Wahlergebnisse

FPÖ triumphiert bei Europawahl: Historischer Sieg für Rechtspopulisten in in Österreich

  • Babett Gumbrecht
    VonBabett Gumbrecht
    schließen

Bei der Europawahl in Österreich ist die rechte Partei FPÖ stärkste Kraft geworden – zum ersten Mal bei einer landesweiten Wahl. Was das für die Parlamentswahl im Herbst bedeutet.

Wien – Europa rückt nach rechts: Während in Deutschland die AfD mit 15,9 Prozent der Stimmen auf Rang zwei landete, wurde in Österreich die rechtspopulistische FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) sogar stärkste Kraft – zum ersten Mal bei einer landesweiten Wahl.

Laut den am Montag (10. Juni) veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen kam die FPÖ auf 25,7 Prozent und landete damit knapp vor der konservativen Regierungspartei ÖVP mit 24,7 Prozent. Auf den dritten Platz kam die sozialdemokratische SPÖ mit 23,2 Prozent der Stimmen. Die österreichischen Grünen, die in Wien mit der ÖVP regieren, kamen auf 10,7 Prozent.

FPÖ gewinnt Europawahl in Österreich

Die ÖVP erlitt damit deutliche Einbußen – vor fünf Jahren war sie bei der Europawahl noch auf fast 35 Prozent gekommen. Kanzler Karl Nehammer sagte in der Wahlnacht, er habe die „Botschaft“ der Wähler verstanden. Die ÖVP werde auf die „große Unzufriedenheit“ der Bevölkerung hören und beispielsweise härter gegen irreguläre Einwanderung vorgehen.

FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl (l) und Spitzenkandidat Harald Vilimsky feiern auf einer Wahlparty.

Die FPÖ feierten dagegen ihr gegen 2019 um fast acht Prozentpunkte verbessertes Wahlergebnis. Parteichef Herbert Kickl sprach von einem „historischen“ Erfolg und dem Beginn einer „neuen Ära der Politik in Österreich und Europa“. Das nächste Ziel sei nun das Kanzleramt in Wien.

In Österreich findet im September die Parlamentswahl statt. Umfragen sehen auch dort die FPÖ in Führung. Allerdings ist fraglich, ob sie die nötigen Koalitionspartner finden würde, um künftig die Regierung anzuführen.

FPÖ-Chef zeigt Flagge vor der Europawahl

Die Europawahl 2019 hatte in Österreich unter dem Eindruck des Ibiza-Skandals gestanden, die FPÖ erlitt damals allerdings nur leichte Verluste. Ein heimlich auf der spanischen Insel Ibiza gedrehtes Video hatte gezeigt, wie der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der FPÖ vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellte. Es folgten Ermittlungen gegen mehrere Politiker und der Sturz der Regierung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP).

Der seit 2021 amtierende FPÖ-Chef Kickl schaffte es jedoch, viele neue Wähler für seine Partei zu gewinnen, indem er sich bei besonders kontroversen Themen profilierte. So machte er sich während der von strikten Eindämmungsmaßnahmen begleiteten Corona-Pandemie zum Sprachrohr der Impfskeptiker.

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg präsentiert sich der 55-jährige FPÖ-Chef als vehementer Verteidiger der Neutralität seines Landes. Er kritisiert die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes durch die Regierung in Wien sowie die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen.

FPÖ-Plakate zur Europawahl hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in enger Umarmung mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj dargestellt, um sie herum Panzer und anderes Kriegsgerät, begleitet von dem Slogan „EU-Wahnsinn stoppen!“.

Europawahl-Sieger FPÖ: Gegründet in den 50er Jahren von früheren Nazis

Gegründet wurde die einwanderungsfeindliche FPÖ in den 50er Jahren von früheren Nazis, berichtet die französische Nachrichtenagentur AFP. Seit den 80er Jahren war sie wiederholt an Regierungen in Wien beteiligt, zuletzt von 2017 bis 2019 mit der ÖVP.

Die Europawahl stand unter dem Eindruck der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Sorgen bereiten vielen Wählern auch der Klimawandel, die soziale Sicherheit sowie die Migration.

Insgesamt waren mehr als 360 Millionen Europäer zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag EU-weit nach ersten Schätzungen mit rund 51 Prozent etwa auf dem Niveau von 2019. In Deutschland war sie mit rund 65 Prozent deutlich höher. (bg/dpa)

Rubriklistenbild: © Helmut Fohringer/APA/dpa