Streit um Kindergrundsicherung
Tiefschlag für die Grünen: Ampel-Koalition zerfleddert die Kindergrundsicherung
VonNils Thomas Hinsbergerschließen
Die Kindergrundsicherung sollte Kinderarmut bekämpfen und die damit verbundene Bürokratie vereinfachen. Die Bilanz sieht aber anders aus – wird das Gesetz zum Bürokratie-Monster?
Berlin – Die Kindergrundsicherung könnte man ohne weiteres als gut gemeintes Vorhaben beschreiben. Dem anfänglichen Plan von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), Kinderarmut in Deutschland nicht nur zu bekämpfen, sondern auch einfacher zu machen, würde wohl grundsätzlich niemand widersprechen. Doch woran liegt es, dass das Gesetz so umstritten ist?
„Zu kompliziert“ und „zu wenig Geld“, Familienverbände kritisieren Kindergrundsicherung
2,4 Milliarden Euro sollen zusätzlich pro Jahr für die Kindergrundsicherung ausgegeben werden. „Zu wenig“ findet Verena Bentele vom Sozialverband VDK. Im Interview mit Pro7-Newstime warnt Bentele davor, dass zu wenig Geld bei armen Familien ankommen könnte. Tatsächlich sind die 2,4 Milliarden nur ein Bruchteil dessen, was ursprünglich für das Gesetz geplant war.
Eigentlich sollte der Kampf gegen Kinderarmut ganze 12 Milliarden Euro zusätzlich im Bundeshaushalt in Anspruch nehmen, was aber vom Finanzministerium um Minister Christian Lindner (FDP) drastisch gekürzt wurde. Doch nicht nur bei der Finanzierung wird Kritik laut, auch der eigentlich angekündigte Bürokratie-Abbau könnte sich ins Gegenteil wandeln.
Kindergrundsicherung bei fünf verschiedenen Stellen beantragen?
Das könnte womöglich die Realität vieler Familien sein, die sich entscheiden, Kindergeld zur Unterstützung zu beantragen. In einem Schreiben an die Bundesregierung beklagen die Bundesländer, dass der Gesetzesentwurf „dem Anspruch einer Entbürokratisierung (...) nicht gerecht“ werde. „Der Antragsaufwand wird nicht minimiert – sondern im Gegenteil gegebenenfalls sogar höher sein als vorher“, sagt der Sozialverband Deutschland (SOVD) in einer Stellungnahme.
Wolle eine Familie zusätzlich benötigtes Geld beantragen, müsse sie sich für den Kinderzusatzbetrag an den Familienservice wenden. Mehr- und Sonderbedarf solle weiterhin im Jobcenter beantragt werden und Bildungs- und Teilhabepakete würden von Anlaufstellen der Bundesländer geregelt. Laut der Stellungnahme des SOVD vom 6. November ist das Aufbrechen der Antragsstellen zwar „ein pragmatischer, aber aus Betroffenensicht der völlig falsche Weg.“
Das sind die Minister und Ministerinnen der Ampel-Koalition




Eine zentrale Behörde für Kindergrundsicherung?
Wieso nicht den bürokratischen Aufwand mit einer zentralen Stelle bekämpfen? Dafür spricht sich zumindest der Bundesrat aus. Zur Schaffung eines „Familienservice“, sollen die Familienkassen weiterentwickelt werden. Doch Gegenwind kommt aus der Ampel-Koalition, wie der Spiegel berichtet. Für die FDP sei die Schaffung einer neuen Behörde „das Gegenteil dessen, was wir Freie Demokraten unter Verschlankung und Bündelung der Strukturen verstehen“, sagt Gyde Jensen (FDP).
Bei den Freien Demokraten wolle man lieber in frühkindliche Bildung investieren. Was auch gegen eine zusätzliche Behörde sprechen würde, sei der anhaltende Fachkräftemangel in den Behörden. In einer Stellungnahme der Personalräte der Jobcenter teilte man mit, dass die Bildung einer weiteren zentralen Behörde „eine objektive Unmöglichkeit“ darstelle.
Kindergrundsicherung durch Haushaltsurteil in Gefahr?
Gleich von mehreren Seiten will man im Kontext des jüngsten Karlsruher Haushaltsurteils die Schere bei der Kindergrundsicherung ansetzen. CDU-Chef Friedrich Merz schlug schon vor einigen Tagen Kürzungen beim Bürgergeld und der Kindergrundsicherung vor. Aber auch innerhalb der Ampel-Koalition will man an Sozialausgaben wie der Kindergrundsicherung sparen, allen voran in der FDP. (nhi)
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