Verbündete Staaten schwinden

Internes Kreml-Papier geleakt: Putins Strategie gegen den Westen geht nicht auf

  • Nadja Orth
    VonNadja Orth
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Der Einmarsch in die Ukraine sollte Putins Ansehen und Macht in der Welt ausbauen. Doch der Kreml fürchtet offenbar eine zunehmende Isolation.

Moskau - Ein geheimer Regierungsbericht aus Russland soll offenbaren, dass Regierungsmitglieder des Kremls um den Einfluss Russlands auf Verbündete bangen. Statt enger mit der ehemaligen Sowjetnationen zusammenzurücken und wirtschaftliche Beziehungen zum globalen Süden aufzubauen, habe der Druck aus dem Westen zu einer zunehmenden wirtschaftlichen Isolation geführt.

Das geleakte Papier liegt nach eigenen Angaben der Financial Times vor und bezieht sich auf ein Kreml-Treffen im vergangenen April, das unter der Leitung von Premierminister Michail Mischustin stattgefunden habe. Teilgenommen hätten unter anderem politische Hardliner wie der Regierungsberater Sergej Karaganow, der bereits mehrmals zum Einsatz von Atomwaffen gegen Europa aufgefordert hatte, und der Philosoph und Publizist Alexander Dugin, ein bekannter Befürworter radikaler Gewalt im Krieg gegen die Ukraine.

Westliche Sanktionen isolieren Russland zunehmend von Handelspartnern

Als übergeordnetes Ziel des Berichts sei hervorgegangen, dass sich Moskau in den Mittelpunkt eines eurasischen Handelsblocks drängt und somit die wirtschaftliche Macht der USA, der EU und von China angreift. Der Handelsblock würde Russland mit dem globalen Süden verbinden. Gestärkt werden sollte die Verbindung durch Geschäfte mit Rohstoffen, neuen Finanz-, Verkehrswegen und nicht zuletzt durch eine gemeinsame Weltsicht. Eine „Weltsicht, [...] in der wir Regeln für die neue Welt aufstellen [und] unsere eigene Sanktionspolitik haben“, wird aus der Analyse zitiert.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit Premierminister Michail Mischustin im Moskauer Kreml im Februar 2025.

Doch das langfristige Projekt einer „Makroregion“ scheint nach Ansicht der Kreml-Mitglieder vor allem durch den Druck westlicher Sanktionen und wirtschaftlicher Annäherungsversuche nicht aufzugehen. Stattdessen beobachte man, wie sich ein immer größerer Keil zwischen Moskau und einige seiner engsten Handelspartner ausbreitet. Das bestätigt auch eine politische Analyse der Bundesregierung: „Tatsächlich hat Russland durch den Angriff auf die Ukraine deutlich an Einfluss in Kasachstan sowie in ganz Zentralasien verloren.“

Kasachstan als bedeutender Verbündeter Russlands schwindet seit dem Ukraine-Krieg zunehmend

Westliche Länder hätten dem Kreml-Bericht zufolge erfolgreich eine „Zuckerbrot und Peitsche“-Strategie ausgepackt: Einerseits seien die zentralasiatischen Länder zur Einhaltung der Sanktionen gedrängt worden, andererseits sei ihnen der Zugang zu globalen Märkten eröffnet worden, die Russland ausschließen und mehr selbstständige Handlungsoptionen ermöglichen. Viele Verbündete hätten dem Bericht zufolge „ihre Weltsicht geändert“, indem sie die „kollektive Geschichte überdenken“. Nun würden sie sich mehr und mehr an den Westen annähern: Englisch habe als Zeitsprache in den Schulen Vorrang vor Russisch, Eliten würden zu einer Ausbildung in westliche Länder geschickt.

