Kiew bleibt optimistisch
Ukraine hofft auf nächsten EU-Durchbruch schon im Oktober - doch nun droht Polen
VonErkan Pehlivanschließen
Im Dezember könnten für die Ukraine offizielle Beitrittsverhandlungen mit der EU beginnen. Bis Oktober muss das Land dafür aber wichtige Reformen umsetzen.
Kiew – Obwohl es Spannungen zwischen der Ukraine, Ungarn und Polen gibt, erwarten Politiker in Kiew offiziell den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen im Dezember. Die Ukraine hat zuletzt dafür wichtige Reformen im Bereich Minderheitenrechte und Korruption auf den Weg gebracht.
Im Oktober wird nun die EU eine Bewertung abgeben. „Ich erwarte, dass es im Großen und Ganzen die Entscheidung geben wird, dass wir die Anforderungen ausreichend erfüllt haben“, sagte der stellvertretende Sprecher des ukrainischen Parlaments, Oleksandr Kornienko, der Kyiv Post.
Ukraine will in die EU - wichtiger Moment im Oktober
Die Ukraine strebt schon seit Jahren in die EU. Bereits am 19. Februar 2019 unterzeichnete der damalige Präsident Petro Poroschenko eine Verfassungsänderung, die die Ukraine verpflichtet, bis spätestens 2023 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU zu stellen. Am 28. Februar 2022, nur vier Tage nach dem vollständigen Einmarsch Russlands in die Ukraine, reichte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj diesen Antrag ein.
Allerdings ist das noch keine Garantie für eine Aufnahme in die EU. Der „Kandidatenstatus“ kann widerrufen werden und ist davon abhängig, dass die Ukraine in sieben Reformbereichen Fortschritte macht. Bis Oktober hat die Ukraine jetzt zu zeigen, ob sie Fortschritte in den Bereichen gemacht hat. Dann könnten die Beitrittsgespräche aufgenommen werden.
Selenskyj forderte Parlament auf, für EU-Reformen zu stimmen
In einer Rede vor dem ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, am 3. September forderte Selenskyj die Abgeordneten auf, für Reformen zu stimmen, die als Schlüssel zur europäischen Integration der Ukraine gelten. „Jedes dieser Gesetze ist von grundlegender Bedeutung. Und die Abstimmung über sie wird von grundlegender Bedeutung sein“, sagte der ukrainische Präsident.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am 13. September vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, dass die Ukraine seit der Erlangung des EU-Kandidatenstatus im letzten Jahr „große Fortschritte“ gemacht habe. Es liege aber noch viel Arbeit vor ihr. „Die Zukunft der Ukraine liegt in unserer Union“, betonte von der Leyen zugleich.
Ukraine-Aufnahme in die EU kann bis 2029 dauern - Polen droht Ukraine mit Blockade bei EU
Doch bis die Ukraine endgültig Mitglied werden würde, würde es noch einige Zeit dauern. Laut Kornienko könnte eine EU-Vollmitgliedschaft bis 2029 auf sich warten lassen. Dennoch können die Ukraine in der Zeit bis dahin mit der EU viel enger zusammenarbeiten als je zuvor. Jetzt gilt es allerdings für Kiew, bis zum nächsten Monat die von der EU gewünschten Reformen zumindest auf dem Papier umzusetzen, damit die Beitrittsgespräche Ende des Jahres offiziell beginnen können.
Doch der Streit mit Polen scheint immer mehr zum Problem zu werden. Der Minister für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Robert Telus, sagte im Zusammenhang mit dem Getreidestreit, dass Polen den künftigen Beitritt der Ukraine zur EU blockieren könnte. Im Oktober finden in Polen Parlamentswahlen mit potenziell umwälzenden Auswirkungen statt.
„Es ist normal, dass die Ukraine auf ihre eigenen Interessen achtet und es sich so einfach wie möglich machen möchte. Und wir kümmern uns um unsere eigenen. Für uns stehen die Interessen der polnischen Landwirte an erster Stelle“, sagte Telus in einem Radio-Interview. Ohne entsprechenden Schutz für die eigenen Landwirte werde die polnische Regierung einem Beitritt der Ukraine in die EU nicht zustimmen, so der Minister. Zuletzt hatte auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit einem neuen Ukraine-Kurs aufhorchen lassen.
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