Russlands Staats-TV

Prigoschin vom Kreml ermordet? Putin-Propagandist rudert plötzlich zurück

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    VonLucas Maier
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Russlands Staats-TV sucht die Verantwortung am mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Prigoschin. Propagandist Solowjow stellt sich schützend vor Putin.

Moskau – Nach dem mutmaßlichen Tod des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin legt der Chef-Propagandist des Kreml eine 180-Grad-Wende hin. Zeigte sich Wladimir Solowjow nach dem abgebrochenen Wagner-Marsch auf Moskau im Juni noch bestürzt darüber, dass Prigoschin weiterleben durfte, schlägt der Propagandist jetzt andere Töne an.

Das schreibt unter anderem das US-Nachrichtenportal The Daily Beast unter Berufung auf die russische Propaganda-Show „Der Abend mit Wladimir Solowjow“. Solowjow liefert seinen Zuschauerinnen und Zuschauern auch nach dem Flugzeugabsturz nahe Moskau wieder einen bunten Strauß an möglichen Schuldigen. So bunt dieser auch sein mag, die Farben weiß, blau und rot kommen darin jedoch nicht vor.

Russlands Staats-TV: Gewaltsamer Tod Prigoschins scheint nicht mehr ins Format zu passen

Andrej Guruljow, Staatsduma-Abgeordneter, sprach in der TV-Show von Solowjow noch vor rund zwei Monaten davon, dass es „für Verräter keine anderen Optionen“ als den gewaltsamen Tod geben würde, wie The Daily Beast den Ex-Militär zitiert. Jetzt scheinen solche Aussagen jedoch nicht mehr in die russische Propaganda zu passen.

Die Verantwortung für den Flugzeugabsturz des Wagner-Flugzeugs bei Moskau wird im russischen Fernsehen derzeit weit weg vom Kreml gesucht. So verwies unter anderem das staatliche Mediennetzwerk Rossija 24 auf Ermittlungen, welche „mögliche Verstöße gegen die Sicherheits- und Betriebsvorschriften des Luftverkehrs“ als Ursache herausfanden.

Prigoschin stirbt bei Flugzeug-Katastrophe – Bilder vom Unglücksort

Söldnerführer Prigoschin offenbar bei Flugzeugabsturz getötet
Flüge unternahm Jewgeni Prigoschin mit seinem Privatjet. Jetzt ist er bei einem Absturz seiner Embraer Legacy 600 getötet worden. Der russische Präsident Wladimir Putin bestätigte dessen Tod. © picture alliance/dpa/Luba Ostrovskaya/AP
Das Bild stammt vom Telegram-Kanal Grey Zone, der Prigoschin nahe steht, und soll Prigoschins Privatjet zeigen, der vom Himmel fällt.
Am Mittwochabend (23. August) fiel die Maschine auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg vom Himmel. Das Bild stammt vom Telegram-Kanal Grey Zone, der Prigoschin nahesteht. © IMAGO/Gray_Zone
„Ostoroschno Nowosti“ veröffentlichte ein Bild aus einem Video, das die Absturzstelle in der Nähe des Dorfes Kuschenkino in der Region Twer zeigt.
„Ostoroschno Nowosti“ veröffentlichte ein Bild aus einem Video, das die Absturzstelle in der Nähe des Dorfes Kuschenkino in der Region Twer zeigt. © picture alliance/dpa/Ostorozhno Novosti/AP
Offenbar ist der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Es wird über einen Doppelgänger spekuliert.
Noch am Abend meldete die russische Luftfahrtbehörde, dass Prigoschin im Unglücksflieger saß. Sein Tod wurde einen Tag später bestätigt.  © Lev Borodin/IMAGO
Das Wrack, in dem zehn Menschen starben, brannte völlig aus. Die Identifizierung der Leichen ist schwierig.
Das Wrack, in dem zehn Menschen starben, brannte völlig aus. © picture alliance/dpa/Investigative Committee of Russia/XinHua | Uncredited
Die Absturzstelle gut 200 Kilometer nordwestlich von Moskau gleicht einem Trümmerfeld.
Die Absturzstelle gut 200 Kilometer nordwestlich von Moskau gleicht einem Trümmerfeld. © picture alliance/dpa/AP | Uncredited
Teile liegen verstreut nahe einem Waldgebiet.
Teile liegen verstreut nahe einem Waldgebiet. © IMAGO/SNA
Ein Trümmerteil liegt auf dem Boden.
Dass es sich einmal um ein Flugzeug handelte, ist kaum zu erkennen. © IMAGO/Vitaliy Shustrov
Russische Ermittler beginnen vor Ort mit der Untersuchung des Unglücks.
Russische Ermittler beginnen vor Ort mit der Untersuchung des Unglücks.  © picture alliance/dpa/AP | Alexander Zemlianichenko
Die Toten werden zur Untersuchung in eine Halle nach Twer gebracht.
Die Toten werden abtransportiert. © picture alliance/dpa/AP | Uncredited
In dieses Gebäude der Gerichtsmedizin wurden die Körper offenbar zur Untersuchung gebracht.
In dieses Gebäude der Gerichtsmedizin der Region Twer wurden die Körper offenbar zur Untersuchung gebracht.  © IMAGO/Petrov Sergey
Ein Mann legt Blumen in Prigoschins Geburtsstadt Sankt Petersburg nieder.
Noch am Abend des Absturzes werden in einigen Städten Russlands Gedenkstätten eingerichtet. Hier legt ein Mann Blumen in Prigoschins Geburtsstadt Sankt Petersburg nieder. © IMAGO/Alexander Galperin
Prigoschin und Kreml-Chef Putin
Prigoschin galt lange als Vertrauter Putins (r.). Bevor er den Kremlchef kennenlernte, war er ein Krimineller und verbüßte eine langjährige Haftstrafe. © Alexei Druzhinin/dpa
Prigoschin und Putin
Nach seiner Entlassung eröffnete er Restaurants in Sankt Petersburg und lernte Putin kennen, der ebenfalls aus der Stadt kommt. © Alexey Druzhinin/AFP
In der Folge erhielt Prigoschins Cateringfirma „Konkord“ viele öffentliche Aufträge, was ihm letztlich zu Reichtum verhalf.
In der Folge erhielt Prigoschins Cateringfirma „Konkord“ viele öffentliche Aufträge, was ihm letztlich zu Reichtum verhalf. © IMAGO / ITAR-TASS
Die berüchtigten Wagner-Söldnertruppen haben, im Kommando von Jewgeni Prigoschin und im Namen Russlands, sich am Ukraine-Krieg beteiligt. Den sehr wahrscheinlichen Tod von Putins Wagner-Chef nehmen in der Ukraine viele Menschen mit Freude wahr.
Ab 2013 begann Prigoschin, das private Sicherheits- und Militärunternehmen Gruppe Wagner zu formen. Die Söldnertruppe war im Auftrag der Regierung weltweit tätig und setzte russische Interessen durch. © Uncredited/Prigozhin Press Service/AP/dpa/Archiv
Kämpfer der Wagner-Gruppe, die berüchtigt für ihre brutalen Methoden sind, unterstützen russische Truppen auch im Ukraine-Krieg.
Kämpfer der Wagner-Gruppe, die berüchtigt für ihre brutalen Methoden sind, unterstützten russische Truppen auch im Ukraine-Krieg. Doch spätestens am 23. Juni 2023 war das Tischtuch zwischen Putin und Prigoschin zerschnitten.  © IMAGO/RIA Novosti
Wagner-Söldner in Rostow am Don.
Nachdem er zuvor im Ukraine-Krieg die russische Militärführung bereits mehrfach scharf kritisiert hatte, befahl Prigoschin an jenem Tag einen Aufstand gegen die russische Regierung. Wagner-Söldner marschierten Richtung Moskau. © IMAGO/Vladimir Konstantinov
Kämpfer der Wagner-Gruppe verlassen Rostow am Don.
Nur einen Tag später brach Prigoschin nach Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko den Aufstand wenige Hundert Kilometer vor Moskau ab. © IMAGO/Sergey Pivovarov
Prigoschin
Der Wagner-Boss ging ins Exil nach Weißrussland. Jetzt starb er im Alter von 62 Jahren. Nicht wenige vermuten, dass sich Putin für Prigoschins Illoyalität rächte. © -/AP/dpa

