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Israel greift mutmaßlich Isfahan an: Schlag gegen Nuklearprogramm des Iran?
VonTadhg Nagel
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Israel soll einen Militärschlag auf die iranische Provinz Isfahan durchgeführt haben. Dort liegen die nuklearen Anlagen des Landes. Waren diese das Ziel?
Im zentral-iranischen Isfahan befinden sich eine Reihe wichtiger militärischer Einrichtungen, darunter Nuklearanlagen, ein großer Luftwaffenstützpunkt sowie Fabriken für die iranische Drohnen- und weitere Militärproduktion. Sowohl die bekannte Urananreicherungsanlage Natanz, als auch die iranische Uranumwandlungsanlage liegen in der Provinz. Seit 1999 sind drei kleine, von China gelieferte Forschungsreaktoren in Betrieb. Diese sind für die Brennstoffproduktion und andere Aktivitäten im Rahmen eines zivilen Atomprogramms zuständig.
Israel wirft dem Iran vor, Atomwaffen zu bauen: Lässt sich dieses Programm durch Angriffe aufhalten?
Das Nuklearprogramm ist Israel bereits seit längerem ein Dorn im Auge. Es hat im Laufe der Jahre Atomwissenschaftler ermordet und Angriffe auf die Anlagen durchgeführt. Die physischen Angriffe erfolgten in Form von Drohnenangriffen und Kommandoüberfällen, darunter einer im Januar 2018 auf eine Anlage in Teheran, bei dem Mossad-Agenten eine große Anzahl geheimer Dokumente stahlen. Diese beweisen laut dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dass der Iran ein Atomwaffenprogramm verfolgt. Im April 2021 beschuldigte der Iran Israel, eine Explosion in Natanz inszeniert zu haben, die zu erheblichen Schäden an den Zentrifugen führte. Israel hat eine Beteiligung an den Anschlägen weder bestätigt noch dementiert.
Die Geschichte des iranischen Atomwaffenprogramms
Der Status des iranischen Atomwaffenprogramms ist nach wie vor unklar. Das Land entwickelte unter dem verstorbenen Schah ein ziviles Atomprogramm und ratifizierte 1970 den Atomwaffensperrvertrag, der das Land verpflichtete, keine Atomwaffen zu besitzen oder zu entwickeln. In den späten 1980er Jahren begann der Iran jedoch mit einem geheimen Urananreicherungsprogramm, für das er wichtige Ausrüstungen und Materialien aus Pakistan und China bezog. In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren verfolgte der Iran ein geheimes Projekt zur Entwicklung von Atomwaffen, das als Amad-Plan bekannt ist. Es wurde angenommen, dass die Arbeiten an diesem Plan 2003 nach der US-Invasion im Irak eingestellt wurden.
Man geht davon aus, dass der Iran zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, eine kleine und relativ grobe Atombombe zu bauen. Die USA reagierten im Laufe der Jahre mit immer strengeren Sanktionen, um den Iran von der Fortsetzung seines Programms abzuhalten. Im Gegenzug für die Aufhebung der Sanktionen erklärte sich der Iran schließlich bereit, sein Urananreicherungsprogramm auf ein Niveau zu reduzieren, das für den Bau von Atomsprengköpfen nicht ausreicht. Alle Anlagen wurden der Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde unterstellt. Geregelt wurde dies in einem gemeinsamen umfassenden Aktionsplan (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA).
Ursprünglich sollten die Beschränkungen für 15 Jahre gelten. Im Mai 2018 kündigte die Trump-Regierung dann den JCPOA. Der Iran reagierte darauf mit einer Wiederbelebung seines Waffenprogramms. Laut einem Forschungsbriefing in der Bibliothek des Unterhauses hat das Land die vereinbarte Obergrenze für seine Uranvorräte inzwischen um das 18-fache überschritten und seine Anreicherungsaktivitäten auf 60 % erhöht. Es hat den Betrieb von Nuklearanlagen wieder aufgenommen, die zuvor gemäß dem Abkommen verboten waren, und verhindert seit Februar 2021, dass die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) seine Nuklearanlagen wirksam überwachen kann.
Einem Bericht der Arms Control Association in Washington zufolge ist das iranische Atomprogramm inzwischen zu weit fortgeschritten und weit verbreitet, als dass es durch eine Militäraktion wirksam zunichtegemacht werden könnte. Einerseits würde dies laut dem US-Magazin The Conversation erfordern, die iranischen Luftabwehrsysteme mit einem großangelegten Angriff zu umgehen oder überwältigen. Zudem habe der Iran viele Anlagen unter die Erde verlegt – und das Wissen, wie man eine solche Bombe baue, lasse sich auch durch Angriffe nicht zerstören.
„Keine Mittel, um das iranische Atomprogramm zu zerstören“: Die Anlagen sind weiterhin intakt
Der ehemalige israelische Premierminister Ehud Olmert – ein regelmäßiger Kritiker Netanjahus – habe daher kürzlich gesagt: „Israel kann eine Menge tun, um die iranische Infrastruktur zu beschädigen, aber Israel hat keine Mittel, um das iranische Atomprogramm zu zerstören.“
Laut dem iranischen Staatsfernsehen sind die Anlagen nach dem jüngsten Angriff weiterhin intakt. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) bestätigte, dass es „keine Schäden“ an iranischen Nuklearanlagen gibt, während der Chef der UN-Atomaufsichtsbehörde, Rafael Grossi, zur Zurückhaltung aufrief. Er mahnte, dass Nuklearanlagen niemals Ziel militärischer Konflikte sein sollten.
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Radaranlage in Isfahan könnte Ziel gewesen sein – Provinz ist Zentrum der Waffenproduktion
Erste Spekulationen deuteten darauf hin, dass eine Radaranlage auf einem großen iranischen Luftwaffenstützpunkt in Isfahan das Ziel des jüngsten Angriffs gewesen sein könnte. Das berichtet der britische Guardian. Dort ist auch die alternde Flotte von F-14 Tomcat-Kampfflugzeugen aus amerikanischer Produktion stationiert. Diese wurden vor der islamischen Revolution 1979 gekauft.
Ebenso wichtig sind die iranischen Waffenproduktionsanlagen in und um die Stadt. Isfahan ist ein Zentrum für die Produktion, Forschung und Entwicklung von Raketen für den Iran. Dazu gehört auch die Montage von Shahab-Mittelstreckenraketen, die Israel und andere Länder erreichen können. Anfang letzten Jahres wurde ein Angriff auf eine angeblich fortschrittliche Waffenproduktionsanlage in der Stadt verübt, für den Israel verantwortlich gemacht wurde. An diesem waren, wie bei dem jetzigen Angriff, drei Drohnen beteiligt. (tpn)