„Lage spitzt sich zu“

Proteste gegen Putin in Russland: „Situtation eskaliert“ - Polizei jagt Demonstranten

  • Felix Busjaeger
    VonFelix Busjaeger
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In Russland brodelt es. Tausende Menschen demonstrieren gegen die Verhaftung eines Aktivisten. Experten rechnen mit weiteren Tumulten.

Update vom 19. Januar 2024, 14.00 Uhr: Im russischen Ufa, Hauptstadt der Teilrepublik Baschkortostan, kam es heute wohl erneut zu einer Demonstration mit hunderten Teilnehmern. Anton Geraschenko, Berater des ukrainischen Innenministers, verbreitete Videos eines gewalttätigen Einsatzes russischer Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. Die Aufnahmen können nicht unabhängig überprüft werden.

Laut Geraschenko sollen sich rund 1500 Menschen an der Demonstration beteiligt haben. Unter Bezug auf mehrere Berichte russischer Medien schrieb er von „vorläufig“ sieben Festnahmen und Jagdszenen: Die Polizei und die Nationalgarde hätten einzelne Demonstranten auf dem Heimweg verfolgt. „Die Situation eskaliert“, so Geraschenko auf X, vormals Twitter. Demonstriert wird seit einem Urteil gegen den Ökoaktivisten Fail Alsynow.

Proteste in Russland setzen sich fort - Polizei flieht vor Demonstranten

Update vom 18. Januar 2024, 16.50 Uhr: Ein Video in den sozialen Medien steht sinnbildlich für die wachsende Wut auf Wladimir Putin in Teilen Russlands. Das Video soll nach einem Bericht des US-Nachrichtenportals Newsweek aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan stammen. Zu sehen seien mehrere Polizeibusse, die sich mit hohem Tempo in einer schneebedeckten Landschaft von einer Gruppe Demonstranten entfernen. Die Echtheit der Bilder kann bis auf Weiteres nicht überprüft werden.

Als gesichert gilt mittlerweile, dass es bei den Demonstrationen in Baschkortostan zu zahlreichen Ausschreitungen gekommen war.

In Russland brodelt es - Schwere Ausschreitungen auf Demonstration

Erstmeldung vom 17. Januar 2024: Baimak – Nach einem Urteil gegen den Ökoaktivisten Fail Alsynow brodelt es in Russlands Gesellschaft: Wie mehrere Nachrichtenagenturen berichten, haben Tausende Menschen in der russischen Teilrepublik Baschkortostan an der Wolga gegen die Verurteilung demonstriert. Der Protest fällt in die Zeit vor den Präsidentschaftswahlen in Russland, bei denen Wladimir Putin sich sein Amt bestätigen lassen will.

In Russland ist es zu Protesten gekommen. Die Polizei in der russischen Teilrepublik Baschkortostan ging mit Gewalt gegen die Menschen vor.

Protest in Russland wegen Urteil gegen Aktivisten: Größte Demonstration seit Beginn des Ukraine-Kriegs

Es geht um angeblich rassistische Äußerungen, weswegen der russische Aktivist Alsynow zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Nach Einschätzung des unabhängigen Internetportals Wjorstka versammelten sich in der Kleinstadt Baimak vor dem Gerichtsgebäude mehr als 3000 Menschen, um Alsynow zu unterstützen. Beobachter sprachen von einer der größten Protestaktionen in Russland seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Die Demonstranten riefen „Freiheit für Alsynow“ und forderten den Rücktritt des Gebietschefs Radij Chabirow, auf dessen Forderung der Prozess gegen den Ökoaktivisten eingeleitet worden war.

Wie die Deutsche Presse-Agentur schreibt, sollen Sicherheitskräfte versucht haben, die Menge mit Gewalt abzudrängen. Unter anderem sollen Schlagstöcke, Blendgranaten und Tränengas eingesetzt worden sein. Die Demonstranten bewarfen die Polizisten laut dem Medium Ostoroschno Nowosti mit Schneebällen und Eisstücken. 15 Menschen wurden Medienberichten zufolge verletzt. Mehrere Personen wurden demnach festgenommen. Gegen sie werde wegen der Organisation von Massenunruhen und wegen der Teilnahme daran ermittelt, teilte die regionale Justiz der Agentur Tass zufolge mit.

