Gaza-Krieg

Bruderstaat der Hamas: Die Türkei hat über die Parteigrenzen hinweg klare Position zum Israel-Krieg

  • Erkan Pehlivan
    VonErkan Pehlivan
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Alle Parteien in der Türkei stehen auf der Seite der Palästinenser. Seit langem gilt das Erdogan-Land als Hamas-Unterstützer. Israel kommt schlecht weg.

Ankara - Der Krieg in Gaza gehört weiterhin zu den Hauptthemen in der Türkei. Parteien und Politiker haben schon nach wenigen Stunden des Überfalls der terroristischen Hamas auf Israel erste Stellungnahmen abgegeben. Immer wieder hat sich Präsident Recep Tayyip Erdogan zu dem Konflikt geäußert. Auffällig ist, dass sowohl die Parteien als auch die Politiker sich pro-palästinensisch äußern. Die meisten sprechen sich für ein Ende der Gewalt und Frieden aus, doch die Hamas wird von keinem der Partei als Terrororganisation bezeichnet.

Krieg in Israel: Türkei als Unterstützer der Hamas – Erdogan findet in seinem Kurs breite Unterstützung

Erdogan sieht in seiner Stellungnahme den Schuldigen in dem Konflikt vor allem im Westen. „Die internationale Gemeinschaft hat keines der gegebenen Versprechen erfüllt, die Vereinten Nationen und andere Organisationen haben das palästinensische Volk allein gelassen und es versäumt, das Recht Palästinas zu schützen.“ Zudem zeigte sich Erdogan verärgert über die Unterstützung der USA für Israel. Washington hatte einen seiner Flugzeugträger vor die Küste Israels versendet. „Warum kommt der US-Flugzeugträger nach Israel? Wozu? Was werden sie tun? Werden sie den Gazastreifen mit ihren Kampfflugzeugen angreifen und massakrieren?“

Devlet Baceli, Chef der rechtsradikalen MHP zum Israel-Krieg:

Bahceli fordert schnellstmöglich Friedensverhandlungen und zeigt sich verärgert über die Entsendung des amerikanischen Flugzeugträgers vor die israelische Küste. „Palästina muss anerkannt werden. Die USA sollten die türkischen Bemühungen unterstützen, anstatt Flugzeugträger in die Region zu schicken.

Präsident Recep Tayyip Erdogan nimmt an der Vereidigung der Abgeordneten nach der Türkei-Wahl im Mai teil.

Kemal Kılıçdaroğlu, Chef der CHP zum Israel-Krieg:

Kemal Kılıçdaroğlu zeigt sich am Wochenende solidarisch mit den Palästinensern. „Palästina ist ein Land, das schon seit langem nach seinen Rechten strebt. Wir sind immer auf der Seite des palästinensischen Volkes. Wir wollen, dass es keinen Krieg gibt. Im Rahmen demokratischer Maßnahmen sollten internationale Organisationen eingreifen und dafür sorgen, dass Frieden herrscht und die Rechte Palästinas gewahrt werden.“

Meral Aksener, Chefin der nationalistischen Iyi Parti zum Krieg in Israel:

Aksener nutzt die Gelegenheit, um gegen die Flüchtlinge in ihrem Land zu hetzen. Die Nationalistin fordert, dass die syrischen Männer nach Gaza geschickt werden und dort gegen die Israelis kämpfen. „Die Syrer, die in der Türkei Asyl suchen, vor allem die Syrer, die vor dem Krieg in ihren Ländern geflohen sind, sollen wenigstens gehen und die Israelis in Gaza erschießen. Ich persönlich bezahle die ersten Autos von meiner Rente.“

Ahmet Davutoglu, Chef der Gelecek Partisi zum Israel-Krieg:

Ahmet Davutoglu zeigt sich in seinen Äußerungen ebenfalls solidarisch mit den Palästinensern und fordert von der Regierung, sämtliche Beziehungen zu Israel abzubrechen. „Es sollte betont werden, dass wir auf allen Ebenen und in allen Angelegenheiten an der Seite des palästinensischen Volkes stehen. Jegliche Normalisierung mit Israel muss gestoppt werden, bis die religiöse und historische Identität der heiligen Stätten in Jerusalem, insbesondere der Al-Aqsa-Moschee, und die Rechte des palästinensischen Volkes nach internationalem Recht respektiert werden“, teil Davutoglu auf X mit. Davutoglu, der früher in der Regierungspartei AKP war, war früher sowohl Ministerpräsident als Außenminister.

