Oberstes US-Gericht

Supreme-Court-Entscheidung zu Trump „keineswegs ein Sieg“

  • Stefan Krieger
    VonStefan Krieger
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Trump feiert das Urteil des Supreme Courts als „großen Sieg für Amerika“. Doch viele Fachleute werten die Entscheidung differenzierter.

Washington, DC. – Donald Trump zeigte sich erwartungsgemäß euphorisch und sprach von einem „großen Sieg für Amerika“. Im Rechtsstreit um die Teilnahme des ehemaligen Präsidenten an den Vorwahlen der US-Republikaner hatte der Supreme Court, das Oberste Gericht des Landes, eine Richtungsentscheidung gefällt: Die fünf Richter und vier Richterinnen sprachen dem Bundesstaat Colorado einstimmig das Recht ab, den Rechtspopulisten von den Vorwahlen ausschließen zu können. Eine solche Entscheidung stehe nur dem Kongress zu, erklärten sie. Angesichts der Bedeutung auch für andere Bundesstaaten zeigte sich Trump euphorisch und sprach von einem „großen Sieg für Amerika“.

Das Oberste Gericht von Colorado hatte im Dezember entschieden, dass Trump wegen seiner Rolle bei der Kapitol-Erstürmung am 6. Januar 2021 nicht bei der Abstimmung der Republikaner in dem Bundesstaat über ihren Präsidentschaftskandidaten antreten darf. Daraufhin hatte Trump den Supreme Court in Washington angerufen.

Trump darf in Colorado zu den Vorwahlen der Republikaner antreten

Ohne sich inhaltlich zur Rolle Trumps bei der Kapitol-Erstürmung zu äußern, entschied das Oberste Gericht nun, dass der 77-Jährige in Colorado nicht von den Vorwahlen ausgeschlossen werden dürfe. Zur Begründung führte das Gericht an, dass nur der US-Kongress und nicht ein einzelner Bundesstaat das Recht für eine solche Ausschluss-Entscheidung habe. Damit setzte es auch ein klares Zeichen für andere Bundesstaaten, in denen es ähnliche Bestrebungen wie in Colorado gab und gibt.

Donald Trump: Voll des Lobes für den Supreme Court.

Allerdings verzichtete der Supreme Court darauf, sich zu der Frage zu äußern, ob Trump beim Sturm aufs Kapitol einen Aufstand angezettelt hatte oder nicht – obwohl das Gericht durchaus die Möglichkeit dazu gehabt hätte. „Das Gericht hatte die Möglichkeit, sich direkt mit dem Aufstandsurteil der Gerichte in Colorado zu befassen und es aufzuheben. Was auch dazu geführt hätte, dass ähnliche Urteile in Maine und Illinois aufgehoben worden wären – aber das hat es nicht getan“, sagte der ehemalige US-Botschafter Norm Eisen gegenüber dem Portal Newsweek.

Urteil ist kein voller Sieg für Trump

Auch der ehemalige stellvertretende Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten, Neal Katyal, stimmte dem grundsätzlich zu. Gegenüber Newsweek äußerte er, dass das Urteil zwar ein Sieg für Trump war, aber keinesfalls das, was sich Trump erhofft hatte: Nämlich den ehemaligen Präsidenten grundsätzlich vom Vorwurf des Aufrufs zu einem Aufruhr zu befreien. Katyal: „Das Gericht hat nicht getan, worum er gebeten hat; es hat ihn nicht freigesprochen. Und die Entscheidung lässt Raum für seinen Strafprozess.“

In Colorado betonte die Bürgerbewegung „Crew“, die das Ausschlussverfahren in dem Bundesstaat in Gang gesetzt hatte, es handele sich „keineswegs um einen Sieg für Trump“. Das Oberste Gericht habe nicht inhaltlich geurteilt, sondern nur „technische juristische Gründe“ angeführt, erklärte Crew-Präsident Noah Bookbinder.