Aufruhr vor Präsidentschaftswahl in Russland: Aktivist sprach wegen Ukraine-Krieg von Genozid

Die genaue Zahl der Teilnehmer des Protests ist unklar. Unterschiedliche Quellen berichten von bis zu 10.000 Sympathisanten. Dem Prozess von Alsynow war eine Rede bei einer Versammlung im April 2023 im Dorf Ischmursino vorausgegangen, bei der der Aktivist den Begriff „kara chalyik“ benutzt haben soll. Wörtlich übersetzt heißt das „schwarze Leute“, umgangssprachlich für „einfaches Volk“. Regionalchef Chabirow erstattete daraufhin Anzeige und Staatsanwaltschaft sowie Richterin übernahmen die Lesart, dass der Aktivist „ethnischen Hass“ schüren würde.

Während der Fall für die Staatsanwaltschaft damit klar war und Alsynow demnach ein russisches Schimpfwort benutzt hat, mit dem Menschen aus dem Kaukasus und aus Mittelasien verunglimpft werden, sieht der Verurteilte eine Intrige gegen seine Person. Alsynow war einer der Anführer der Proteste gegen den Abbau des Kalksteinbergs Kuschtau in Baschkortostan. Im Zuge der Demonstrationen wurde Kuschtau 2020 zu einem unter Schutz stehenden Naturdenkmal erklärt. Zugleich setzte sich der 37-Jährige für eine stärkere Autonomie der Teilrepublik und den Schutz der baschkirischen Sprache ein. Die von ihm mitgeführte Organisation Baschkort wurde 2020 als extremistisch eingestuft und verboten. Zudem hat er den Ukraine-Krieg als „Genozid am baschkirischen Volk“ bezeichnet. „Das ist nicht unser Krieg“, kritisierte er die Invasion. Die Region Baschkortostan gehört nach Medienangaben zu einem der russischen Gebiete mit überdurchschnittlich hohen Verlusten im Ukraine-Krieg.

„Lage spitzt sich zu“: Behörde geht mit Gewalt gegen Protest in Russland vor – Vergleich zum Ende der Sowjetunion

Die Ausschreitungen im Ural fallen für Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, in eine ungünstige Zeit. Der Kreml-Chef betont immer wieder die Geschlossenheit der russischen Gesellschaft und ist bemüht, vor der Präsidentschaftswahl diesen Schein aufrechtzuerhalten. Wie unter anderem der Bayerische Rundfunk berichtet, sollen Behörden bereits während den Ausschreitungen begonnen haben, Telegram-Kanäle zu sperren und die örtliche Online-Kommunikation einzuschränken. Auf Telegram sagte der Politologe Abbas Galljamow: „Die Lage in Baschkortostan spitzt sich zu.“ Gleichzeitig warnte er von den möglichen Folgen der Proteste.

Die Behörden müssten „bei der Unterdrückung der Unzufriedenheit sehr hart vorgehen“, so Galljamow. Dies hätte dann zur Folge, dass schmerzhafte Erinnerungen wachgerüttelt werden. Auf diese Weise sei einst die Sowjetunion zusammengebrochen, schrieb der Experte. „Die Behörden selbst legen nun eine Bombe unter der Führung Russlands.“

Aktuelle Entwicklung in Russland: Protest könnte Putin in ernsthafte Krise stürzen

Auch andere Experten sehen in der aktuellen Entwicklung in Russland das Potenzial, das Land in eine ernsthafte Krise zu stürzen. Sie verweisen in aktuellen Analysen zur Lage, die unter anderem in Telegram-Kanälen geteilt werden, darauf, dass der Protest in Russland im Kleinen beginnen und sich anschließend wie ein Flächenbrand ausbreiten könnte. Der Unmut gegen Wladimir Putin und seinen Ukraine-Krieg habe sich inzwischen aus den Städten aufs Land verlagert und sei dort für Behörden nur schwer kontrollierbar.

