Analyse
Pakt mit Mullahs: Iran ist unerwartet neues Brics-Mitglied
- VonArne Schütteschließen
Die Brics-Gruppe hat die Aufnahme sechs weiterer Mitglieder angekündigt. Warum gerade diese Länder ausgewählt wurden, hat sehr verschiedene Gründe. Unter den Neulingen sind auch Überraschungen.
Die fünf Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben sich über die Aufnahme von sechs weiteren Ländern verständigt. Einige der Neulinge waren von Beobachtern erwartet worden. Doch es befinden sich auch Überraschungen unter ihnen. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa verkündete die künftigen Mitglieder während des 15. Brics-Gipfels in Johannesburg: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) werden der Gruppe zum 1. Januar 2024 beitreten. „Wir haben einen Konsens über die erste Phase dieses Expansionsprozesses, und weitere Phasen werden folgen“, sagte Ramaphosa.
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Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Africa.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte sie Africa.Table am 24. August 2023.
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Die Debatte um die Erweiterung der Brics-Gruppe war vor allem von China vorangetrieben worden. Die Volksrepublik setzt darauf, Alternativen zur westlich geprägten Weltordnung zu schaffen, und will dafür möglichst viele Mitstreiter gewinnen. Russland ist international wegen des Ukrainekriegs isoliert und hofft ebenfalls, mit einer Brics-Erweiterung neue Unterstützer zu finden. Für Südafrika geht es vor allem darum, den Ländern des globalen Südens international mehr Gehör zu verschaffen.
Indien und Brasilien waren zuletzt zögerlicher – auch wenn sie einer Erweiterung prinzipiell immer zugestimmt hatten. Sie befürchten, eine überhastete Erweiterung könnte den Wirtschaftsblock zu einem anti-westlichen Club machen. Beide Länder lehnen eine solche antagonistische Positionierung ab. Indien ist zudem besorgt über die chinesische Dominanz innerhalb der Brics-Gruppe.
Iran überraschend dabei
Vor diesem Hintergrund ist vor allem der Beitritt Irans eine Überraschung. Die Islamische Republik gilt im Westen als Paria und wird dem Lager um China und Russland zugerechnet. So ist Iran einer der wichtigsten Lieferanten von Militärdrohnen an Russland, die in der Ukraine eingesetzt werden. Im Vorfeld des Brics-Gipfels hatten Experten einen iranischen Beitritt als unwahrscheinlich eingeschätzt. Die Demokratien Brasilien, Indien und Südafrika, die auch an guten Beziehungen zum Westen interessiert sind, könnten kaum ein Interesse daran haben, Brics zur Schmuddelecke werden zu lassen, so die Argumentation.
Doch offenbar wogen für die fünf Brics-Länder andere Überlegungen schwerer. Energie könnte dabei ein wichtiger Faktor gewesen sein. Schließlich umfasst die Gruppe mit Iran, Saudi-Arabien, Russland, den VAE und Brasilien künftig einige der größten Energieproduzenten der Welt. Iran beherbergt die zweitgrößten Gasvorkommen der Welt sowie ein Viertel der Ölvorkommen im Nahen Osten.
Saudi-Arabien bringt Öl und Geld
Der Beitritt Saudi-Arabiens hingegen war erwartet worden. Im Vorfeld des Gipfels hatten China und auch Brasilien bereits ihre Unterstützung für den Beitritt ausgedrückt. Die Brics-Gruppe zu erweitern sei wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn Saudi-Arabien unter den neuen Mitgliedern sei, sagte der Erfinder des Brics-Akronyms, der Ökonom Jim O’Neill, vor dem Gipfel im Fernsehsender Bloomberg Television. Das Königreich, das auch gute Beziehungen mit dem Westen sucht, ist der größte Ölproduzent der Welt, China der größte Ölkonsument.
Da der größte Teil des Weltenergiehandels in Dollar abgewickelt wird, erleichtert die Erweiterung auch die Umstellung des Handels auf alternative Währungen. Auch als neuer Beitragszahler für die New Development Bank (NDB) der Brics-Länder ist Saudi-Arabien gemeinsam mit den VAE von Bedeutung. Die Emirate sind bereits seit 2021 Mitglied der NDB.
New Development Bank als Alternative
Auch Ägypten ist seit März Anteilseigner der NDB. Das Land ist einer der Hauptempfänger amerikanischer Hilfszahlungen, unterhält aber seit langem enge Beziehungen zu Russland und hat wachsende Handelsbeziehungen zu China. Russland baut das erste ägyptische Atomkraftwerk und China Teile der neuen Hauptstadt. Ägypten leidet unter einer Währungskrise und setzt darauf, innerhalb der Brics-Gruppe ohne den Dollar Handel zu treiben.
Auch Argentinien kämpft mit einer Devisenkrise. Das Land will über die NDB Zugang zu alternativen Finanzierungsmöglichkeiten erlangen. Zu seinen Unterstützern innerhalb der Brics zählen der wichtigste Handelspartner und Nachbar Brasilien, sowie Indien und China.
Äthiopien zählt zu den eher unerwarteten Neulingen. Das Land ist zwar die drittgrößte Volkswirtschaft südlich der Sahara und liegt bei der Bevölkerung sogar auf Platz Zwei. Auch ist die äthiopische Wirtschaft zuletzt rasant gewachsen. Äthiopiens BIP ist jedoch gerade einmal halb so groß wie das des kleinsten Brics-Mitglieds Südafrika. Zudem wird das Land zurzeit wieder von bewaffneten Zusammenstößen erschüttert. „Angesichts der hohen Schulden, die Äthiopien gegenüber China hat, ist es keine Überraschung, dass das Land trotz seiner Bindung an die USA den Brics beitritt“, sagt der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, Prinz Asfa-Wossen Asserate, im Gespräch mit Table.Media. „Jetzt wird es spannend zu sehen, wie sich Russland in dieser Region positionieren wird.“
Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass auch Indonesien unter den neuen Brics-Mitgliedern sein würde. Das Land habe um einen Aufschub seiner Mitgliedschaft gebeten, um sich mit seinen Partnern innerhalb der ASEAN zu beraten, so Südafrikas Brics-Botschafter Anil Sooklal in einem Interview. Indonesien könne in den nächsten ein bis zwei Jahren aufgenommen werden.