Oberster Gerichtshof in den USA: Das sind die Richter und Richterinnen des Supreme Court

Die aktuelle Besetzung des Supreme Court of the United States.
Der Supreme Court of the United States ist seit dem Jahr 1790 das oberste rechtsprechende Organ der USA und tagt in Washington. Insgesamt gibt es am Supreme Court neun Richter und Richterinnen, die vom amtierenden US-Präsidenten auf Lebenszeit ernannt werden. Die Gesamtbesetzung besteht aus dem Chief Justice, dem obersten Richter der Vereinigten Staaten, und den Associate Justices, den acht beigeordneten Richtern und Richterinnen. © Imago/Supreme Court of the United States
Oberster Richter der Vereinigten Staaten, John Roberts.
Er ist der oberste Richter der Vereinigten Staaten: Der 67-Jährige John Roberts wurde im Jahr 2005 vom damals amtierenden Präsidenten George W. Bush als Nachfolger von Sandra Day O’Connor ernannt. Vom 16. Januar 2020 bis zum 5. Februar 2020 leitete er das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump im Senat. John Roberts ist seit 1996 mit der Rechtsanwältin Jane Marie Sullivan verheiratet und hat zwei adoptierte Kinder, Jack und Josie.  © IMAGO/Pool via CNP /MediaPunch
Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Clarence Thomas.
Clarence Thomas ist seit dem Jahr 1991 Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Er identifiziert sich in der Gesellschaftspolitik mit konservativen und katholischen Positionen. Der 74-Jährige ist bekannt dafür, bei Verhandlungen keine Fragen zu stellen. 1984 ließ er sich von seiner ersten Frau Kate Ambush scheiden, mit der er seit 1971 verheiratet gewesen war. Im Jahr 1987 heiratete er Virginia „Ginni“ Lam. Sie geriet in den Fokus der Ermittlungen zum Sturm auf das Kapitol in Washington 2021. Per SMS soll sie Mark Meadows, den ehemaligen Stabschef im Weißen Haus, aufgefordert haben, alles zu tun, „um die Wahl von 2020 rückgängig zu machen“.  © IMAGO/Eric Lee
Richter des Obersten Gerichtes Supreme Court, Samuel Alito.
Samuel Alito ist seit 2006 Teil des Supreme Court. Alito kam in New Jersey als Sohn italienischer Einwanderer zur Welt .Er ist Katholik und hat mit seiner Frau Martha-Ann einen Sohn und eine Tochter. Alito neigt dazu, den Auffassungen von Exekutivbehörden großes Gewicht zuzumessen, vor allem in Straf- oder Einwanderungsverfahren. Dementsprechend fallen seine Urteile oft zuungunsten von Angeklagten, Asylsuchenden oder Einwanderern aus.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richtern im Obersten Gerichtshof in den Vereinigten Staaten, Sonia Sotomayor.
Ihr wurde Rassismus vorgeworfen: Die 68-jährige Sonia Sotomayor ist seit 2009 Richterin am Obersten Gerichtshof. US-Präsident Barack Obama nominierte sie für dieses Amt. Sonia Sotomayor, deren Eltern aus Puerto Rico stammen, wuchs in der Bronx auf. Erst nach dem Tod ihres Vaters, als sie neun Jahre alt war, erlernte Sotomayor die englische Sprache fließend, da der Vater zuvor nur Spanisch mit ihr gesprochen hatte. Sotomayor wurde im Zuge ihrer Nominierung vom republikanischen Politiker Newt Gingrich Rassismus vorgeworfen. Sie hatte in einer Rede 2001 die Erfahrung einer „weisen Latina“ („wise latina“) als höherwertig als die eines männlichen Weißen dargestellt.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richterin am Supreme Court der Vereinigten Staaten, Elena Kagan.
