Schwierige Gespräche

John Kerry in Peking: China und die USA wollen weiter übers Klima verhandeln – „kein einmaliges Treffen“

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
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Taugt ausgerechnet die Klimapolitik zum Neustart der Beziehungen zwischen den USA und China? John Kerry spricht sich in China dafür aus, doch Peking mauert.

Peking/Frankfurt – John Kerry stieg aus dem Flugzeug und mitten hinein in die Klimakrise. Als der US-Klimabeauftragte am Sonntag in Peking ankam, herrschte in Chinas Hauptstadt drückende Hitze. Die Volksrepublik leidet seit Wochen unter einer extremen Hitzewelle, in Sanbao im Nordwesten des Landes stieg die Temperatur am Sonntag gar auf 52,2 Grad Celsius, die höchste jemals in China gemessene Temperatur. Dringlicher konnte das Wetter den beiden Großmächten und größten Treibhausgas-Emittenten nicht signalisieren: Ihr müsst etwas tun.

Drei Tage später sprach Kerry am Mittwoch von „konstruktiven, aber komplizierten“ Gesprächen. Stundenlang hatte er in den Tagen zuvor mit seinem Counterpart, dem erfahrenen Klimadiplomaten Xie Zhenhua, zusammengesessen und zudem Spitzendiplomat Wang Yi, Ministerpräsident Li Qiang und Vizepräsident Han Zheng getroffen. „China und die USA haben ähnliche Vorstellungen und eine ähnliche Vergangenheit beim Umgang mit dem Klimawandel“, sagte Xie Zhenhua am Montag gegenüber der Presse. Kerry betonte, dass man „zwingend echte Fortschritte“ machen müsse.

China und die USA sind die größten Emittenten von Treibhausgasen: Zusammenarbeit ist entscheidend

Am Ende der Reise kündigte Kerry weitere Gesprächsrunden an. Man werde in den kommenden Wochen „intensiv“ gemeinsam arbeiten, um sich auf die wichtige COP28-Klimakonferenz in Dubai vorzubereiten. „Dies war kein einmaliges Treffen“, sagte Kerry und betonte, dass die Verringerung von Nicht-CO2-Emissionen wie Methan und die Abkehr von der Kohleabhängigkeit ein zentraler Bestandteil seiner Gespräche waren. „Wir sind schon dabei, den Zeitpunkt für unser nächstes Treffen festzulegen, und sogar für das übernächste.“ Der nach einem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan im August 2022 unterbrochene Klimadialog, er wurde offenbar wieder aufs Gleis gesetzt.

Das sind Die Kooperation der beiden größten Emittenten ist entscheidend für den Erfolg des globalen Klimaschutzes. Derzeit ist China nach Daten der EU-Kommission für 32,6 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, die USA für 12,6 Prozent. Doch die USA emittierten über das gesamte industrielle Zeitalter hinweg mehr als jede andere Nation. Da vor allem Kohlenstoffdioxid jahrhundertelang in der Atmosphäre verbleibt, sind diese sogenannten „historischen Emissionen“ eine wichtige Größe.

Beide, China und die USA, haben etwas weniger ehrgeizige Reduktionsziele als die EU, aber setzen inzwischen durchaus gewichtige Akzente. US-Präsident Joe Biden etwa stellte mit seinem „Inflation Reduction Act“ ein riesiges Subventionspaket für klimafreundliche Technologien auf die Beine. Und kein Land baut mehr Solar- und Windkraftanlagen als China. Beide Staaten haben sich in einer gemeinsamen Erklärung 2021 ausdrücklich zur Zusammenarbeit in diesem Bereich verpflichtet. Premier Li Qiang wünschte sich nun mehr Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen die Erderwärmung. Dies sei nicht nur im Interesse beider Länder, sondern der ganzen Welt.

Kerry: Klimaschutz von gepolitischen Spannungen lösen

Trotzdem drängten sich die geopolitischen Konflikte zwischen Peking und Washington immer wieder zwischen die konkreten Themen. Wichtiger Streitpunkt war die Frage, inwieweit sich eine Klima-Kooperation losgelöst von all den Krisenthemen betreiben lässt: Handelskrieg, Taiwan, Chinas Unterstützung für Russland. Kerry ist dafür: Die Klimakrise sei eine „universelle Bedrohung“, die getrennt von allgemeineren diplomatischen Fragen als „eigenständige“ Herausforderung behandelt werden sollte, sagte er beim Treffen mit Han Zheng am Mittwoch.

Doch China spielt dabei bisher nicht mit. Kerrys Gesprächspartner machten mehrfach deutlich, dass es für Peking keine Option sei, in Klimafragen konstruktiv mit den USA zusammenzuarbeiten, sich aber in allen anderen Bereichen weiter von Washington unter Druck setzen zu lassen. Der Dialog müsse auf Augenhöhe geführt werden, sagte etwa Diplomat Wang Yi. Kerry wiederum drückte gegenüber Wang die Hoffnung aus, dass seine Gespräche in Peking einen Neuanfang für die beiden Länder bedeuten könnten und dass sie „die Beziehungen auf breiter Ebene zu verändern beginnen“.

Staatschef Xi Jinping höchstselbst betonte am Mittwoch bei einem Politbüro-Treffen, dass China sich keinesfalls reinreden lasse. China werde „unerschütterlich“ an seinen Klimazielen festhalten, so Xi. Aber der Weg dorthin, das Tempo sowie die Intensität der Anstrengungen müssten von seinem Land selbst bestimmt werden.

USA und China: Vorsichtige Öffnung der Gesprächskanäle

Die Voraussetzungen für mehr Kooperation sind also gut und schlecht zugleich. Die schlechten Beziehungen belasten derzeit so ziemlich jedes Fachthema. Doch zumindest ist beiden der Ernst der Lage bewusst, denn sowohl China als auch die USA sind bereits schwer von Klimaschäden betroffen – von Hitze, Dürre, Überschwemmungen. Am Dienstag veröffentlichte Greenpeace East Asia eine Studie, wonach in China Kulturstätten aus dem UNESCO-Welterbe durch Starkregen infolge des Klimawandels bedroht seien, darunter ein Höhlenkloster aus dem 4. Jahrhundert.

Kerry ist nun immerhin der dritte hochrangige US-Politiker, der innerhalb weniger Wochen nach Peking gereist ist. Kurz vor ihm waren Außenminister Antony Blinken und Finanzministerin Janet Yellen dort gewesen. Am Dienstag wurde zudem überraschend bekannt, dass der 100 Jahre alte frühere US-Außenminister und Sicherheitsberater Henry Kissinger in Peking mit Wang Yi sowie mit Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu zusammengetroffen war. Ob der Besuch des überzeugten Realpolitikers Kissinger Erfolg hatte, ist nicht bekannt. Doch es bleibt zu hoffen, dass die aktive Reisediplomatie wieder Bewegung in die Politik bringt. Das Weltklima hätte es nötig.

Rubriklistenbild: © FLORENCE LO/AFP