Temel Karamollaoglu, Chef der islamistischen Saadet Partisi zur Unterstützung der Hamas:

Auch der Chef der islamistischen Saadet Partisi, Temel Karamollaoglu, schlägt sich auf die Seite der Palästinenser und beschuldigt die Israelis. „Zwischen Unterdrückern und Unterdrückten neutral zu bleiben, ist Grausamkeit und Unterdrückung! Kann jemand, der sagt, dass er/sie ein Mensch ist, angesichts des Todes von Säuglingen und Kindern in Windeln unter Bomben seit 75 Jahren schweigen? Wie kann jemand, der sagt, er/sie sei Muslim, schweigen, wenn unsere erste Moschee, die Al-Aqsa-Moschee, mit schmutzigen Stiefeln zertrampelt wird und diejenigen, die beten, mit Gasbomben beschossen werden“? Ihr Verstand sei bei den Palästinensern für die sie beteten und Herz bei der al-Aqsa Moschee, so Karamollaoglu in seiner Stellungnahme ebenfalls auf X.

Ali Babacan, Chef der Deva Partisi zum Krieg in Israel:

Babacan sieht in seinem Statement auf X die palästinensische Offensive ebenfalls als gerechtfertigt an, kritisiert auch indirekt die Hamas. „Sowohl diejenigen, die einen Schatten auf die gerechte Sache des palästinensischen Volkes werfen, als auch der Staat Israel müssen die Anforderungen des Völkerrechts und die Grundwerte der Menschlichkeit erfüllen. Ich rufe alle Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und eine weitere Eskalation zu vermeiden. Der Nahe Osten sollte eine Geografie sein, in der wir über Frieden und nicht über Tod sprechen“.

Saruhan Oluc, Fraktionsvorsitzender der pro-kurdischen Grünen Linkspartei (YSL):

Oluc sagt in seiner Rede, dass neben der palästinensischen Frage auch die kurdische Frage gelöst werden muss. Er kann es nicht verstehen, warum es zwar Solidarität mit den Palästinensern gibt, aber nicht mit den Kurden in Nordsyrien (Kurdisch: Rojava), das seit Wochen von der Türkei bombardiert wird. „Wenn Palästinenser sterben, werden wir zu Recht protestieren, aber wenn Kurden in Nordostsyrien sterben, werden Sie applaudieren? Wenn das Kurdenproblem und das Palästinenserproblem im Nahen Osten nicht gelöst werden, wird es keinen Frieden und keine Demokratie geben“, so Oluc in seiner Rede im türkischen Parlament.

Sehzade Demir (Hüda Par) zum Israel-Krieg

Sehzade Demir ist einer von vier Mitgliedern der islamistischen Hüda Par, die als politischer Arm der türkischen Hisbollah gilt. Demir und drei andere Mitstreiter konnten ins Parlament durch einen Deal mit Erdogan einziehen. Die Hüda Par hatten bei den Wahlen die Regierungspartei AKP unterstützt und bekam vier Parlamentssitze. „Ich sage es ganz klar. Israel ist eine illegale Terrororganisation. Deswegen sollte das Parlament Israel mit einer klaren Botschaft rügen. Alle diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen sollte beendet werden. Ich begrüße daher die Mudschahedin, die die Operation „Al-Aqsa-Flut“ durchgeführt haben“, sagte Demir im türkischen Parlament. Die Hüda Par hatte sich am Mittwoch demonstrativ im türkischen Parlament mit Vertretern der Hamas getroffen.

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