Europawahl 2024
Terry Reintke steht mit den Grünen bei Europa-Wahl vor großen Herausforderungen
VonSonja Rufschließen
Grüne Umfragewerte könnten gemäß ihres Erfolgs bei der letzten Europawahl höher sein. Welche Inhalte bietet ihre Spitzenkandidatin der Wählerschaft?
Berlin/Brüssel – Es sind in etwa noch zehn Tage bis zur Europawahl in Deutschland und bei den Umfragewerten der Partei Bündnis 90/Die Grünen sieht es aktuell noch nicht so aus, wie es sich die Partei vermutlich wünschen würde. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom 17. Mai 2024 bescheinigt der Partei 15 Prozent. Damit wäre ein Verlust von minus 2 Prozent für die grüne Partei seit der letzten Europawahl eingepreist.
Die Grünen würden damit nach der CDU (Platz 1) und der AfD (Platz 2) auf dem dritten Platz landen. Bei der letzten Europawahl im Jahr 2019 holte die Partei noch 20,5 Prozent. Traditionell haben die Grünen bei Europawahlen auch allgemein, die wird zudem die letzte ohne eine Sperrklausel in Deutschland sein, eine recht hohe Chance auf Erfolg. Wird die Partei es noch schaffen, an ihr altes Ergebnis heranzukommen?
Terry Reintke und die Grünen: Gewinner der Europawahl 2019 - auch die Gewinner der Europawahl 2024?
Eine Person, der diese Aufgabe maßgeblich zufällt, ist eine der beiden grünen Spitzenkandidierenden für die Europawahl: Theresa, genannt Terry, Reintke. Die 37-Jährige wurde gemeinsam im Februar 2024 mit dem Niederländer Bas Eickhout als Teil des europäischen Spitzenduos der grünen Fraktion im EU-Parlament nominiert. Reintke ist in Gelsenkirchen geboren bzw. im Ruhrgebiet aufgewachsen, lebt allerdings bereits seit einigen Jahren in Brüssel, denn sie ist seit 2014 Mitglied der Fraktion Die Grünen/EFA. Seit dem Jahr 2022 bekleidet sie das Amt der Fraktionsvorsitzenden.
Die Grünen selbst hatten ihrem Wahlkampf das Überthema „Kampf gegen Rechts“ gegeben und geben sich erheblich Mühe auch ein junges Publikum für diese Wahl als Klimawahl anzusprechen. Reintke unterstrich diese Botschaft Ende des letzten Jahres mit den Worten: „Wir werden nächstes Jahr mit aller Kraft gegen einen Rechtsruck im Europäischen Parlament kämpfen müssen“. Für sie dürfe es„keine Zusammenarbeit mit Faschisten“ geben. Außerdem gehe es ihr um „ein Europa, das Gerechtigkeit nach innen und nach außen lebt”.
EU-Spitzenkandidatin Reintke der Grünen: „Ein Europa, das Gerechtigkeit nach innen und nach außen lebt“
Mit diesem Satz in ihrer Bewerbungsrede schlug Reintke eine rhetorische Brücke zum Thema Migration. Die 37-jährige Europapolitikerin wandte sich in der Vergangenheit entschieden gegen Verschärfungen der europäischen Migrationspolitik. „Unser Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit endet nicht an den europäischen Außengrenzen.“ Die umstrittene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wurde im April dieses Jahres beschlossen. Die Europa-Grünen votierten jedoch im Europaparlament dagegen.
Die Bundesgrünen und dadurch auch die deutsche Bundesregierung hatten im Europäischen Rat zugestimmt. Das Beispiel zeigt recht exemplarisch, dass die bundesdeutschen Grünen mit den Europa-Grünen nicht immer auf einer Linie sein müssen. Gleichwohl stärken Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck ihrer Spitzenkandidatin öffentlich verstärkt den Rücken, wie beispielsweise beim Wahlkampfauftakt der Grünen am 13. Mai 2024 in Berlin. Für die Grünen geht es bei der anstehenden Europawahl um viel.
Grünen-Kandidatin Terry Reintke: Eine leidenschaftliche Verfechterin des europäischen Green Deals
In ihrer Bewerbungsrede für die Spitzenkandidatur hob die gebürtige Gelsenkirchenerin ihre Sozialisierung im Ruhrgebiet und die Möglichkeiten des klimafreundlichen Umbaus der Wirtschaft für die Region und ganz Europa hervor. In einem Interview in der Sendung The Global Conversation betonte Reintke erst vor wenigen Wochen, wie wichtig in diesem Zusammenhang die Fortführung des europäischen Green Deals für sie sei:
„Was ich gerne tun würde, ist alle Menschen davon überzeugen, dass wir auf dem direkten Weg zur Klimaneutralität bleiben müssen, weil das für wirklich jeden von Interesse ist. Wir sehen bereits die schlimmen Folgen der Klimakrise, gerade in Europa, denn Europa ist der Kontinent, der sich voraussichtlich am schnellsten erwämt“, sagte Reintke. Diese dürfe aber nur, so Reintke, im Einklang mit einem sozialgerechten Ausgleich geschehen. Die soziale Gerechtigkeit stehe im Zentrum ihres politischen Programms.
Leichte Spitzen gegen EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen
Gegenüber Ursula von der Leyen äußerte sich Reintke, wie auch andere EU-Politiker und EU-Politikerinnen zuvor, in diesem Zusammenhang eher kritisch, obwohl sie durchaus betonte, dass sie die Leistung der aktuellen EU-Kommissionspräsidentin gerade im klimapolitischen Bereich und mit Blick den Green Deal schätze. Sie hege allerdings Zweifel, wie loyal von der Leyen dem Projekt, auch wegen Gegenwind aus ihrer eigenen Partei, in einer weiteren Amtszeit verpflichtet bleiben wird.
Mit Blick auf die europäische Agrarpolitik fordert Reintke die Umverteilung von Subventionen und eine Reform des europäischen Vergabesystems in diesem Bereich. Letztlich sei auch auf dem internationalen Markt, auch im Wettbewerb mit China, eher mehr als weniger Europa die Lösung. Ob es den Grünen nun abschließend gelingen wird am 9. Juni mehr, als 15 Prozentpunkten herauszuholen, wird sich zeigen. Klar ist in jedem Fall, dass sie mit ihrer Spitzenkandidatin in diesen umtriebigen Zeiten vermehrt auf politische Erfahrung und ein sicheres Verhandlungsgeschick statt auf Experimente, setzen.
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