Putins Zirkel der Macht im Kreml – die Vertrauten des russischen Präsidenten

Zu den Scharfmachern im Ukraine-Krieg gehört auch Ramsan Kadyrow.
Zu den Scharfmachern im Ukraine-Krieg gehört auch Ramsan Kadyrow, der als Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus eigene Truppen befehligt. „Putins Bluthund“, der für seinen brutalen Führungsstil im muslimisch geprägten Tschetschenien bekannt ist, tat sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine als einer der glühendsten Kriegsbefürworter hervor. Mehrfach kritisierte er nach russischen Niederlagen die militärische Führung seines Landes scharf und forderte weitreichende Konsequenzen. © Yelena Afonina/imago
Am 2. März 2007 wählte das tschetschenische Parlament ihn auf Putins Vorschlag zum Präsidenten des Landes
Am 2. März 2007 wählte das tschetschenische Parlament ihn auf Putins Vorschlag zum Präsidenten des Landes, nachdem er das 30. Lebensjahr vollendet hatte, das Mindestalter für die Wahl des tschetschenischen Oberhaupts. Im März 2015 erhielt Kadyrow den russischen Orden der Ehre. Kadyrows diktatorische Amtsführung ist geprägt von schweren Menschenrechtsverletzungen, Korruption und einem ausufernden Personenkult. Seit Oktober 2022 ist er darüber hinaus Generaloberst der russischen Streitkräfte. © Yelena Afonina/imago
Der russische Außenminister Sergei Lawrow ist so etwas wie „Putins rechte Hand“.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow ist so etwas wie „Putins rechte Hand“. Seit März 2004 im Amt, verteidigt Lawrow seit Beginn des Ukraine-Kriegs immer wieder die Behauptung, dass Russland die Ukraine von den dort regierenden Nazis befreien zu wollen. Anfang Mai 2022 versuchte Lawrow im italienischen Fernsehen das Argument zu entkräften, als Jude könne der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kein Nazi sein: „Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind.“ © Imago
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wiederholt Lawrow seine Vorwürfe, der Westen führe in der Ukraine Krieg gegen Russland.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wiederholt Lawrow seine Vorwürfe, der Westen führe in der Ukraine Krieg gegen Russland. „Wenn wir über das sprechen, was in der Ukraine vorgeht, so ist das kein hybrider, sondern schon fast ein richtiger Krieg, den der Westen lange gegen Russland vorbereitet hat“, sagte Lawrow während einer Afrika-Reise im Januar 2023, die ihn u. a. auch nach Angola führte. Der Westen wolle alles Russische zerstören, von der Sprache bis zur Kultur, so Lawrow. © Imago
Als „Putins Marionette“ kann Dmitri Medwedew gelten.
Als „Putins Marionette“ kann Dmitri Medwedew gelten. Der Gefolgsmann des russischen Präsidenten war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands und anschließend bis 2020 Ministerpräsident der Russischen Föderation. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs macht Medwedew, inzwischen Vizechef des russischen Sicherheitsrates, ein ums andere Mal mit Verschwörungserzählungen und martialischen Äußerungen über die Ukraine und den Westen auf sich aufmerksam. Unter anderem drohte er mit dem „Verschwinden der Ukraine von der Landkarte“. © Artyom Geodakyan/imago
Der promovierte Jurist, der einst als Stimme der Vernunft galt, hat sich inzwischen zu einem radikalen Hetzer entwickelt.