Elena Kagan ist seit Anfang August 2010 Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Sie ist das 112. Mitglied des Obersten Gerichts und die vierte Frau in diesem Amt. Ihre Nominierung wurde kritisiert, weil Kagan nie als Richterin an einem Gericht tätig war. Vereinzelt wurde vermutet, sie sei mehr politische Aktivistin als Juristin. Die Anhörungen im Senat dauerten etwa einen Monat. Letztendlich wurde ihre Ernennung durch den Senat mit 63:37 Stimmen bestätigt. © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Neil Gorsuch.
Er wurde von Donald Trump nominiert: Neil Gorsuch ist seit 2017 Richter am Supreme Court. Er nahm die nach Antonin Scalias Tod über ein Jahr vakante Stelle ein. Zuvor war der als konservativ geltende Gorsuch von 2006 an Bundesrichter gewesen. Neil Gorsuch ist der Sohn von Anne Gorsuch Burford, die von 1981 bis 1983 im Kabinett Reagan die erste Administratorin der Environmental Protection Agency (EPA) war. Der 55-Jährige ist verheiratet und hat zwei Töchter.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Brett Kavanaugh.
Er sorgte für Wirbel und FBI-Ermittlungen: Brett Kavanaugh ist seit 2018 ist er Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Als seine Ernennung durch den Senat der Vereinigten Staaten geprüft wurde, warfen ihm mehrere Frauen vor, sie in seiner Jugend sexuell bedrängt zu haben. Diese Vorwürfe und sein Verhalten vor dem Justizausschuss führten zu heftigen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Daraufhin eingeleitete Ermittlungen des FBI, ebenso wie die sechs bereits zuvor vom FBI durchgeführten Background-Checks, bestätigten die Vorwürfe nicht. Seit 2004 ist Kavanaugh mit der ehemaligen persönlichen Sekretärin von George W. Bush verheiratet und hat zwei Töchter mit ihr.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Amy Barrett.
Amy Coney Barrett wurde am 26. September 2020 von Donald Trump als Nachfolgerin der am 18. September 2020 verstorbenen langjährigen Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Ruth Bader Ginsburg, nominiert. Barrett wurde mit der Mehrheit von 52 gegen 48 Stimmen vom Senat der Vereinigten Staaten bestätigt. Die 50-Jährige wird häufig als „biegsam und manipulierbar“ kritisiert. Barrett ist seit 1999 mit dem Rechtsanwalt Jesse M. Barrett verheiratet. Das Ehepaar hat sieben Kinder, darunter zwei ursprünglich aus Haiti stammende Adoptivkinder. Eines ihrer leiblichen Kinder hat das Down-Syndrom. © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richterin am Obersten Gerichtshof, Ketanji Brown Jackson.
Sie ist die erste schwarze Frau im Supreme Court: Ketanji Brown Jackson wurde in diesem Jahr von Präsident Joe Biden für das Amt nominiert. Vom Senat wurde sie mit 53 Ja-Stimmen bei 44 Nein-Stimmen bestätigt. Dabei erhielt sie die Zustimmung aller Senatoren aus der Fraktion der Demokraten, während von den Republikanern nur Susan Collins, Lindsey Graham und Lisa Murkowski mit „Ja“ stimmten. Politische Kommentatoren erwarten, dass Jackson eine verlässliche liberale Stimme im Supreme Court sein wird. © IMAGO/Eric Lee

Trump sieht das selbstverständlich anders. Der 77-Jährige erklärte nach der Entscheidung, die Richter hätten „schnell, gründlich und brillant“ gearbeitet. „Man kann nicht jemanden aus dem Rennen werfen, nur um einem Kontrahenten einen Gefallen zu tun“, sagte er in einer Videobotschaft aus seiner Privatresidenz in Florida. Die Entscheidung des Supreme Courts passte ihm zeitlich natürlich perfekt: Sie erfolgte genau einen Tag vor den Entscheidungen am Super Tuesday, bei dem die Wählerinnen und Wähler in 15 Bundesstaaten in Vorwahlen über die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner zur US-Wahl 2024 abstimmen. (skr mit afp)

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