Nach China-Reise zu Xi Jinping

Ukraine-Verhandlungen: Friedensgipfel in der Schweiz soll Bewegung bringen

  • VonMax Nebel
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Auf Norderney treffen sich zahlreiche SPD-Größen, darunter auch Olaf Scholz. Dieser äußert sich vor Ort zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Konflikt.

Norderney – Von Donnerstag (18. April) bis Freitag hatte sich die bei Urlaubern beliebte Nordseeinsel Norderney für zwei Tage zu einem Politiker-Hotspot, abgesichert von hunderten Polizisten und Sicherheitsbehörden, transformiert. Knapp 70 SPD-Abgeordnete aus Niedersachsen und aus NRW hatten sich vor Ort eingefunden. Angereist war auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich zu Beginn - neben diversen innenpolitischen Themen - zu einem etwaigen Friedensprozess in der Ukraine äußerte.

Olaf Scholz
Geboren:14. Juni 1958 in Osnabrück
Politisches Amt:Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland seit 2021
Partei:SPD (seit 1975)

Friedensgipfel in der Schweiz soll Bewegung in Ukraine-Verhandlungen bringen

Wenige Tage nach seiner Reise zum chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping betonte Scholz am Freitagvormittag, dass der in Peking erfolgte Dialog durchaus als Erfolg zu werten ist. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sei es „ein ganz wichtiger Schub“, dass in China die Perspektive für Friedensgespräche angesprochen werden konnte.

Offenbar wirbt Scholz vermehrt für diplomatische Bemühungen, um dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entgegenzuwirken. Auf der SPD-Konferenz auf Norderney betonte der Kanzler, so die dpa, dass er sich mit der chinesischen Führung über die Notwendigkeit von Friedenskonferenzen in der Schweiz einig sei: „Das ist etwas, was in diesem mühseligen Prozess unverzichtbar ist, und ich bin dankbar, dass Deutschland und dass ich auch einen Beitrag dazu leisten konnten.“

Bei einer SPD-Tagung auf Norderney betont Bundeskanzler Olaf Scholz die Notwendigkeit diplomatischer Friedensbemühungen im Ukraine-Krieg.

Bundeskanzler wirbt für diplomatische Bemühungen im Ukraine-Konflik

Für den 15. und 16. Juni plant die sich um politische Neutralität bemühende Schweiz einen Friedensgipfel, zu dem circa 100 Länder, darunter auch die Ukraine, eingeladen werden sollen. Nicht mit am Tisch sitzen wird aber aller Voraussicht nach Russland, dafür jedoch Staaten, die dem Regime von Wladimir Putin freundschaftlich gegenüberstehen, wie etwa China, Brasilien und Südafrika.

Scholz hob nun auf der ostfriesischen Insel den Wert diplomatischer Bemühungen hervor. Diese seien „immer noch eine Pflanze, die viel gegossen werden muss. Aber es ist etwas, das es gibt und das wir pflegen.“

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Putin und Lawrow sehen Friedensverhandlungen kritisch

In Moskau sieht man die diplomatischen Bestrebungen und vor allem die Schweizer Friedenskonferenz derweil kritisch. Putin monierte gegenüber Nachrichtenagentur Interfax, dass sein Land keine Einladung erhalten werde, sich gleichzeitig aber ohne Russland nichts entscheiden lasse: „Und weil wir dort nicht hinfahren, wird nun gesagt, dass wir Verhandlungen ablehnen. Das ist ein echtes Panoptikum.“ Allerdings: Vor rund einer Woche erklärte die russische Botschaft in Bern, dass Russland selbst bei einer Einladung nicht an der Konferenz teilnehmen würde.

Ebenfalls auf das Ansinnen von Friedensverhandlungen reagierte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit russischen Radiosendern am 19. April in Moskau. Hierbei hob er nicht nur den Herrschaftsanspruch seines Landes auf die Ukraine hervor, sondern sprach auch von Bedingungen für einen diplomatischen Austausch. Eine Feuerpause während möglicher Verhandlungen würde es demnach nicht geben, betonte er, auch seien Gespräche mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj sinnlos. (chnnn/dpa)

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