Der promovierte Jurist, der einst als Stimme der Vernunft galt, hat sich inzwischen zu einem radikalen Hetzer entwickelt. Gerne droht der Vizechef des russischen Sicherheitsrates den Nato-Staaten mit einem Angriff oder gar mit Atomschlägen. Im Sommer 2022 bezeichnete er die Regierung in Kiew als „vereinzelte Missgeburten, die sich selbst als ‚ukrainische Regierung‘ bezeichnen“, die US-Regierung waren für ihn „Puppenspieler jenseits des Ozeans mit deutlichen Anzeichen senilen Wahnsinns“. Ende 2022 versuchte er sich als Prophet für das Jahr 2023: In Deutschland entsteht demnach ein „Viertes Reich“, die EU zerfällt, in den USA bricht ein Bürgerkrieg aus. © Yekaterina Shtukina/imago
Seit vielen Jahren an Putins Seite ist Dimitri Peskow. Schon im Jahr 2000 wurde er stellvertretender Pressesprecher des Präsidenten. Als Putin 2008 Ministerpräsident wurde, wechselte Peskow das Büro. Vier Jahre später kehrte er dann ins Präsidialamt zurück. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs setzte die EU ihn auf die Sanktionsliste und ließ sein gesamtes Vermögen einfrieren.
Seit vielen Jahren an Putins Seite ist Dimitri Peskow. Schon im Jahr 2000 wurde er stellvertretender Pressesprecher des Präsidenten. Als Putin 2008 Ministerpräsident wurde, wechselte Peskow das Büro. Vier Jahre später kehrte er dann ins Präsidialamt zurück. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs setzte die EU ihn auf die Sanktionsliste und ließ sein gesamtes Vermögen einfrieren. © Sergei Ilnitsky/AFP
Alina Kabajewa ist wahrscheinlich so etwas wie „Putins Ballerina“.
Alina Kabajewa ist wahrscheinlich so etwas wie „Putins Ballerina“. Die frühere Spitzensportlerin galt in der Rhythmischen Sportgymnastik jahrelang als Nonplusultra. Ihre Erfolge (Olympiagold 2004 in Athen, neun WM- sowie 15 EM-Titel) sprechen für sich. Von 2007 bis 2014 war sie Abgeordnete der Russischen Staatsduma für die Partei „Einiges Russland“, seit September 2014 ist sie Vorsitzende des Verwaltungsrates der Nationalen Mediengruppe (NMG). Sie gilt Medienberichten zufolge als Geliebte des russischen Präsidenten und soll mit diesem mehrere Kinder haben, was von Kabajewa und russischen Regierungsstellen aber dementiert wird. © Imago
Schon seit Jahren gilt Kabajewa als heimliche Geliebte oder gar Ehefrau des russischen Präsidenten.
Schon seit Jahren gilt Kabajewa als heimliche Geliebte oder gar Ehefrau des russischen Präsidenten. Eine offizielle Bestätigung aus Russland hat es aber nie gegeben. Der britischen Regierung zufolge steht sie „in enger persönlicher Beziehung zu Putin“. Kabajewa soll mehrere Kinder von Putin haben, was von Kabajewa und russischen Regierungsstellen aber dementiert wird. 2015 soll sie in Lugano Zwillinge zur Welt gebracht haben, andere Quellen berichten von einer Geburt eines Jungen im Kanton Tessin und einer weiteren Geburt eines Sohnes in Moskau. Gesichert ist, dass Kabajewa nach 2015 für einige Jahre aus dem öffentlichen Rampenlicht verschwand und auch heute nur äußerst selten öffentlich auftritt. © Valery Sharifulin/imago
Wladimir Solowjow ist Putins Chefpropagandist im Ukraine-Krieg.
Wladimir Solowjow ist Putins Chefpropagandist im Ukraine-Krieg. Seine seit 2012 im Sender Rossija 1 ausgestrahlte politische Talkshow „Sonntagabend mit Wladimir Solowjow“ gilt als vielleicht wichtigste innerrussischen Propagandasendung. Im Dezember 2022 drohte er dort zahlreichen europäischen Ländern mit militärischen Interventionen, weil diese die Ukraine unterstützen würden und Teil des europäischen Nazismus seien. Auch forderte er wiederholt den Einsatz von russischen Atombomben gegen Nato-Staaten. Im April 2022 bezeichnete er die Massaker von Butscha sowie Srebrenica als inszeniert. © Sergei Karpukhin/imago
Solowjow wird in seiner Sendung oft laut
