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Trump vor Gericht: Alle laufenden Klagen gegen den Ex-Präsidenten
VonChristian Stör
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Seit Jahrzehnten ist Donald Trump in Skandale verwickelt, die andere längst zu Fall gebracht hätten. Nicht aber ihn. Jetzt sitzt ihm allerdings die Justiz im Nacken. Ein Überblick.
Washington, D.C. - Donald Trump ist ein Phänomen. Seit Jahrzehnten ist der 77-Jährige in Skandale und Rechtsstreitigkeiten verwickelt - ob als Geschäftsmann oder als US-Präsident. Den Republikaner kümmert das alles herzlich wenig. Und warum auch? Bisher hat nichts und niemand ihn bremsen können. Immer wieder ist es ihm gelungen, politische Affären und juristische Ermittlungen zu überstehen. Sein Satz aus dem Wahlkampf 2016 bringt seine unangefochtene Stellung innerhalb der Rechten in den USA vielleicht am besten auf den Punkt: „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine einzige Stimme verlieren“, sagte er damals.
Ob das aber auch heute noch gilt? Immerhin muss sich Trump inzwischen in zwei Strafverfahren vor Gericht verantworten, weitere Klagen könnten demnächst hinzukommen. Im März erfolgte zunächst die Anklage in New York im Verfahren um die Schweigegeldzahlung an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels. Das war aber nur ein Vorspiel. Im Juni folgte in Miami die Anklage auf Bundesebene wegen des Verdachts auf Unterschlagung von Geheimdokumenten. Die Anklagen sind Präzedenzfälle – nie zuvor ist ein ehemaliger Präsident der USA damit konfrontiert worden. Doch sind das nicht die einzigen Vorgänge, die juristisch für Trump zu einem Problem werden könnten. Die Ermittlungen rund um den früheren US-Präsidenten sind in der Tat mannigfaltig.
Klage gegen Donald Trump: Affäre um Geheimdokumente
Seit Monaten hat Sonderermittler Jack Smith einen der heikelsten Jobs in der Justizgeschichte der Vereinigten Staaten. Der Staatsanwalt führt Ermittlungen gegen einen früheren Präsidenten - unter anderem in der Affäre um Geheimdokumente der Regierung. Die Bundespolizei FBI hatte im August 2022 Donald Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida durchsucht und dort zahlreiche Verschlusssachen aus seiner Amtszeit beschlagnahmt, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Mar-a-Lago ist auch ein Club mit Zimmern für zahlende Gäste und öffentlichen Veranstaltungen. Dadurch, dass Trump vertrauliche Regierungsdokumente nach seiner Amtszeit in privaten Räumen aufbewahrte, könnte er sich strafbar gemacht haben.
Vorgeworfen wird ihm eine Verschwörung zur Behinderung der Ermittlungen und die gesetzeswidrige Aufbewahrung sensibler Informationen. Darunter waren laut Anklage Details zu nuklearen Fähigkeiten der USA und anderer Staaten, zu militärischen Schwachstellen in der Verteidigung der Vereinigten Staaten und ihrer Partner sowie Informationen über potenzielle Militäraktionen. Sollte der Republikaner verurteilt werden, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Eine von Trump nominierte Richterin ist nun vorerst für den Fall zuständig. Aileen Cannon hatte zu Beginn der Ermittlungen in der Affäre bereits zu Trumps Gunsten entschieden.
Trotz Anklage kann Trump bei der Präsidentschaftswahl 2024 für seine Partei kandidieren. Auch eine Verurteilung hat juristisch gesehen nicht zwangsläufig zur Folge, dass Trump das Amt des US-Präsidenten nicht noch einmal ausüben könnte. Einen Präsidenten, der hinter Gittern sitzt, hat es in der US-Geschichte allerdings noch nicht gegeben - hier dürfte es zumindest praktische Hürden geben.
Wahlmanipulation in Georgia? Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Trump
Derweil droht Trump auch im Bundesstaat Georgia eine Anklage. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Trump wegen möglicher Manipulation der US-Wahl 2020. Georgia hatte zu den Bundesstaaten gehört, die für den Ausgang der Präsidentschaftswahl eine Schlüsselrolle spielten. Nach dem offiziellen Ergebnis lag Biden nur knapp vor Trump - was diesen dazu veranlasste, selbst aktiv zu werden. Unverblümt forderte er Georgias Wahlleiter Brad Raffensperger in einem Telefonat auf, genügend Stimmen für seinen Wahlerfolg in Georgia zusammenzubringen. Eine Aufnahme des 67-minütigen Gesprächs wurde damals an die Medien weitergegeben. Darin war unter anderem zu hören, wie Trump sagt: „Ich will nur 11.780 Stimmen finden.“
In den vergangenen Monaten untersuchte eine Special Grand Jury den Fall, die in dieser Zeit zahlreiche Aussagen von Beteiligten aufnahm. Unter den Befragten waren auch Trumps früherer Privatanwalt Rudy Giuliani und sein einstiger Stabschef Mark Meadows, Trump selbst wurde nicht als Zeuge vorgeladen. In den Auszügen des Berichts hieß es, es gebe den Verdacht, dass einer oder mehrere Zeugen bei den Anhörungen Falschaussagen gemacht hätten. Das Gremium empfahl der zuständigen Staatsanwaltschaft deshalb, dem nachzugehen und im Zweifel eine Strafverfolgung einzuleiten.
