Kampfjets als Faustpfand

Trotz neuer Bedenken: Warum Erdogan einem Nato-Beitritt von Schweden zustimmen muss

  • Erkan Pehlivan
    VonErkan Pehlivan
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Erdogan blockt den Nato-Beitritt von Schweden ab - doch er wird wohl zustimmen müssen. Das Land braucht dringend neue Kampfflugzeuge aus den USA.

Ankara – Erneut stellt der türksiche Präsident Recep Tayyip Erdogan den Beitritt Schwedens in die Nato infrage. „Schweden hat Erwartungen, aber das bedeutet nicht, dass wir uns an diese Erwartungen halten“, sagte Erdogan nach seiner Reise aus Aserbaidschan. Das türkische Staatsoberhaupt wirft Schweden weiterhin vor, nicht entschieden genug gegen „Terrororganisationen“ vorzugehen.

Erdogan zum Nato-Beitritt Schweden muss seine Pflicht erfüllen

„Damit wir diese Erwartungen erfüllen können, muss vor allem Schweden seine Pflicht erfüllen“, forderte Erdogan laut der Zeitung Sabah. Schweden müsse zuallererst die Aktivitäten terroristischer Organisation zerstören. Gemeint sind vor allem Kurden und Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung. Schweden hatte seine Verfassung und Terrorgesetze wegen der Forderungen der Türkei bereits geändert. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte Anfang Juni bestätigt, Schweden habe alle Anforderungen Ankaras erfüllt. Erst kürzlich hatte das Oberste Gericht des Landes die erste Auslieferung eines PKK-Anhängers an die Türkei genehmigt.

Präsident Recep Tayyip Erdogan ist skeptisch über eine Nato-Mitgliedschaft von Schweden.

Erdogan fordert Eingreifen von Sicherheitskräfte gegen Kurden und Gülen-Bewegung

Erdogan hingegen gehen die Maßnahmen von Schweden nicht weit genug. Er fordert ein härteres Durchgreifen der Sicherheitskräfte gegen Kurden und Anhänger der Gülen-Bewegung. So verlangt Ankara auf die Verhaftung und Auslieferung von mehreren Dotzend Erdogan-Gegner, die auf einer übersandten Liste stehen sollen. Der türkische Präsident verwies dabei auf das Vorgehen des türkischen Militärs, etwa gegen Stellungen der PKK in den Bergregionen. „Sind wir etwa mit der Verfassung in die Verstecke dieser Terroristen ins Cudi-, Gabar- und Tendürek-Gebirge eingedrungen?“, fragte Erdogan provokant. Zudem fordert der türkische Präsident die Auslieferung mehrere Türkeistämmiger, die in dem Land Asyl erhalten haben, unter ihnen auch mehrere Journalisten.

Wahlkampf in der Türkei: Erdoğan vs. Kılıçdaroğlu - Das Duell um die Präsidentschaft

