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„Er ist reicher“: Erdogan vergleicht Netanjahu mit Hitler – kaum getarnter Antisemitismus
VonMarcus Giebel
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Recep Tayyip Erdogan liefert angesichts des Gaza-Kriegs einen geschmacklosen Vergleich. Der türkische Präsident fühlt sich an Adolf Hitler erinnert.
Ankara – Angesichts des Kriegs im Nahen Osten kochen die Emotionen hoch. Und teilweise über. Nicht nur bei Israelis und Palästinensern. Recep Tayyip Erdogan scheint der eskalierte Konflikt zwischen Israel und der aus dem Gazastreifen operierenden Hamas besonders aufs Gemüt zu schlagen. Das bewies der türkische Präsident in den vergangenen Wochen und Monaten häufiger.
Erdogan vergleicht Netanjahu mit Hitler: „Wir haben Israels Nazilager gesehen“
Nun aber hat sich das Staatsoberhaupt in Ankara deutlich im Ton vergriffen. Kaum getarntem Antisemitismus freien Lauf gelassen. Am Mittwoch, 27. Dezember, verglich Erdogan Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler, der die Welt mit seinem Eroberungsfeldzug vor mehr als acht Jahrzehnten in den Zweiten Weltkrieg stürzte und selbst Landsleute wegen ihres jüdischen Glaubens leiden und töten ließ.
Auf die Konzentrationslager des Nazi Regimes spielte Erdogan bei einer Verleihung von Wissenschaftspreisen in der türkischen Hauptstadt an, als er provozierend in Richtung Jerusalem fragte: „Wir haben Israels Nazilager in Stadien gesehen, nicht wahr? Was ist das? Wie unterscheidet ihr euch von Hitler?“
Erdogan über Israel-Krieg: „Sie bringen uns dazu, Hitler zu vermissen“
Was genau er mit den Nazilagern meinte, erklärte der 69-Jährige zwar nicht. Allerdings kursierten in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien Videos von palästinensischen Gefangenen, die in einem Stadion im Gazastreifen festgehalten wurden. Offenbar mit diesen Bildern im Hinterkopf verstieg sich Erdogan zu dem ungeheuerlichen Vergleich: „Sie bringen uns dazu, Hitler zu vermissen. Gibt es irgendetwas, das Netanjahu weniger getan hat als Hitler? Nein.“
Damit aber nicht genug. Erdogan stellte beim Blick auf Netanjahu auch fest: „Er ist reicher als Hitler, er erhält Unterstützung aus dem Westen.“ Womit er sich auch auf einige seiner Nato-Partner einschoss.
Erdogan kritisiert Deutschland: „Zahlt auch heute noch den Preis für das, was Hitler getan hat“
Deutschlands historische Verantwortung den Juden und damit Israel gegenüber kritisierte Erdogan ebenfalls. Denn seiner Meinung nach liegt eben darin Berlins aktuelle Zurückhaltung begründet, sorgen die vielen zivilen Opfer im Gazastreifen hierzulande doch kaum für einen Aufschrei.
„Ich sage ganz klar, schauen Sie: Deutschland zahlt auch heute noch den Preis für das, was Hitler getan hat. Deshalb schweigt Deutschland, es hat seinen Kopf gesenkt“, hält Erdogan der Politik vor.
Auch die USA pickte er sich heraus. Seine Meinung: Die Regierung von Netanjahu habe mit der Hilfe aus Washington mehr als 20.000 Palästinenser im Gazastreifen töten können. Damit übernahm Erdogan die offiziellen Zahlen des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im abgeriegelten Küstenstreifen.
Demnach wurden seit Beginn des Angriffs auf Gaza als Reaktion auf das Blutbad mit 1200 Toten in Israel mindestens 21.110 Menschen getötet. Wie nah diese Zahlen an der Wahrheit liegen, lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Netanjahu antwortet Erdogan wegen Hitler-Vergleich: „Begeht Genozid an Kurden“
Der Konter auf den Hitler-Vergleich ließ nicht lange auf sich warten. Netanjahu, der von Erdogan zuvor schon als „Schlächter von Gaza“ verunglimpft worden war, ließ per Statement mitteilen: „Erdogan, der Genozid an den Kurden begeht, der einen Weltrekord bei der Inhaftierung von Journalisten hält, die sich seiner Herrschaft entgegenstellen, ist der letzte, der uns Moralpredigten halten kann.“
Die Wortwahl ist als Retourkutsche zu verstehen, hatte Erdogan Israel doch zuletzt ebenfalls Genozid vorgeworfen und das Land als „Terrorstaat“ betitelt, die Hamas sogar als „Befreiungstruppe“ gefeiert. Zugleich lenkte er so auch vom blutigen Kurden-Konflikt ab. Die Tagesschau nannte die Angriffe im Nordosten Syriens zuletzt „Erdogans unbeachteter Krieg“.
Dass unliebsame Journalisten in der Türkei schnell hinter Gittern landen, ist dagegen häufiger ein Thema. Weltweit führend ist Erdogan hier jedoch nicht, die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ zählt sieben inhaftierte Journalisten, bei denen ein direkter Zusammenhang mit der Tätigkeit nachweisbar ist. In Dutzenden weiteren Fällen sei dieser wahrscheinlich. In der Rangliste der Pressefreiheit liegt die Türkei auf Platz 165 von 180 – eine Position hinter Russland.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Israels Präsident kontert Erdogan: „Worte für jeden Juden zutiefst beleidigend“
Via Twitter äußerte sich auch Benny Gantz zum Hitler-Vergleich. Der Generalleutnant und ehemalige Verteidigungsminister schrieb: „Ich verurteile die Äußerungen des türkischen Präsidenten Erdogan. Aussagen, die eine eklatante Verzerrung der Realität und eine Entweihung der Erinnerung an den Holocaust darstellen.“ Zudem erklärte er, es sei „eine existenzielle Notwendigkeit“, der Bedrohung durch die Hamas ein Ende zu setzen.
Israels Präsident Izchak Herzog entgegnete Erdogan derweil: „Seine Worte sind für jeden Juden auf der ganzen Welt zutiefst beleidigend.“ Zudem habe er das Andenken an Millionen Juden verletzt, die von den Nazis ermordet wurden. (mg)