Solowjow wird in seiner Sendung oft laut, beschimpft die deutsche Regierung, streut deutsche Wörter ein und imitiert dabei eine schroffe Nazi-Aussprache. Einmal bezeichnete er Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als „Miss Ribbentrop“. Joachim von Ribbentrop war deutscher Außenminister unter Adolf Hitler, den Solowjow im Februar 2021 in seiner Sendung einmal als „sehr mutigen Menschen“ und „tapferen Soldaten“ bezeichnet hatte. Von seiner 2014 geäußerten Meinung, „Gott verbietet, dass die Krim nach Russland zurückkehrt“, hat er sich nach dem Euromaidan, der Revolution der Würde, schnell distanziert. © Artyom Geodakyan/imago
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB wird von einem engen Weggefährten des Präsidenten geleitet.
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB wird von einem engen Weggefährten des Präsidenten geleitet. Schon in den 1970er Jahren war Alexander Bortnikow zeitgleich mit Putin in St. Petersburg für den KGB im Einsatz. Putin, der einst selbst Direktor des FSB war, ernannte ihn im Mai 2008 zum Chef des Geheimdienstes und sicherte sich so maximalen Einfluss. Es gilt als gesichert, dass Putin auch als Präsident entscheidende Befehle selbst übermittelt.  © Alexei Druzhinin/imago
Der FSB dient vor allem dazu, die Opposition gegen Putins Machtelite zu unterdrücken.
Der FSB dient vor allem dazu, die Opposition gegen Putins Machtelite zu unterdrücken. Ein Beispiel ist der Anschlag auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny, der nach Angaben des Recherchekollektivs Bellingcat zuvor monatelang von FSB-Agenten verfolgt worden war. Unter Bortnikow wurde die Macht des FSB durch mehrere Reformen immer stärker ausgeweitet. Zudem soll der FSB die prorussischen Separatisten im Osten des Landes unterstützt haben. Nach der Annexion der Halbinsel Krim ging der FSB gegen Medien und Kultur vor. © Mikhail Metzel/imago
Seit November 2012 hat der Armeegeneral Sergei Schoigu das Amt des russischen Verteidigungsministers inne.
Seit November 2012 hat der Armeegeneral Sergei Schoigu das Amt des russischen Verteidigungsministers inne. In Schoigus Amtszeit fallen zunächst die militärische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine, die Annexion der Krim 2014 sowie das Eingreifen Russlands in den syrischen Bürgerkrieg aufseiten des Assad-Regimes. Wegen der Intervention zugunsten der Separatisten im Donbass eröffnete die Ukraine 2014 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn. Seit Februar befehligt Schoigu als Verteidigungsminister die russischen Truppen im Ukraine-Krieg. © Pavel Golovkin/dpa
Schoigus Verhältnis zu Putin gilt bisher als sehr eng.
Schoigus Verhältnis zu Putin gilt bisher als sehr eng. So verbringt er regelmäßig seinen Sommerurlaub zusammen mit dem russischen Präsidenten im südsibirischen Tuwa – Schoigus Heimatregion, wo sich die beiden, wie hier im Jahr 2017, auch schon mal ein Sonnenbad in einer Pause vom Angeln gönnen. Ob das auch in Zukunft so bleiben wird, ist offen. So wies das „Institute for the Study of War“ in einem Bericht im Herbst 2022 darauf hin, dass Putin Schoigu für die Fehler im Ukraine-Krieg verantwortlich macht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Putin seinen Vertrauten doch noch zum Sündenbock macht.  © Alexei Nikolsky/dpa
Russia s First Deputy Prime Minister Andrei Belousov
Schoigus Nachfolger soll der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow werden. Die militärische Komponente im Verteidigungsministerium bleibe auch nach der Ernennung Beloussows unverändert. „Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist“, erklärte Kremlsprecher Peskow Putins Entscheidung für einen Zivilisten an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Beloussow sei nicht nur Zivilbeamter, sondern habe auch viele Jahre erfolgreich in der Politik gearbeitet und Putin in Wirtschaftsfragen beraten. © IMAGO/Alexander Astafyev
Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche ist heute nur noch unter seinem Namen Kirill I. bekannt.
Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche ist heute nur noch unter seinem Namen Kyrill I. bekannt. Bürgerlich heißt der Patriarch allerdings Wladimir Gundjajew – und hat eine bewegte Vergangenheit. Unter dem Decknamen „Michailow“ hat er laut dem schweizerischen Bundesarchiv in den 1970er Jahren in Genf als Agent für den früheren sowjetischen Auslandsgeheimdienst KGB gearbeitet. Diese Vergangenheit verbindet ihn mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. © Sergei Chirikov/dpa
Seit Februar 2009 ist Gunjajew als Kyrill I. Patriarch von Moskau und der ganzen Rus und damit der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche.
Seit Februar 2009 ist Gundjajew als Kyrill I. Patriarch von Moskau und der ganzen Rus und damit der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche. Er gilt als enger Verbündeter Putins, dessen Regentschaft er im Zuge der Präsidentschaftswahl in Russland 2012 als „Wunder Gottes“ bezeichnete. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs fällt er zunehmend durch Hasspredigten auf. Einmal bezeichnete er die Gegner Russlands als „Kräfte des Bösen“, zudem sprach er der Ukraine ihr Existenzrecht ab. Verbal lässt Kyrill I., anders als im April 2017 in Moskau, jedenfalls keine Tauben fliegen.  © Alexander Zemlianichenko/dpa
Der rechtsnationalistische Ideologe Alexander Dugin darf getrost als „Putins Denker“ bezeichnet werden.
Der rechtsnationalistische Ideologe Alexander Dugin darf getrost als „Putins Denker“ bezeichnet werden. Dugin, der viele Bücher geschrieben hat, gilt als antiwestlicher Hassprediger und Kämpfer für die Idee einer slawischen Supermacht. In seinem Buch „Grundlagen der Geopolitik“ sprach er sich gegen die Ukraine als souveränen Staat aus. Kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs wurde diese Rhetorik aufgegriffen, als Putin das ukrainische Staatsgebiet in einem Aufsatz infrage stellte. © Kirill Kudryavtsev/afp
Dugin wurde 1987 Mitglied der radikal-nationalistischen und antisemitischen Gruppierung Pamjat
Dugin wurde 1987 Mitglied der radikal-nationalistischen und antisemitischen Gruppierung Pamjat. Größere Bekanntheit erlangte er in den 1990er Jahren, als er über Radio und Fernsehen seine Ideologie verbreitete. Zugleich war Dugin auch Mitglied von esoterischen und okkulten Zirkeln. Unklar ist, wie nahe Dugin dem russischen Präsidenten steht. Putins Äußerungen geben aber oft die Rhetorik Dugins wider. Als Beispiel sei das Konzept „Noworossija“ („Neurussland“) geannnt, das Russland benutzt hat, um die Krim-Annexion zu rechtfertigen. Damals gab Dugin in einem Interview auch unmissverständlich kund, wie nun vorzugehen sei: „Töten, töten, töten, das ist meine Meinung als Professor.“ © afp
Zum engsten Putin-Zirkel gehört auch Nikolai Patruschew.
Zum engsten Putin-Zirkel gehört auch Nikolai Patruschew. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates war lange Jahre Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB und gilt als radikaler, europafeindlicher Hardliner. Patruschew verbindet viel mit Putin: Sie sind etwa gleich alt, beide kommen aus dem heutigen Sankt Petersburg, vor allem aber entstammen sie beide dem sowjetischen Geheimdienst KGB. Patruschew wird als engster Vertrauter Putins wahrgenommen und soll von diesem zu seinem Stellvertreter für den Fall einer zeitweiligen Verhinderung der Amtsausübung erkoren worden sein © Zubair Bairakov/imago
Patruschew wird als „Falke“ des Ostens beschrieben.
