Saporischschja
Nach Selenskyj-Klarstellung: Gegenoffensive „komplett gestoppt“? Russland preist eigene Kriegstaktik
VonNadja Orthschließen
Selenskyj bestreitet Probleme im Krieg gegen Russland. Gleichzeitig behauptet ein russischer Gouverneur, die Gegenoffensive in Saporischschja gestoppt zu haben.
Kiew - Ein russischer Gouverneuer behauptet, die ukrainische Gegenoffensive in der Region Saporischschja im Süden des Landes sei vollständig zerschlagen worden. Grund für den erfolgreichen Verlauf der Kämpfe sei die Taktik des Manöverkriegs, die Russland im Kampf gegen die Ukraine verfolgt. Die offizielle Erklärung folgt nur wenige Tage, nachdem der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj jegliche Rückschritte im Krieg gegen Russland abgestritten hatte.
Wie die staatliche Nachrichtenagentur tass berichtet, sagte der russiche Gouverneuer Jewgeni Balizkij auf einer Pressekonferenz am Montag, dass der „Feind“ in der stark umkämpften Region Saporischschja gestoppt worden sei. Auch „seine viel gepriesene Gegenoffensive wurde vollständig gestoppt“, so Balitsky. Das ukrainische Militär vor Ort habe nur noch aus dem Westen gelieferte Raketen, um russische Gebiete anzugreifen. „Das ist alles, was sie heute noch tun können, [wegen] der Widerstandsfähigkeit unserer Waffen, der Widerstandsfähigkeit unserer Kämpfer, der kompetenten Manöverabwehr. Unsere Streitkräfte haben die Gegenoffensive gestoppt.“
Laut russischem Gouverneuer: Gegenoffensive in Saporischschja dank Strategie „komplett gestoppt“
Laut dem Gouverneuer würden die Kämpfe in der Nähe der Dörfer Rabotino und Schtscherbaki in der Region von Saporischschja noch andauern, er bezeichnete sie aber als „praktisch die Sterbestunde des ukrainischen Regimes“. Die militärischen Kräfte seien demnach auch an diesen Standorten „vollständig erschöpft“. Als Grund für den Erfolg Russlands nennt Balizkij den Manöverkrieg gegen die Ukraine. Statt mit überlegener Kraft gegen den Gegner vorzugehen, versteht man unter dieser Kriegstaktik laut dem Modern War Institute eine „Kombination aus Vorwegnahme, Täuschung, Verlagerung und Störung, was zum moralischen Zusammenbruch führt“. Es wird versucht die Stärken des Feindes zu umgehen und gleichzeitig Schwächen auszunutzen. Damit würde letztendlich der „Wille und die Fähigkeit des Gegners zum Kampf zerstör[t]“ werden.
Die Behauptungen von russischer Seite können nicht unabhängig überprüft werden. Es steht damit Aussage gegen Aussage im Ukraine-Krieg. Zwar hatte zuletzt der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj bereits öffentlich Bedenken über den Krieg gegen Russland geäußert, dabei jedoch nicht von einer Niederlage gesprochen. Er sagte, dass „der technologische Fortschritt [uns] in eine Patt-Situation hineinmanövriert“ habe. Der Sieger wäre am Ende derjenige mit dem längeren Atem an Reserven.
Düstere Zeiten für die Ukraine? Selesnkyj bestreitet Schwierigkeiten im Krieg gegen Russland
Unterdessen hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Seenskyj am Samstag selbst eine „Pattsituation“ bestritten. „Die Menschen sind müde (...). Aber dies ist keine Pattsituation“, sagte der Staatschef bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kiew und widersprach damit Äußerungen des ukrainischen Oberbefehlshabers Walery Saluschny. Zeitgleich vermeldete die ukrainische Armee „erfolgreiche“ Angriffe auf eine Werft auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim.
Selenskyj wies bei der Pressekonferenz zudem die Annahme zurück, westliche Staaten würden Druck auf die Ukraine ausüben, damit diese Verhandlungen mit Russland aufnehme. „Keiner von unseren Partnern drängt uns, uns mit Russland zusammenzusetzen, mit ihm zu reden, ihm etwas zu geben“, sagte er zu Berichten über Diskussionen von US- und EU-Vertretern darüber, was derartige Friedensgespräche bedeuten würden. Der Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas lenke jedoch die internationale Aufmerksamkeit von der Ukraine ab. Dies sei „Russlands Ziel“, sagte er. Es sei „klar“, dass der Krieg im Nahen Osten „den Fokus wegnimmt“. Sein Land sei jedoch schon „in sehr schwierigen Situationen gewesen, als der Fokus kaum auf der Ukraine gelegen“ habe. Er sei „absolut sicher, dass wir diese Herausforderung bewältigen werden“. (nz mit afp-Material)
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