Nach Migrations-Knall

Interne FDP-Chats durchgesickert: Kubicki tritt gegen Abweichler nach – Lindner will „Deutungsschlacht“

  • Hannes Niemeyer
    VonHannes Niemeyer
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In der FDP kracht es nach der Migrations-Abstimmung vom Freitag. Interne Nachrichten sollen jetzt auf die Tiefer der Gräben in der Fraktion hindeuten.

Berlin – Das Migrations-Gesetz ist am Freitag im Bundestag gescheitert. Auch wegen der FDP gab es keine Mehrheit für die umstrittenen Pläne von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Nach einer beispiellos hitzigen Debatte lehnte die Mehrheit der Bundestags-Abgeordneten den Vorschlag für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz ab. Dabei stand die FDP eigentlich als der wichtigste Verbündete der Union dar.

Schon am Mittwoch, als Merz seinen Antrag zur Migration mithilfe von AfD-Stimmen durchbrachte, stand die FDP um Parteichef Christian Lindner an der Seite der Union. Bei der chaotischen Sitzung am Freitag sorgten die Liberalen dann kurz vor Start der Aussprache mit einem Antrag, die Gesetzesabstimmung zu vertagen und einen Schulterschluss zwischen demokratischen Parteien herbeizuführen, für neuen Gesprächsstoff zwischen den Fraktionen. Schlussendlich jedoch ergebnislos. SPD und Grüne kamen mit der CDU und der FDP nicht auf einen Nenner, die Abstimmung wurde eingehalten.

Migrations-Knall im Bundestag: FDP-Größe Kubicki wütend über Abstimmungs-Abweichler

Eigentlich hatte FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr gesagt, wenn es keine Vertagung gäbe, wolle man dem Gesetz zustimmen. Etwas anders kam es dann doch. Bei der namentlichen Abstimmung wichen FDP-Politiker vom Vorhaben ihrer Fraktion ab und trugen damit dazu bei, dass Merz‘ Gesetz zur Migrationspolitik scheiterte. Insgesamt gab es 338 Ja- und 349 Nein-Stimmen. 67 Mal stimmte man in der FDP-Fraktion mit Ja, zweimal mit Nein. Fünf Enthaltungen gab es bei den Liberalen, 16 Stimmen wurden nicht abgegeben.

Christian Lindner und Wolfgang Kubicki waren nicht glücklich über die Querschüsse in der FDP bei der Migrations-Abstimmung.

Offenbar gibt es wegen der Abweichung in den eigenen Reihen nun auch mächtig Stunk innerhalb der Partei. FDP-Vize Wolfgang Kubicki etwa hatte vor der Abstimmung am Freitag im Bundestag für seine Partei noch ein flammendes Plädoyer für das Gesetz gehalten. Quittiert wurde seine Rede mit stehenden Ovationen – sowohl von der Unionsfraktion, als auch von seiner eigenen Fraktion. Dass es dann doch Querschüsse gab, machte den Liberalen nachträglich ziemlich sauer. „Ich bin fassungslos über das Abstimmungsverhalten einiger meiner Fraktionskollegen“, sagte Kubicki nachträglich der Bild. Er sei sich sicher, dass die Abweichungen seiner Partei „im Wahlkampf nichts nutzen“ werden.

Interne FDP-Chats nach Migrations-Abstimmung enthüllt – „verlieren den gewaltigen Move“

Der Ärger weitete sich gar noch aus. Das legen zumindest interne Chats der FDP nahe, die der Stern-Journalist Julius Betschka auf X veröffentlichte. Die Echtheit der Nachrichten konnte zunächst nicht geprüft werden. „Die Authentizität der Nachricht wurde mir aus mehreren Quellen bestätigt“, schreibt Betschka aber zu seinen Bildern.

