Einholen der taiwanischen Flagge im Zentrum von Taipeh
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Einholen der taiwanischen Flagge im Zentrum von Taipeh: China beansprucht den Inselstaat als Teil des eigenen Staatsgebiets.

Peking erhöht den Druck

China droht Taiwan: Vereinigung ist „Frage von Leben und Tod“

Wenige Wochen vor den Präsidentenwahlen in Taiwan verschärft China seine Rhetorik. Nun erklärte ein Ex-Botschafter, es gebe „keinen Spielraum für Zugeständnisse“ an Taipeh.

Ein Anschluss des demokratisch regierten Taiwan an China ist für den ehemaligen chinesischen Botschafter in den USA eine „Frage von Leben und Tod“. In einem am Montag (20. November) veröffentlichten Interview mit der Hongkonger South China Morning Post sagte Cui Tiankai: „Die Taiwan-Frage ist eine Frage der nationalen Souveränität, der territorialen Integrität und der nationalen Einheit. Sie ist also eine Frage von Leben und Tod für China.“ Cui war von 2013 bis 2021 Chinas diplomatischer Vertreter in Washington.

Die Regierung in Peking betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets, das notfalls mit Gewalt mit der kommunistisch regierten Volksrepublik vereinigt werden soll. Laut Cui gibt es in dieser Frage „keinen Spielraum für Zugeständnisse“. Das chinesische Volk müsse „bereit sein, alles zu tun, um unsere nationale Souveränität zu verteidigen“, so der Ex-Botschafter. Cui machte allerdings auch deutlich, dass eine Vereinigung möglichst friedlich erfolgen solle. Entscheidend sei, dass sich alle Beteiligten an das „Ein-China-Prinzip“ hielten, das aus Pekinger Sicht bedeutet, dass es nur ein China gibt – die Volksrepublik, zu der auch Taiwan gehöre. „Alles andere ist verhandelbar“, so Cui.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

China und Taiwan: Xi Jinping droht mit Gewalt

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte in der vergangenen Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden die Taiwan-Frage als „das größte und potenziell gefährlichste Problem in den Beziehungen zwischen den USA und China“ bezeichnet, wie ein US-Beamter nach dem Treffen erklärte. Biden habe Xi gegenüber deutlich gemacht, dass „Frieden und Stabilität“ in der Taiwan-Straße oberste Priorität für ihn hätten. Daraufhin habe Xi erwidert, Frieden sei zwar „schön und gut, aber irgendwann müssen wir zu einer allgemeineren Lösung kommen“. Bereits im vergangenen Jahr hatte Xi erklärt, China werde „nie versprechen, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten“.

Die Frage, wie das Verhältnis der beiden Staaten in Zukunft ausgestaltet werden soll, spielt derzeit auch eine Schlüsselrolle im taiwanischen Wahlkampf. Der Inselstaat wählt Mitte Januar einen Nachfolger für die scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen, die nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten darf. Aussichtsreichster Kandidat ist laut Umfragen derzeit Tsais Stellvertreter Lai Ching-te von der regierenden Demokratischen Volkspartei. China betrachtet Lai als Separatisten: Der 64-Jährige hatte sich in der Vergangenheit mehrfach als „pragmatischen Arbeiter für die Unabhängigkeit Taiwans“ bezeichnet, betont im laufenden Wahlkampf allerdings, als Präsident Taiwan nicht formell für unabhängig erklären zu wollen. Faktisch ist Taiwan bereits unabhängig von China, unterhält allerdings nur zu 13 Staaten diplomatische Beziehungen. Auch die USA und Deutschland erkennen die Regierung in Taipeh nicht offiziell an.

Präsidentschaftswahl in Taiwan: Opposition ist gespalten

Am Montag erklärte Lai, die ehemalige taiwanische Vertreterin in Washington, Hsiao Bi-khim, zu seiner Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin zu ernennen. Chinas Büro für Taiwan-Angelegenheiten bezeichnete Lai und Hsiao daraufhin als „Unabhängigkeits-Doppelpack“.

Für die Opposition gehen bei der Präsidentschaftswahl drei Kandidaten ins Rennen, die anders als Lai und Noch-Präsidentin Tsai einen eher Peking-freundlichen Kurs verfolgen, eine Vereinigung mit China allerdings ebenfalls ablehnen. Vielmehr setzen Ko Wen-je von der Taiwanischen Volkspartei, Hou Yu-ih von der Kuomintang sowie der Unternehmer und unabhängige Kandidat Terry Gou auf eine Entspannung durch Annäherung an Peking. Ko und Hou verhandeln derzeit über eine gemeinsame Kandidatur. Eine Entscheidung wird in den nächsten Tagen erwartet: Bis kommenden Freitag müssen sich alle Kandidaten, die im Januar zur Wahl antreten wollen, offiziell bei der zuständigen Behörde registrieren. (sh)