Bei der Vorlage des Abschlussberichts wollte sich die Jury-Vorsitzende Emily Kohrs nicht eindeutig zur Frage äußern, ob die Jury empfohlen hätte, Trump persönlich anzuklagen, stellte gleichwohl aber klar, dass in diesem Fall keine Raketenwissenschaft zu betreiben sei: „Sie werden nicht allzu überrascht sein.“ Fachleuten zufolge könnten Trump gleich mehrere Straftaten vorgeworfen werden, unter anderem:
Aufforderung zum Wahlbetrug
Beeinträchtigung von Vorwahlkampf und Wahlen
Komplott im Zusammenhang mit seinem Telefonat mit Raffensperger
Noch aber gibt es keine Antwort auf die Frage, ob die Untersuchung in Georgia rechtliche Konsequenzen für Trump haben könnte. Die zuständige Staatsanwältin Fani Willis untersucht derzeit noch, ob sich Trump versuchter Wahlbeeinflussung schuldig gemacht hat. Sie will wahrscheinlich im August entscheiden, wie sie weiterverfahren wird. Zur Erhebung einer möglichen Anklage müsste dann eine reguläre Grand Jury eingesetzt werden. Ein solches Gremium von Geschworenen untersucht nach der Vorlage von Beweismitteln durch die Staatsanwaltschaft Straftaten und entscheidet, ob Anklage erhoben werden soll.
Grand Jury in den USA
Die Grand Jury ist eine Besonderheit im Strafrecht der USA. Laienrichterinnen und Laienrichter prüfen in einem nicht öffentlichen Verfahren, ob die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise für eine Anklage und einen eventuellen Prozess ausreichen. Im Vergleich zu einer regulären Jury ist die Zahl der Geschworenen deutlich höher. So besteht eine Grand Jury nach US-Bundesrecht aus 16 bis 23 Personen.
Die Grand Jury geht auf die englische Magna Charta von 1215 zurück. Damals wurde sie als Instanz gegen willkürliche Justiz festgeschrieben. Die USA sind von allen Ländern im angloamerikanischen Raum heute das letzte verbliebene Land, das noch immer eine Grand Jury einsetzt. Es gibt sie in den meisten Bundesstaaten, allerdings sind sie nur in etwa der Hälfte auch Vorschrift.
Sonderermittler untersucht Trumps Rolle beim Sturm aufs Kapitol
Donald Trump hat noch mit weiteren juristischen Problemen zu kämpfen. So untersucht der vom Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Jack Smith außer der Affäre um die Geheimdokumente auch noch Trumps Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Nach einer aufhetzenden Trump-Rede hatten die Fans des damals noch amtierenden Präsidenten gewaltsam den Kongresssitz in Washington erstürmt. Sie wollten damals verhindern, dass der Kongress den Wahlsieg von Trumps Amtsnachfolger Joe Biden offiziell macht. Ein Untersuchungsausschuss im Repräsentantenhaus hat die Attacke über Monate aufgearbeitet und empfohlen, Trump in vier Punkten anzuklagen:
Behinderung eines offiziellen Verfahrens
Verschwörung zum Betrug der Vereinigten Staaten
Verschwörung zur Abgabe falscher Angaben
Anstiftung oder Unterstützung von Aufruhr
Eine Anklage gibt es in diesem Fall derzeit noch nicht. Mit Blick auf die Frage nach dem Ausschluss von politischen Ämtern ist dies aber ein besonders spannender Fall, denn Trump könnte wegen des seltenen Straftatbestands des Aufruhrs angeklagt und verurteilt werden. Laut Verfassung sind all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben.
Schweigegeldaffäre: Trump wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen angeklagt
Ende März ist Trump im US-Bundesstaat New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels angeklagt worden. Hintergrund ist hier vor allem, dass Trump kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten 130.000 Dollar Schweigegeld an Daniels hatte zahlen lassen. Diese hatte behauptet, mit ihm eine Affäre gehabt zu haben - kurz nachdem dessen Ehefrau 2006 den gemeinsamen Sohn auf die Welt gebracht hatte. Trump bestreitet dies, nicht aber, dass Geld geflossen ist.