„Wir verlieren gerade den gewaltigen Move von heute Nachmittag. Sehr schade“, soll es demnach in einer Nachricht von Wolfgang Kubicki im Fraktionschat heißen. Und weiter: „Ich schlage vor, dass jetzt Marie-Agnes [Strack-Zimmermann, Anm. d. Red], Franziska Brandmann, Johannes Vogel und Konstantin Kuhle die Wahlkampfführung übernehmen. Ich räume schon mal mein Büro auf“.

Kubicki tritt mit Sarkasmus gegen Abstimmungs-Abweichler in der FDP nach

Besonders der letzte Satz dürfte jedenfalls mit ordentlich Sarkasmus untersetzt gewesen sein. Denn Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte auf X etwa zuvor angedeutet, den Vorschlag nach einer Vertagung der Abstimmung zu unterstützen. Franziska Brandmann, Vorsitzende der Jungen Liberalen, hatte ebenfalls bekundet, die FDP habe „alles dafür getan“, dass die Wende in der Migrationspolitik aus der demokratischen Mitte käme. Brisant sind in der Nachricht eher die Namen Vogel und Kuhle.

Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit

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Marco Buschmann war bis zum 7. November 2024 Bundesminister der Justiz im Kabinett Scholz. Der FDP-Politiker war von Oktober 2017 bis Dezember 2021 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Im Herbst 2020 warnte er während der Corona-Pandemie vor einer Verfassungskrise. Buschmann war auch Mitkoordinator der erfolgreichen Verfassungsklage der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP gegen den Berliner Mietendeckel. Nach dem Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner verließ Buschmann die Ampel.  © Jürgen Heinrich/Imago
Volker Wissing, Bundesverkehrsminister FDP, vor der Kabinettssitzung im Berliner Kanzleramt Bundeskanzleramt in Berlin
Volker Wissing wurde nah dem Ampel-Aus für sein Ausscheren aus dem Kurs von FDP-Parteichef Christian Lindner belohnt. Der Bundesminister für Digitales und Verkehr erhielt zusätzlich das Justizressort. Einer der letzten großen Ampel-Fans in der FDP zog nach dem Koalitionsbruch Konsequenzen: In einem beispiellosen Schritt trat er aus der Partei aus und bleibt bis zu den geplanten Neuwahlen als Parteiloser im Amt. Der Jurist war vom 19. September 2020 bis zum 23. April 2022 Generalsekretär der FDP. Wissing gibt als Hobby Weinbau an, vor allem im familieneigenen Weingut.  © Stefan Boness/Imago
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Hubertus Heil ist im Kabinett Scholz Bundesminister für Arbeit und Soziales – ein Amt, das der SPD-Politiker bereits seit dem 14. März 2018 innehat. Heil ist seit Dezember 2019 stellvertretender Bundesvorsitzender der Sozialdemokraten. Von November 2005 bis November 2009 und von Juni bis Dezember 2017 war er Generalsekretär seiner Partei. Heil spricht sich für einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro aus, eine Erhöhung des Rentenalters auf über 67 Jahre lehnt er ab. © M. Popow/Imago
Boris Pistorius ist als Nachfolger von Christine Lambrecht ins Chefbüro des Verteidigungsministeriums im Bendlerblock gerückt. Pistorius gehört dem SPD-Parteivorstand an und gilt als erfahrener Polit-Manager. Von 1980 bis 1981 absolvierte er seinen Wehrdienst, anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Pistorius war zuvor seit 2013 Innenminister in Niedersachsen.
Boris Pistorius ist als Nachfolger von Christine Lambrecht ins Chefbüro des Verteidigungsministeriums im Bendlerblock gerückt. Pistorius gehört dem SPD-Parteivorstand an und gilt als erfahrener Polit-Manager. Von 1980 bis 1981 absolvierte er seinen Wehrdienst, anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Pistorius war zuvor seit 2013 Innenminister in Niedersachsen. © Michael Kappeler/dpa
Verteidigungsministerin Lambrecht besucht Marder-Kompanie
Bis zum 19. Januar 2023 hatte Christine Lambrecht das Amt der Verteidigungsministerin inne. Die SPD-Politikerin stand zumeist unter einem immensen Druck. Kritische Stimmen warfen ihr fehlende Sachkenntnis, die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. Irritation rief schließlich eine Neujahrsbotschaft hervor, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk in Berlin über den Ukraine-Krieg sprach. © Robert Michael/dpa
Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft läuft beim Treffen der G7 Agrarminister zum Eingang des Schlosses Hohenheim.
Cem Özdemir ist Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft im Kabinett Scholz. Özdemir ist der erste Bundesminister mit türkischem Migrationshintergrund. Von November 2008 bis Januar 2018 war er Bundesvorsitzender der Grünen. Im Dezember 2021 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden des gemeinnützigen Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ gewählt. Nach dem Ampel-Aus übernahm er auch das Ministerium für Bildung und Forschung.  © Bernd Weißbrod/dpa
