SPD ist uneinig
Dienst in der Bundeswehr: Debatte über Wehrpflicht nimmt Fahrt auf
- VonHelmi Krappitzschließen
2024 soll es weitere Diskussionen über mögliche Modelle einer Wehrpflicht geben. Die Koalitionspartner äußern Kritik – die SPD ist sich uneinig.
Berlin – Die Sicherheitslage hat sich durch den Ukraine-Krieg verändert – und verdeutlicht den Personalmangel der Bundeswehr. Deswegen lässt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Modelle einer Dienstpflicht prüfen und nannte dabei auch das schwedische Wehrpflichtmodell. „Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert, und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den Grundwehrdienst. Ob so etwas auch bei uns denkbar wäre, ist Teil dieser Überlegungen“, sagte der SPD-Politiker in einem Interview mit Welt am Sonntag. Er verwies aber darauf, dass es – egal für welches Modell – eine politische Mehrheit brauche.
„Die alte Wehrpflicht möchte niemand zurück“: Neue Bundeswehr-Modelle sollen geprüft werden
Sachliche Debatten über mögliche Modelle der Wehrpflicht sollen im neuen Jahr geführt werden, forderte die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl. „Ich werbe für eine Entkrampfung der Debatte. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn jetzt eine Diskussion über konkrete Konzepte Fahrt aufnimmt“, sagte Högl der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Das werde dauern und heiße nicht, dass umgehend eine Wehrpflicht wiedereingeführt werde. „Die alte Wehrpflicht möchte niemand zurück. Es geht um ein neues Konzept. Gibt es die Notwendigkeit, die Bundeswehr aufzustocken, mit mehr Personal? Das würde ich angesichts der Lage bejahen.“ Das Ziel der Bundeswehr liege bei 203.000 Soldaten bis zum Jahr 2030 – das sei mit dem heutigen Kurs nicht erreichbar. Aktuell gebe es nur 181.000 Soldaten.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ging im Gegensatz zu ihren SPD-Kollegen auf Distanz zu einer Wiedereinführung der Wehrpflicht.
„Zeiten sind fluide“: Nouripour will Fachleute bei der Bundeswehr, aber keine Wehrpflicht
Auch der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sieht keinen Vorteil in der Wiedereinführung der Wehrpflicht und des Zivildienstes – sondern nur zusätzliche Kosten. „Ich glaube nicht, dass die Wehrpflicht gebraucht wird“, sagte Nouripour der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ich würde jetzt nichts ausschließen, weil es nie was bringt. Die Zeiten sind dafür zu fluide“, sagte er auf eine entsprechende Nachfrage. „Aber ich sehe das überhaupt nicht.“
Nouripour stimmte Pistorius zu, dass die Sicherheitslage angespannt sei – „auch auf diesem Kontinent leider Gottes. Und es ist richtig, dass man über alle Wege nachdenken darf“, räumte Nouripour ein. Die Sozialdemokratie habe aber selbst noch einen Diskurs zu dem Thema vor sich. „Die Partei sieht’s ja anders als der Verteidigungsminister. Das müssen sie miteinander erst mal klären.“
Die Grünen seien der Meinung, dass die Wehrpflicht zu mehr Kosten führe und die Wehrfähigkeit nicht zwingend steigere, sagte Nouripour, der auf seine Erfahrung im Verteidigungsausschuss und Gespräche mit Soldaten verwies. „Dass man qualifiziertes gutes Personal braucht, auch bei den Fachleuten bei der Bundeswehr, ist richtig. Dass die Wehrpflicht jetzt automatisch zu einem Mehr führen würde, das sehe ich nicht.“
Wehrpflicht: FDP kritisiert Diskussionen über mögliche Wiedereinführung
Die Wehrpflicht war im Juli 2011 nach 55 Jahren vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Das kam in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich. Während sich die SPD-Politiker über eine mögliche Wiedereinführung uneinig sind, äußert auch der Koalitionspartner FDP Kritik zu dem Vorstoß. (dpa/hk)
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