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Konsequenzen nach Geheimtreffen? Rechtsextreme Pläne „verdeutlichen Vertreibungsphantasien“
VonBona Hyun
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Das Geheimtreffen von Rechtsextremisten wirft die Frage nach Konsequenzen für die Teilnehmer auf. Doch können rechtliche Mittel genutzt werden?
Berlin – Die durchgesickerten Geheimpläne in dem kürzlich bekannt gewordenen rechtsextremen Treffen von Potsdam sind ein klarer Verstoß gegen die Verfassung, urteilen Rechtswissenschaftler. Doch wird es strafrechtliche Konsequenzen für die Teilnehmer geben? Experten sind von den diskutierten Vorhaben zudem wenig überrascht.
Geheimpläne verstoßen gegen Verfassung – diese sind wohl „an sich nicht neu“
„Diese Pläne sind an sich auch nicht neu – sie wurden nur selten so offen ausgesprochen und verdeutlichen die Gewalt- und Vertreibungsphantasien dieses Teils der AfD“, sagte Dr. Dierk Borstel an der Fachhochschule Dortmund auf Anfrage der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.
Die Pläne dieser Veranstaltung würden die „Deportation von mehreren Millionen Menschen gegen ihren Willen vorsehen. Dies könnte nur mit massiver Gewalt durchgeführt werden“, sagte Borstel, der in den Plänen eine Verletzung der Menschenwürde sieht. Es gehe bei den Zielen „immerhin um den Aufruf zum Völkerhass und Bürgerkrieg.“
Nach Geheimtreffen von Rechtsextremisten: Gibt es strafrechtliche Folgen?
Zum selben Urteil kommt auch Rechtswissenschaftler Dr. Prof. Volker Boehme-Neßler auf Anfrage der Frankfurter Rundschau. „Die Pläne sind klar verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen die Menschenwürde (Art. 1 des Grundgesetzes) und den Gleichbehandlungsgrundsatz.“ Strafrechtliche Konsequenzen für die Teilnehmer kann sich Boehme-Neßler trotzdem nicht vorstellen. „In der freiheitlichen Demokratie unseres Grundgesetzes darf man auch verfassungswidrige Meinungen vertreten, ohne sich strafbar zu machen. Die Verfassung sieht die Meinungsfreiheit als hohes Gut an“, so der Experte, der sich auf Verfassungsrecht spezialisiert hat.
Generell sei es erlaubt, verfassungswidrige Meinungen zu haben und Pläne zu entwickeln, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Auch solche Treffen, wie sie laut Correctiv stattfanden, seien von den Grundrechten gedeckt. „Es wäre allerdings anders, wenn es bei diesem Treffen um konkrete Verschwörungen und Umsturzpläne gegangen wäre. Dann würde die Grenze der Grundrechte überschritten, und das Strafrecht greift ein“, sagte Boehme-Neßler.
Nach Geheimtreffen von Rechtsextremisten: Forderung nach AfD-Parteiverbot wird lauter
Die AfD versucht indes den jüngsten Eklat um das Potsdamer Treffen kleinzureden.„Die Partei argumentiert, dass es keine Veranstaltung von ihr gewesen sei. Es hätten lediglich Mitglieder als Privatperson daran teilgenommen und dafür kann eine Partei strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Borstel.
Vor dem Hintergrund der Geheimpläne wurden Forderungen nach einem AfD-Verbot laut. Doch kann ein solches Verfahren nun eingeleitet werden? Ein solches Geheimtreffen reicht laut Boehme-Neßler sicher nicht als Indiz für ein Parteiverbot aus. „Dafür muss man sich das Verhalten der gesamten Parteispitze und der Mitglieder über einen längeren Zeitraum anschauen“, sagte Boehme-Neßler. Er plädiert zudem dafür, verfassungswidrige Inhalte politisch zu bekämpfen, in einem freien Parteienwettbewerb.
Die AfD-Spitze im Wandel der Zeit: von Bernd Lucke bis Alice Weidel
Diskussion um AfD-Parteiverbot: „Würde die AfD eher stärken“
Auch Borstel hält es für eine klügere Entscheidung, die AfD durch kein Parteienverbot zu bekämpfen. „Es würde die AfD kurzfristig eher stärken in ihrem Opfermythos und käme für die anstehenden Wahlen auch zu spät. Da hilft nur eine deutlich verbesserte Politik der demokratischen Parteien“, sagte Borstel.
Doch die juristischen Hürden seien hoch. Das Grundgesetz akzeptiere deshalb auch Parteien, die verfassungswidrige Inhalte vertreten. „Ein Parteienverbot kommt erst dann infrage, wenn eine Partei aktiv kämpferisch und aggressiv beginnt, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“, so Boehme-Neßler. Borstel sieht Kriterien für ein Parteiverbot zumindest für mehrere Landesverbände erfüllt.
Unmut gegenüber AfD wächst – Proteste nach Geheimtreffen
Bundesweit erhebt sich eine Protestwelle nach Bekanntwerden des Geheimtreffens, bei dem auch AfD-Mitglieder teilnahmen. Das Treffen ist der Anlass, warum seit Tagen in verschiedenen Städten Zehntausende Menschen auf die Straße gehen. An einem Protestzug in Essen nahmen am Montagabend (15. Januar) nach Polizeiangaben rund 6.700 Demonstrierende teil. Die Polizei in Leipzig schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf etwa 6.000 bis 7.000. In Köln zogen am Dienstag (16. Januar) 30.000 Menschen auf die Straße. Für die kommenden Tage sind weitere Demonstrationen geplant. (bohy)