EU-Chefdiplomat Josep Borrell
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EU-Chefdiplomat Josep Borrell.

Analyse

EU-Chefdiplomat Borrell besucht China: „Nehmt die EU ernster!“

  • Finn Mayer-Kuckuk
    VonFinn Mayer-Kuckuk
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EU-Chefdiplomat Josep Borrell holt endlich seine China-Reise nach. Seine Mission: Er will seinen chinesischen Gesprächspartnern klarmachen, dass die EU und ihre Mitglieder keine Marionetten der USA sind, sondern als geopolitische Spieler ernst genommen werden wollen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ist bis Samstag in China. Am Donnerstag kam er in Shanghai an und hat gleich eine Reihe von Terminen absolviert: Er traf EU-Firmen, um sich deren Sorgen anzuhören, und diskutierte mit Wissenschaftlern am Shanghai Institute for International Studies. In den kommenden Tagen hat er dann Termine in Peking.
Angesichts drohender Handelskonflikte zwischen China und der EU erhält die Reise viel Beachtung. Sie war zudem mit Spannung erwartet worden: Im April und im Juli war sie jeweils ausgefallen, einmal wegen Krankheit und einmal nach Absage durch Peking. Die Mission hatte also bereits einen schlechten Start.

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Zahlreiche Konfliktlinien aufgerissen

Zwischen China und der EU ist die Stimmung aus mehreren Gründen schlecht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auf mehreren Feldern die Initiative ergriffen, um ihre De-Risking-Strategie voranzutreiben.

  • Sie lässt Zölle auf chinesische E-Autos prüfen, denen sie unterstellt, unter dem Herstellungspreis angeboten zu werden.
  • Mit den USA zusammen erwägt sich Zölle auf bestimmte Stahlprodukte.
  • Generell warnt sie vor Abhängigkeiten beispielsweise bei Rohstoffen und sieht die Demokratie in der EU durch chinesischen Einfluss in Gefahr.
  • Von der Leyen kritisiert China für die Umgehung von Russland-Sanktionen.

Gerade die geplanten Zölle haben das Potenzial, eine Gegenreaktion Chinas auszulösen. Auch im Handelskonflikt mit den USA hat China keine Handelsmaßnahme auf sich sitzen lassen und jeweils mit einer ungefähr gleichartigen Sanktion reagiert.

Borrell: EU ist eigener geopolitischer Spieler

In einem Interview mit der „South China Morning Post“ hat Borrell vor Abflug einige Positionen festgelegt, die er in China vertreten will.

  • Europa nehme China ernst, aber China soll umgekehrt auch die EU als eigenständigen Spieler ernst nehmen.
  • Hier geht es vor allem um die von China oft gehörte Unterstellung, Europa handele nur auf Anweisung der USA. „Europa hat keinen geheimen Plan, um Chinas Aufstieg zu sabotieren“, betont Borrell. China solle aufhören, „uns durch die Linse von Beziehungen zu anderen zu sehen“.
  • Der Krieg in der Ukraine habe das außenpolitische Profil der EU geschärft, so Borrell. Sie sei nicht mehr nur Wirtschaftsmacht, sondern verstehe sich mehr als geopolitischer Akteur.

Tatsächlich ist „europäische Unabhängigkeit“ eine Schlüsselphrase in der chinesischen EU-Politik. Sie unterstellt, Brüssel und die Mitgliedstaaten handelten auf Geheiß Washingtons und zeigten sich daher in den vergangenen Jahren ablehnend gegenüber China. Die implizite Aufforderung, sich doch endlich von der US-Knute zu befreien und sich „unabhängig“ wieder China zuzuwenden, wird auch bei Spitzengesprächen immer wieder vorgebracht.

Chinas Fixierung auf die USA

Diese Sicht mag damit zusammenhängen, dass China generell sehr auf die USA als dominierende Großmacht fixiert ist, der es beikommen will. Die EU als militärisch bedeutungsloser Spieler schließt sich in diesem simplen Weltbild entweder den USA oder China an. In China ist die Annahme, Europa sei nur ein Anhängsel der USA, dermaßen verbreitet, dass sie kaum hinterfragt wird.

Nun wendet sich Borrell ausdrücklich gegen dieses Denkschema. Aus Sicht der Kommission in Brüssel unterschätzt Peking damit bei Weitem, wie viel eigene Gedanken sich Europa über die Welt macht – und wie viele Ressentiments in Europa gegenüber den USA bestehen.

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