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, spricht beim hybriden Gipfeltreffen „Women7-Summit“.
Elisabeth „Lisa“ Paus ist seit dem 25. April 2022 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Kabinett Scholz. Sie ist die Nachfolgerin von Anne Spiegel, die zuvor von diesem Posten zurückgetreten war. Paus gehört zum linken Parteiflügel der Grünen. Sie ist seit 2009 Abgeordnete im Deutschen Bundestag.  © Bernd von Jutrczenka/dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übergibt im Schloss Bellevue anlässlich des Amtswechsels im Bundesfamilienministerium die Entlassungsurkunde an Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen), bisherige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Vorgängerin von Lisa Paus war Anne Spiegel, die am 25. April 2022 die Entlassungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhielt. „Es war zu viel“, hatte die Grünen-Politikerin vorher bekennen müssen. Ihr Verhalten als Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität in Rheinland-Pfalz nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021 wurde vom Untersuchungsausschuss des Landtags bis ins Detail untersucht. Die Kritik wurde zum Sturm – ihr Amt als Bundesfamilienministerin gab Spiegel deshalb auf. In ihrer Rücktrittserklärung betonte Spiegel, dass sie das Amt nicht länger belasten wolle und entschuldigte sich für begangene Fehler. © Bernd von Jutrczenka/dpa
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, beantwortet auf einer Pressekonferenz Fragen von Journalisten zum Infektionsgeschehen und zur Impfentwicklung.
Karl Lauterbach ist Bundesminister für Gesundheit im Kabinett Scholz. Der SPD-Politiker ist Professor am Universitätsklinikum Köln und dort Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie. Wegen seines Bundestagsmandats ist er derzeit beurlaubt. Während der Pandemie ist er für viele zu einer Reizfigur geworden. Als Minister konnte er sich mit seiner Forderung nach einer allgemeinen Corona-Impfpflicht nicht durchsetzen.  © Wolfgang Kumm/dpa
Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz beim Treffen der G7 Klima-, Energie- und Umweltministerinnen und -minister.
Steffi Lemke hat im Kabinett Scholz den Posten als Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz inne. Die Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen absolvierte ein Studium der Agrarwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, das sie 1993 als Diplom-Agraringenieurin abschloss. Von 2002 bis 2013 war sie politische Bundesgeschäftsführerin ihrer Partei. © Chris Emil Janssen/Imago
Bettina Stark-Watzinger im Portrait bei der Bundespressekonferenz zum Thema Veroeffentlichung des nationalen Bildungsberichts Bildung in Deutschland.
Bettina Stark-Watzinger ist Bundesministerin für Bildung und Forschung im Kabinett Scholz. Seit 2017 ist sie Abgeordnete im Deutschen Bundestag und seit März 2021 Vorsitzende der FDP Hessen. Ihr Studium der Volkswirtschaftslehre an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main schloss sie 1993 als Diplom-Volkswirtin ab. Sie ist Mitglied im Stiftungsrat der Karl-Hermann-Flach-Stiftung. © Imago
Svenja Schulze SPD, Bundesministerin fuer wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, aufgenommen im Rahmen der Konferenz fuer globale Ernaehrungssicherheit im Auswaertigen Amt in Berlin.
Svenja Schulze ist Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland im Kabinett Scholz. Die SPD-Politikerin ist Mitglied der Arbeiterwohlfahrt, der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), ver.di, im Naturschutzbund Deutschland (NABU) und im Verein Slowfood. Sie ist Mitbegründerin des Netzwerkes „Frauenzeiten“. © Florian Gaertner/Imago
Klara Geywitz im Kanzleramt in Berlin am 27. Juli 2022. Kabinettssitzung in Berlin.
Klara Geywitz ist Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Kabinett Scholz. Zudem ist sie Beauftragte der Bundesregierung für den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich. Im Dezember 2019 wurde sie zu einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD gewählt. Geywitz gehört seit 2014 dem Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit an. © Emmanuele Contini/Imago
Wolfgang Schmidt hisst die Regenbogenfahne am Bundeskanzleramt in Berlin.
Wolfgang Schmidt ist Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes im Kabinett Scholz. In dieser Funktion ist er außerdem Beauftragter der Nachrichtendienste des Bundes. Schmidt, der seit 1989 der SPD angehört, gilt als engster Vertrauter von Olaf Scholz. © Christian Spicker/Imago