Der Top-Propagandist Wladimir Solowjow ging am Donnerstagmorgen (24. August) sogar noch weiter, wie The Daily Beast schreibt. In der Show „Full Contact“ sprach er davon, dass „Prigoschin und Wagner keine Bedrohung für den Kreml“ dargestellt hätten. Solowjow verteufelte anschließend abermals die westlichen Medien. Sie würden Wladimir Putin vorverurteilen, wie ein von Russian Media Monitor übersetzter Ausschnitt der Show zeigt.

Kreml-Propagandist gestresst: USA, Nato und die Ukraine – Schuld ist immer der Westen

Im Vergleich zu vielen seiner früheren Auftritte wirkt Solowjow diesmal ungewohnt gestresst. Der sonst so selbstsichere Putin-Propagandist greift sich während der Show mehrmals nachdenklich an den Kopf und hält mehrmals inne. Nach seiner „Analyse“ sei Putin „der letzte Mensch, welcher von Prigoschins Tod profitieren würde“.

Staats-TV in Russland: Propagandist Wladimir Solowjow stellt sich erneut schützend vor Putin. (Archivbild)

Wer an Stelle des russischen Präsidenten aus Prigoschins Tod Kapital schlagen könnte, ist für Solowjow klar. Wie in fast jeder seiner „Analysen“ sind es die Ukraine, USA, die Nato und eine Vielzahl europäischer Staaten. Diesmal begründet er seine Anschuldigungen gegen den Westen damit, dass dieser ein Interesse daran habe, die russische Kampfkraft auf dem afrikanischen Kontinent zu schwächen.

Russland gegen Wagner? Propagandist beleidigt Zuschauerin nach kritischer Frage

Während der Sendung geht Solowjow auch auf Zuschauerbeiträge ein. Eine Zuschauerin bezweifelt darin, dass die Ukraine es schaffen würde, ein Flugzeug der Wagner-Gruppe in Russland zum Absturz zu bringen. Was folgt, ist eine wilde Hasstirade von Solowjow. Nach einem ersten Schwall der Beleidigungen, sagt er dann, dass es wohl das Einfachste auf der Welt sei, ein Flugzeug mit einem Sprengsatz zu Boden zu holen.

Neben seinen Vorwürfen gegen den Westen stellt Solowjow die russische Föderation in seiner Show immer wieder als den perfekten Rechtsstaat dar. „Wir sind eine Nation der Gesetze!“ Noch einen Tag zuvor hatte der Propagandist davon gesprochen, dass sich Russland zu wenig „rächen“ würde, wie The Daily Beast zitiert. In seiner Show rief Solowjow weiter dazu auf, dass die Wagner-Truppe zu Ehren von Prigoschin Kiew einnehmen solle. Dabei wurden die Wagner-Söldner in Belarus kurz nach dem Absturz angeblich in Marschrichtung Russland und nicht in Richtung der Ukraine mobilisiert, wie verschiedene Medien berichteten. (Lucas Maier)

Rubriklistenbild: © Maksim Konstantinov/IMAGO-Images