Papier liegt uns vor

Bürgergeld, Steuerbonus und „Asylmissbrauch“ – Das steht im Bundestagswahl-Programm der Freien Wähler

  • Andreas Schmid
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„Leistung muss sich wieder lohnen“, fordern die Freien Wähler. Im uns vorliegenden Programmentwurf zur Bundestagswahl heißt das unter anderem: 2000 Euro im Monat steuerfrei.

Berlin statt Bayern? Die Freien Wähler sind bislang nahezu nur im Freistaat erfolgreich, nach der Neuwahl wollen sie aber auch im Bundestag sitzen. Dafür fahren sie eine besondere Strategie. Parteichef Hubert Aiwanger setzt auf das Gewinnen von drei Direktmandaten bei der Bundestagswahl. Entscheiden die Freien Wähler drei Wahlkreise für sich, sind sie im Bundestag dabei. Auch, wenn sie wie erwartet unter der Fünf-Prozent-Hürde landen. Was aber wollen die Freien Wähler überhaupt?

Das wollen die Freien Wähler zur Bundestagswahl: Bürgergeld, Steuerbonus und „Asylmissbrauch“

Am 25. Januar werden die Freien Wähler ihr Programm auf dem Bundesparteitag beschließen. IPPEN.MEDIA liegt schon jetzt der Entwurf des Papiers vor. Darin wirbt die Partei für eine „bürgernahe, ideologiefreie und umsetzbare“ Politik mit einem „starken Staat“, wie es zu Beginn des Programms heißt. Dieser Staat „unterstützt, wo es nötig ist. Er hält sich aber zurück, wo die Menschen selbst handeln.“ Oder wie der Generalsekretär der Freien Wähler, Gregor Voht, gegenüber IPPEN.MEDIA sagt: „Wir wollen Gängelung beenden und den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung und Entfaltungsmöglichkeiten geben.“

FW-Generalsekretär Gregor Voht mit Parteichef Hubert Aiwanger.

„Leistung muss sich lohnen“: Freie Wähler wollen neuen Steuerfreibetrag und Bürgergeldreform zur Bundestagswahl

Zu diesen Entfaltungsmöglichkeiten gehört unter anderem ein neuer Steuerfreibetrag. Aktuell liegt der Steuerfreibetrag bei jährlich 11.784 Euro; also weniger als 1000 Euro im Monat. Die Freien Wähler fordern jährlich 24.000 Euro; im Monat wären damit 2000 Euro Einkommen steuerfrei. Heißt: „Mehr Netto vom Brutto“, denn: „Leistung muss sich wieder lohnen“, wie die Freien Wähler schreiben.

Dementsprechend streben sie auch eine Reform beim Bürgergeld an. „Um die sozial Bedürftigen auch künftig unterstützen zu können, müssen in Zeiten der Personalknappheit in der Wirtschaft die Arbeitsfähigen gezielter zur Arbeit aufgefordert werden.“ Bedeutet: Wer nicht arbeiten kann, wird unterstützt. Wer arbeiten kann, soll arbeiten. Und, wie Voht betont: „Wer arbeitsfähig ist und zumutbare Arbeit ablehnt, muss auch mit Sanktionen rechnen.“

Freie Wähler zu Migration: „Asylmissbrauch beenden“

Insgesamt brauche es „eine gerechte und effiziente Sozialpolitik, die Anreize zur Arbeitsaufnahme schafft und Missbrauch verhindert“. Missbrauch beobachten die Freien Wähler mitunter auch in der Migrationspolitik. „Asylmissbrauch beenden“ fordert die Partei dazu in ihrem Programm. „Europäische Freizügigkeit darf nicht Zuzug in das bestausgebaute Sozialsystem bedeuten.“

Die Freien Wähler fordern ein Register, in dem Nicht-EU-Bürger erfasst werden, die in Deutschland Sozialleistungen beziehen. „Wer als Asylbewerber freiwillig in sein Herkunftsland ausreist, dessen Ausreise ist zu dokumentieren und er verliert dauerhaft den Anspruch auf Unterstützung und Sozialleistungen.“

Voht erklärt: „Wir stehen für eine regelbasierte Flucht- und Migrationspolitik, die wieder Ordnung in das Chaos bringt.“ Und weiter: „Wenn Regeln nicht eingehalten werden, Straftäter nicht abgeschoben werden und die Außengrenzen nicht geschützt sind, dann verliert die Mitte immer weiter an Akzeptanz.“

Das Thema Migration nimmt im Programm einen großen Teil ein. Die Freien Wähler fordern auch einen stärkeren EU-Grenzschutz und ein Ende der Umverteilung von Geflüchteten in Europa. Konkret brauche es „primär direkte Rückführungen oder Abweisungen“, wie die Freien Wähler schreiben. „Im Zweifel sind Auffang- und Rückführungslager nahe den Außengrenzen von der EU zu betreiben und zu finanzieren.“

Hubert Aiwanger auf der Landesversammlung der Freien Wähler. Im Januar will die Partei ihr Programm für die Bundestagswahl beschließen.

Bundestagswahl: Freie Wähler sind gegen Tempolimit: „CO₂-Bepreisung angemessener“

Die Freien Wähler fordern unter anderem auch Entlastungen für Bauern sowie ein Ende des Lieferkettengesetzes für den Mittelstand. Sie sind gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters sowie gegen ein generelles Tempolimit. Zu letzterem Punkt heißt es: „Für den Klimaschutz halten wir andere Lenkungsmaßnahmen wie die CO₂-Bepreisung für angemessener.“ Voht sieht im CO₂-Preis ein „sinnvolles marktwirtschaftliches Instrument“.

Es brauche „politische Lenkung der CO₂ Bepreisung, die Überforderung und Härten für Mittelstand und Verbraucher verhindert“, so Voht. „In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, warum Österreich bereits zum dritten Mal Klimageld ausgezahlt hat und die Bundesregierung weiterhin an der Bürokratie scheitert.“

Politikexperte: „Freie Wähler könnten drei Direktmandate gewinnen“

Ob die Freien Wähler mit diesem Programm punkten können, entscheidet sich am 23. Februar. In Umfragen zur Bundestagswahl liegt die Partei bei weniger als zwei Prozent und wird fast nur noch bei den „sonstigen Parteien“ geführt. „Die Freien Wähler wissen, dass sie nicht über fünf Prozent kommen“, sagt der Politikwissenschaftler Martin Gross von der LMU München. „Aber sie könnten drei Direktmandate gewinnen, mit Hubert Aiwanger und prominenten Landräten, die jeder im Wahlkreis kennt“, so Gross im Gespräch mit unserer Redaktion.

Aiwanger selbst tritt im Wahlkreis Rottal-Inn in Niederbayern an. Chancen rechnen sich die Freien Wähler, die neben Bayern nur in Rheinland-Pfalz in einem Landtag sitzen, auch in Landshut, Augsburg sowie im Oberallgäu aus.

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