Schweigevereinbarungen zwischen zwei Parteien sind an sich nicht illegal. Trump wird aber vorgeworfen, er habe die Zahlungen unrechtmäßig verbucht, auf illegale Weise zu verschleiern versucht und damit andere Gesetzesverstöße vertuschen wollen. Vor allem habe er schädliche Informationen und rechtswidrige Taten vor und nach der US-Wahl 2016 verbergen wollen, um seine Chancen bei der Abstimmung zu verbessern. Nach den New Yorker Wahlgesetzen ist es strafbar, einen Komplott zu schmieden, um einen Kandidaten bei einer Wahl mit unrechtmäßigen Mitteln voranzubringen.
Insgesamt legt ihm die Staatsanwaltschaft die Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen zur Last. Bei vier Jahren Haft pro Anklagepunkt könnte Trump also rein theoretisch zu 136 Jahren Gefängnis verurteilt werden. Der Beginn seines Prozesses wurde vorläufig auf März 2024 festgelegt.
Verleumdungsklage: US-Autorin geht wegen Beleidigung gegen Trump vor
Zudem wird sich Trump auch im Zusammenhang mit einer erneuten Verleumdungsklage der US-Autorin E. Jean Carroll vor Gericht verantworten müssen. Der Beginn des Prozesses wurde von einem Bundesrichter in New York vorläufig auf Januar 2024 festgelegt. Kurz nach der Verurteilung Trumps zu einer Entschädigung in Millionenhöhe wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung im Mai hatte Carroll bekannt gemacht, erneut gerichtlich gegen den Trump vorzugehen. Grund dafür seien Beleidigungen, die Trump am Tag nach dem Urteil im Sender CNN gegen die Carroll ausgesprochen habe.
Eine New Yorker Jury hatte es als erwiesen angesehen, dass Trump die Autorin 1996 in einem New Yorker Nobelkaufhaus angegriffen und missbraucht hatte. Die Jury ordnete an, dass Trump insgesamt fünf Millionen Dollar an die heute 79-Jährige zahlen muss. Trump legte Berufung gegen das Urteil ein. Am Tag nach dem Urteil leugnete Trump bei CNN erneut Carrolls Darstellung des Vorfalls und warf der Autorin vor, es handle sich um eine „erfundene Geschichte“. Trump behauptete zudem, er habe Carroll niemals getroffen und nannte sie eine „Verrückte“.
Donald Trumps Skandale, Fehltritte und Eklats in der Übersicht
Bereits im September 2022 hat die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James eine umfangreiche Zivilklage wegen Betrugs vorgelegt, die sich unter anderem gegen Trump, sein Unternehmen und die drei Kinder Ivanka Trump, Donald Trump Jr. und Eric Trump richtet. Den Vorwürfen zufolge sollen die Angeklagten ihre Finanzen je nach Bedarf größer oder kleiner gerechnet haben, um beispielsweise einfacher an Kredite zu kommen oder um weniger Steuern zu zahlen.
„Donald Trump hat fälschlicherweise sein Vermögen um Milliarden Dollar aufgebläht, um sich selbst zu Unrecht zu bereichern und um das System auszutricksen - und damit uns alle“, sagte James damals. Trumps Konzern weist die Vorwürfe zurück. Weil es sich um eine Zivilklage handelt, droht Trump keine strafrechtliche Verurteilung. James fordert aber gerichtlich eine finanzielle Entschädigung von 250 Millionen Dollar und allenfalls Geschäftsverbote für die Beschuldigten. Der Prozess soll im Oktober 2023 beginnen.
Donald Trump will 2024 wieder US-Präsident werden
Die Anklagen fallen mitten in den ohnehin aufgeladenen Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2024 und stellen die US-Demokratie wieder einmal auf die Probe. In Umfragen liegt Trump im Feld der republikanischen Präsidentschaftsanwärter weit vorne. Immer wieder wirft er den Demokraten und US-Präsident Joe Biden vor, eine politisch motivierte Hexenjagd gegen ihn zu betreiben, um ihn vom Wiedereinzug ins Weiße Haus abzuhalten. Es handele sich um „Kriegsführung“ mit juristischen Mitteln, so Trump: „Ich bin ein unschuldiger Mann.“ Offen ist, ob eines der oft mehrjährigen Verfahren mit Möglichkeiten für Revision und Nachverhandlungen noch vor der Wahl im November 2024 zu einer Verurteilung führen wird. (cs)