Ein Mann läuft an einem Bild von Recep Tayyip Erdogan und Kemal Kılıçdaroğlu vorbei.
Weiter mit Präsident Recep Tayyip Erdogan oder lieber mit Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu? Die Präsidentschaftswahlen in der Türkei am Sonntag, dem 14. Mai 2023, werden entscheiden, wer zukünftig das Land am Bosporus und seine 85 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner regieren wird. Längst tobt der Wahlkampf im ganzen Land, auch hier in der Millionen-Metropole Istanbul. © Emrah Gurel/dpa
CHP Anhänger feiern in Kocaeli den Kandidatend der Opposition, Kemal Kılıçdaroğlu.
Die Anhängerinnen und Anhänger von Kemal Kılıçdaroğlu hoffen auf einen personellen Wechsel an der Spitze der Türkei nach fast 20 Jahren mit Erdogan. Die Umfragen vor der Türkei-Wahl deuten auf einen Wechsel hin. CHP-Kandidat Kılıçdaroğlu liegt je nach Meinungsforschungsinstitut entweder vor Erdogan oder nur knapp hinter ihm. Entsprechend groß ist der Optimismus der Opposition wie hier in Kocaeli, wo Kılıçdaroğlu seinen Zuhörerinnen und Zuhörern die „Rückkehr des politischen Frühlings“ verspricht. © YASIN AKGUL/AFP
Kemal Kilicaroglu beim Wahlkampf in der Türkei
Wird er wirklich der nächste Präsident der Türkei? Kemal Kılıçdaroğlu ist seit 2010 Vorsitzender der sozialdemokratischen CHP, der größten Oppositionsfraktion im türkischen Parlament. Der studierte Wirtschaftswissenschaflter gilt als Finanzexperte. Er ist seit 1974 verheiratet und entstammt einer alevitischen Familie. Die Umfragewerte sprechen für den Herausforderer Erdogans. © Uncredited/dpa
Wahlkampf mit Erdogan vor der Türkei-Wahl in Istanbul
Doch schlechte Umfragewerte können anscheinend weder Präsident Recep Tayyip Erdoğan noch die Anhängerinnen und Anhänger seiner regierenden AKP entmutigen. Der Machthaber der Türkei tritt weiter selbstbewusst auf und spricht vor seinen Fans wie hier in Istanbul von nichts anderem als einem historischen Sieg über Kılıçdaroğlu und sein Oppositionsbündnis. © IMAGO/AK Party Office\ apaimages
Wahlkampf in der Türkei: Millionen Menschen jubeln in Istanbul Erdogan zu
Laut eigenen Angaben versammelte Recep Tayyip Erdogan allein in Stanbul zuletzt 1,5 Millionen Menschen zu einer Wahlkampfveranstaltung. Die dabei entstandenen, imposanten Bilder sind ein klares Signal an Kemal Kılıçdaroğlu und sein Oppositionsbündnis: Die AKP gibt sich noch längst nicht geschlagen. Erdogan bleibt ein siegessicherer Amtsinhaber. © afp
Putin besucht Erdogan in der Türkei
Als amtierender Präsident ist sich Recep Tayyip Erdoğan nicht zu schade, seinen Amtsbonus im Vorfeld der Wahl voll auszunutzen. Dabei kommt ihm auch ein alter Verbündeter offenbar gerne zu Hilfe: Wladimir Putin, hier bei einem Besuch in Ankara, der Hauptstadt der Türkei im Jahr 2022. Im Wahljahr inszenierte sich Erdoğan bereits mehrfach als Vermittler im Ukraine-Krieg - bislang jedoch ohne nennenswerten Erfolg.  © MURAT KULA/AFP
Ekrem İmamoğlu mit Ehefrau im Wahlkampf der Türkei in Istanbul.
Doch der Wahlkampf in der Türkei bleibt nicht immer friedlich. Diese Erfahrung musste Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, wie Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu Mitglied der CHP, machen. Der Bürgermeister, hier mit seiner Frau Dilek İmamoğlu, wurde auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Erzurum mit Steinen attackiert. İmamoğlu musste den Auftritt abbrechen und fliehen. Die Provinz Erzurum in Ostanatolien gilt als Hochburg Erdogans und seiner nationalkonservativen AKP. © IMAGO/Tunahan Turhan
Lebensmittelgeschäft in der Türkei kurz vor der Präsidentschaftswahl
Neben dem Erdbeben ist vor allem die wirtschaftliche Lage des Landes das bestimmende Thema im Wahlkampf in der Türkei. Die Inflationsrate hat astronomische Höhen erreicht, der Wert der Türkischen Lira befindet sich im freien Fall. Zwar konnte die AKP-Regierung die Teuerungsrate zuletzt wieder senken, sie liegt aber weiterhin jenseits der 50 Prozent. Unter Experten gilt auch die Politik Erdogans als verantwortlich für die wirtschaftlichen Probleme der Türkei. © ADEM ALTAN/AFP
Erdbebenkatastrophe in der Türkei in der Stadt Antakya
Kurz vor der Wahl wurde die Türkei von einer der schlimmsten Naturkatastrophen in der jüngeren Vergangenheit heimgesucht. Ein Erdbeben am 6. Februar kostete mehr als 50. Menschen in der Türkei das Leben. Nach dem Beben geriet auch die AKP-Regierung von Recep Tayyip Erdogan in die Kritik. Der Präsident hatte in den Jahren vor der Katastrophe zahlreiche Bauvorschriften, die Gebäude erbebensicher gemacht hätten, aufgeweicht und Gelder, die für den Katastrophenschutz gedacht waren, anderweitig eingesetzt. © Boris Roessler/dpa
Atatürk-Banner vor den Wahlen in der Türkei.
Doch gewählt wird in der Türkei nicht nur der Präsident. Auch die Neubesetzung des türkischen Parlaments entscheidet sich am 14. Mai 2023, das 600 Mitglieder umfasst. Recep Tayyip Erdogan hatte die Macht des Parlaments in seiner Amtszeit zugunsten des Präsidenten geschwächt. Kemal Kilicdaroglu hat versprochen, diese Änderungen bei einem Wahlsieg rückgängig zu machen und so die einst von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gegründete Republik in der Türkei vor autokratischen Umtrieben zu schützen. © Francisco Seco/dpa

Die regierungsnahe Zeitung Sabah feiert die Worte von Erdogan als Erfolg. „Schweden ist in Panik!“, titelte das Blatt. „Schweden stellt sich nur eine Frage: Werden wir Mitglied der Nato“, schreibt die Sabah. Die PKK würde sich in Schweden frei bewegen ud das Land würde die LGBT-Community in der Türkei finanzieren.

Mitgliedschaft bis Nato-Gipfel im Juli dennoch möglich

Schweden hofft, bis zum Gipfel des Verteidigungsbündnisses in Vilnius Mitglied der Allianz zu werden. Und Erdogan braucht den Westen. Das Land ist wirtschaftlich stark angeschlagen und auch seine Luftwaffe ist veraltet. Ankara versucht daher seine alte Flotte von F-16 zu modernisieren und auch neue Maschinen aus den USA zu kaufen. Bislang hatte Washington dem Verkauf nicht zugestimmt. Allerdings könnte Erdogan im Gegenzug für die Lieferungen von Militärtechnologie sein Veto gegen einen Nato-Beitritt Schwedens aufheben. (Erkan Pehlivan)

Rubriklistenbild: © Nedim Enginsoy/dpa