Denn sowohl Parteivize Vogel, als auch Fraktionsvize Kuhle gehörten am Freitag zu den Abweichlern in der FDP-Fraktion. Beiden werden Ambitionen in der Partei nachgesagt, etwa mit Blick auf eine mögliche Nachfolge auf Christian Lindner als Parteichef. Und beide sind in der politischen Grundausrichtung öfter auf einer Linie mit SPD und Grünen, als etwa Lindner. Besonders Kuhle gilt in der Partei als eine Art leichter Revolutionär. Ob nun Überzeugung oder Kalkül hinter ihren Abweichungen steckte, bleibt unklar. Klar ist jedenfalls, dass Kubicki wohl alles andere als begeistert vom Abstimmungsverhalten war.

Interne Chats aus der FDP sorgen für Wirbel nach Migrations-Abstimmung – Lindner spricht von „Deutungsschlacht“

Auf den sarkastischen Chat-Einwurf Kubickis soll laut Stern-Journalist Betschka dann sogar Lindner reagiert haben. In einer weiteren Nachricht des Parteichefs soll es demnach heißen, Kubicki und Dürr hätten am Freitag im Bundestag „herausragend für uns gearbeitet“. Er verstehe die Enttäuschung mancher in der Fraktion, Abgeordnete seien aber eben frei in ihren Entscheidungen. „Jetzt sollten wir uns in die Deutungsschlacht einschalten“, soll es weiter heißen – eine Rhetorik, die doch sehr an die umstrittene Pyramide zum Ampel-Aus im November 2024 erinnert. Dort war etwa von einer „offenen Feldschlacht“ die Rede. Gleichzeitig kündigt Lindner in der Nachricht demnach noch an, dass er in einem Interview nun eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausschließen werde. Jenes Interview erschien dann auch am Samstag in der Frankfurter Allgemeinen.

Die Nachrichten zeigen jedenfalls: Die Gräben in der FDP sind auch intern durch die Abstimmung am Freitag wieder tiefer geworden. Positiv oder negativ hat sich das Manöver mit der vorgeschlagenen Vertagung der Abstimmung aber noch nicht hervorgetan. In einer aktuellen Umfrage zur Bundestagswahl ist die FDP noch immer unter der Fünf-Prozent-Hürde.

FDP-Mann Wolfgang Kubicki hat sich nun dazu geäußert, welche Privilegien ihm nach der Wahlschlappe fehlen werden. (han)

Rubriklistenbild: © dpa | Kay Nietfeld + Michael Kappeler

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