während er sich mit Datteln und Olivenöl ernähren müsste und viele seiner Landsleute großes Leid ertragen müsste. Durch diesen Widerspruch zerstöre man die Hamas, sagte er.
Ungeachtet der internen Kritik scheint die brutale Hamas-Strategie derzeit nicht wirklich aufzugehen. Zwar gibt es durchaus vereinzelt Solidaritätsbekundungen mit der Terrororganisation. Doch richtig eingestiegen in den Krieg gegen Israel ist bislang weder einer der Staaten noch eine andere Organisation. Zwar leistet sich die Hisbollah einige Scharmützel mit der israelischen Armee, aber deren Chef wies zuletzt auch ausdrücklich daraufhin, dass die Aktion zu „einhundert Prozent palästinensisch“ geplant worden sei.
Gaza-Krieg: Unterstützung für Hamas kommt nur halbherzig
Am auffälligsten mischt noch der Iran mit, der die Hamas und die Hisbollah offen unterstützt und auch Einfluss auf Syrien ausübt. So zog Regierungschef Ebrahim Raisi eine „rote Linie“, die sein Land möglicherweise zum Handeln zwingen könnte. Doch ob das Regime in Teheran für einen Kriegseintritt weitere Unterstützer finden könnte, bleibt derzeit zweifelhaft. Denn die anderen arabischen Staaten halten sich auffallend zurück. Weder Ägypten noch Jordanien zeigen derzeit großes Interesse, in den Nahost-Krieg gezogen zu werden. Erst kürzlich lobte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Vorgehen dieser beiden Länder.
Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert




Und auch Saudi-Arabien schlägt eher diplomatische Töne an. Zuletzt hatte der Öl-Staat eine Annäherung an Israel gesucht, was der radikalen Hamas ein Dorn im Auge ist, wie Chalil al-Haja der New York Times sagte. Doch die Bilder aus Gaza scheinen zumindest nach außen keine Kurskorrektur einzuleiten. Das Thema Normalisierung der Beziehungen mit Israel sei „nicht vom Tisch“, sagte Saudi-Arabiens Investitionsminister Chalid al-Falih laut der Nachrichtenagentur dpa. (jeki)