Wladimir Putin: Das Macho-Image des russischen Präsidenten

Wladimir Putin in einem camouflage-farbendem Tauchanzug während eines Ausflugs in der russischen Republik Tuwa in Sibirien im Jahr 2017. Das Foto zeigt den russischen Präsidenten während einer Verschnaufpause.
Wladimir Putin in einem camouflage-farbendem Tauchanzug während eines Ausflugs in der russischen Republik Tuwa in Sibirien im Jahr 2017. Das Foto zeigt den russischen Präsidenten während einer Verschnaufpause. © Alexei Nikolsky/Imago
Ebenfalls im sibirischen Tuwa ist dieses inzwischen weltbekannte Foto entstanden, welches Wladimir Putin beim Reiten in den russischen Bergen zeigt. Mal wieder inszeniert sich der Kreml-Chef besonders männlich und zieht vor der Kamera prompt das Shirt aus. Das Bild liegt allerdings schon einige Jahre zurück: entstanden ist es 2009.
Ebenfalls im sibirischen Tuwa ist dieses inzwischen weltbekannte Foto entstanden, welches Wladimir Putin beim Reiten in den russischen Bergen zeigt. Mal wieder inszeniert sich der Kreml-Chef besonders männlich und zieht vor der Kamera prompt das Shirt aus. Das Bild liegt allerdings schon einige Jahre zurück: entstanden ist es 2009. © Imago
Wladimir Putin während einer Trainingssession in Sotschi im Jahr 2019. Der russische Präsident gilt als großer Judo-Fan und hat im Jahr 2000 in Tokio den Titel des sechsten Dan des „Kodokan-Judo“ verliehen bekommen.
Wladimir Putin während einer Trainingssession in Sotschi im Jahr 2019. Der russische Präsident gilt als großer Judo-Fan und hat im Jahr 2000 in Tokio den Titel des sechsten Dan des „Kodokan-Judo“ verliehen bekommen. © Mikhail Metzel/Imago
Selbst wenn sich der Kreml-Chef nahe den Gewässern Russlands erholt, sind die Kameras der russischen Staatspresse nicht weit entfernt. Schnappschüsse von einem schwimmenden Wladimir Putin, wie hier im Jahr 2017, würde ihnen sonst glatt entgehen.
Selbst wenn sich der Kreml-Chef nahe den Gewässern Russlands erholt, sind die Kameras der russischen Staatspresse nicht weit entfernt. Schnappschüsse von einem schwimmenden Wladimir Putin, wie hier im Jahr 2017, würde ihnen sonst glatt entgehen. © Alexei Nikolsky/Imago
Bekleidet mit olivgrüner Jagdhose und einem dazu passenden Sonnenhut präsentiert sich Wladimir Putin beim Angeln in den sibirischen Bergen im Jahr 2017. Geht es nach dem russischen Präsidenten, hat der Oberkörper aber freizubleiben.
Bekleidet mit olivgrüner Jagdhose und einem dazu passenden Sonnenhut präsentiert sich Wladimir Putin beim Angeln in den sibirischen Bergen im Jahr 2017. Geht es nach dem russischen Präsidenten, hat der Oberkörper aber freizubleiben. © Aleksey Nikolskyi/Imago

Ein Beispiel für einen schwindenden Verbündeten ist Kasachstan, die größte Volkswirtschaft der Region. Hatte Russland vor dem Angriffskrieg in der Ukraine wirtschaftlich und politisch noch einen großen Einfluss auf das Land, scheint der Ukraine-Krieg derzeit für eine wachsende Distanz zu sorgen. Das geht auch aus der Analyse des Bundestags hervor: „Angesichts der engen Verbundenheit der beiden Staaten [kann die Einhaltung der Sanktionen] plausibel als implizite Zurückweisung Russlands gedeutet werden und nicht als bloße Neutralität“, heißt es darin. Zudem erkennt Kasachstan die „Annexion“ der Gebiete Donezk und Luhansk in der Ukraine nicht an.

Putins Regierung habe das Problem erkannt und in dem Bericht das Fazit gezogen, dass Moskau „auf lange Sicht spielen“ muss, um die zentralasiatischen Länder in seiner Umlaufbahn zu halten. Ein Zusammenhalt könne nur durch eine Besinnung auf die gemeinsame Geschichte gestärkt werden. Gleichzeitig müsse die Unabhängigkeit der Länder respektiert werden. Zentralasien werde „eine Entscheidung über ihre Haltung gegenüber Russland treffen müssen“, wird aus dem Bericht zitiert. (nz)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Gavriil Grigorov/ITAR-TASS