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Erdogan stellt klar: Türkei bleibt beim Veto gegen Schwedens Nato-Beitritt

  • Erkan Pehlivan
    VonErkan Pehlivan
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Präsident Erdoğan vertröstet Schweden: Das Land muss weiterhin auf einen Nato-Beitritt warten. Angeblich hat das Parlament noch Beratungsbedarf. Wirklich?

Ankara – Beim Nato-Gipfel im Juli in Vilnius hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versprochen, sein Veto gegen eine Mitgliedschaft Schwedens in dem Bündnis aufzugeben. Doch bislang hat die Türkei einer Nato-Mitgliedschaft des skandinavischen Landes noch nicht zugestimmt.

Auch bis zum anstehenden Treffen der Nato-Außenminister am 28. und 29. November dürfte das offizielle Genehmigungsverfahren der Türkei nicht abgeschlossen werden, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Das türkische Parlament hat der Nato mitgeteilt, das Verfahren nicht abzuschließen. Es gab Hoffnungen, dass die Türkei bis zur nächsten Woche ihre Zustimmung für Schwedens Beitritt geben wird.

Nato-Beitritt von Schweden: Parlamentskommission in der Türkei will weiter beraten

Ein Treffen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des türkischen Parlaments hatte eine Abstimmung verschoben, um zu dem Thema weitere Gespräche zu führen. Die Gespräche sollen jetzt nächste Woche am 28. und 29. November stattfinden, parallel zu dem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel.

Damit der Beitritt Schwedens ratifiziert werden kann, muss das Gesetz vom türkischen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten gebilligt werden, bevor es dem gesamten Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Das würde weitere Tage oder Wochen kosten. Erst dann würde Erdoğan das Gesetz unterzeichnen, um den Prozess abzuschließen.

Der türkische Recep Tayyip Erdoğan lässt den Nato-Beitritt Schwedens hinauszögern.

Türkei und die Nato: Erdogan will Zugeständnisse erpressen

Fachleute sehen darin politisches Kalkül: „Erdoğans Strategie in Bezug auf den schwedischen NATO-Beitrittsprozess besteht nicht darin, ihn prinzipiell abzulehnen, sondern in der Praxis Hindernisse aufzubauen und ihn so weit wie möglich zu verzögern. Er versucht dies, indem er verschiedene Methoden in verschiedenen Phasen des Prozesses anwendet. Dabei geht es einerseits darum, Putins Erwartungen zu erfüllen und enge Beziehungen zum Kreml aufrechtzuerhalten, und andererseits darum, von den westlichen NATO-Ländern, insbesondere Schweden, verschiedene Zugeständnisse zu erhalten“, sagt Bülent Keneş , in Schweden lebender Exiljournalist und Wissenschaftler im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA.

Durch die Verzögerung des Prozesses habe Erdoğan die Möglichkeit, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zufriedenzustellen, Druck auf Schweden auszuüben und F-16-Kampfjets von den USA und Eurofighter-Kampfjets von Europa zu kaufen.

Auf X schreibt der Vorsitzende der Verteidigungskommission und ehemalige Verteidigungsminister Hulusi Akar, dass die Türkei auch direkte Forderungen an Schweden habe. „Wir erwarten von Schweden, dass es seine Verpflichtungen aus dem auf dem Madrider Gipfel im Juni 2022 unterzeichneten trilateralen Memorandum erfüllt und konkrete Schritte unternimmt.“ Gemeint ist unter anderem die Auslieferung von „Terroristen“. Dabei geht es vor allem um kurdische Aktivisten und vermeintliche Anhänger der Gülen-Bewegung. Erdoğan hatte zudem vor den Kameras selbst die Auslieferung von Keneş gefordert.

Erdogan kann Druck von Nato-Partnern nicht lange standhalten

Eigentlich könne Erdoğan schon binnen kürzester Zeit ein Gesetz herausbringen, dass einen Beitritt Schwedens in die Nato möglich macht. „In der Türkei gibt es keine echte Gewaltenteilung mehr, und Erdoğan kann jedes Gesetz oder jeden Vertrag, den er will, innerhalb von 24 Stunden durch das Parlament, das zu seinem Apparat geworden ist, verabschieden“, so Keneş. „Es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass auch der Beitritt Schwedens innerhalb weniger Tage vom Parlament verabschiedet werden wird, wenn er genügend Druck von den großen Nato-Akteuren bekommt, einschließlich der Androhung von Sanktionen.“ Der türkische Präsident habe nicht die Macht, sich den großen Nato-Partnern zu widersetzen.

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