Patruschew wird als „Falke“ des Ostens beschrieben. Im Herbst 2021 bezeichnete er die Ukrainerinnen und Ukrainer als „Nicht-Menschen“. Noch Ende Januar 2022 bestritt er jede Kriegsabsicht Russlands als „komplette Absurdität“. Ende Februar 2022 beschuldigte er in einem Manifest die USA und die EU, in der Ukraine eine „Ideologie des Neonazismus“ zu unterstützen.  © Aram Nersesyan/imago
Als Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR ist Sergei Naryschkin für seine bissigen Kommentare bekannt.
Als Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR ist Sergei Naryschkin für seine bissigen Kommentare bekannt. Kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges warf er den USA und anderen westlichen Staaten vor, Russland zerstören zu wollen: „Die Masken sind gefallen. Der Westen will Russland nicht nur mit einem neuen Eisernen Vorhang umgeben“, zitierte der SWR Anfang März 2022 seinen Chef. „Wir reden über Versuche, unseren Staat zu zerstören, über seine ‚Annullierung‘, wie heutzutage in einem ‚toleranten‘ liberal-faschistischen Umfeld gesagt wird.“ Naryschkin gehörte zu jenen, die schon damals behaupteten, zwischen Russland und dem Westen tobe ein „heißer Krieg“. © Alexander Zemlianichenko/dpa
Wenige Tage vor Beginn dem russischen Einmarsch in die Ukraine war Naryschkin im Gespräch mit Wladimir Putin tüchtig ins Schlingern geraten.
Wenige Tage vor Beginn dem russischen Einmarsch in die Ukraine war Naryschkin im Gespräch mit Wladimir Putin tüchtig ins Schlingern geraten. Der SWR-Chef sprach sich damals versehentlich für eine russische Einverleibung der Volksrepubliken Luhansk und Donezk aus. Putin korrigierte ihn bei der im Staatsfernsehen übertragenen Sitzung und betonte, dass die Frage nicht gestellt sei. „Wir sprechen über die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit oder nicht“, kanzelte Putin den SWR-Chef ab. © Valery Sharifulin/imago
Zu den engsten Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin zählt der russische Unternehmer Jewgeni Prigoschin.
Zu den engsten Vertrauten Wladimir Putins zählte Jewgeni Prigoschin. Russlands Präsident und der erfolgreiche Geschäftsmann kannten sich lange. Als Putin noch KGB-Offizier war und in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb trug der in den chaotischen 1990er Jahren in Russland zu Reichtum gekommene 61-Jährige den Beinamen „Putins Koch“. Auch wegen Raubes saß er in Haft.  © Mikhail Metzel/imago
Inzwischen ist Prigoschin vor allem als Warlord der berüchtigten Schattenarme „Wagner“ im Auftrag des Kreml international gefürchtet.
Lange war Prigoschin vor allem als Warlord der berüchtigten Schattenarme „Wagner“ im Auftrag des Kreml international gefürchtet. Putin ließ ihn lange schalten und walten, als hätte diese Schattenarmee, eine paramilitärische Organisation mit vielen verurteilten Verbrechern, längst das Zepter der Macht in der Hand. Vom 23 bis 24. Juni 2023 kam es zu einem Aufstand der Wagner-Gruppe in Russland. Danach bezeichnete ihn Putin als „Verräter“. Am 23. August 2023 kam Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. © Vyacheslav Prokofyev/imago

Wie sich die Unruhen in Russland weiter entwickeln werden, ist gegenwärtig noch schwer abzuschätzen. Gegen zahlreiche Demonstranten wurde offiziellen Angaben zufolge eine Untersuchung wegen der Organisation von „Massenaufruhr“ und Gewalt gegen die Polizei eingeleitet. Der Vorwurf der „Aufruhr“ kann bis zu 15 Jahre Haft nach sich ziehen, Gewalt gegen die Polizei bis zu fünf Jahre. Protest auf der Straße ist in Russland, wo jede Kritik an der Führung mit Gefängnis bestraft werden kann, äußerst selten. Größere Protestbewegungen gab es im Herbst 2022, als Hunderttausende Reservisten zur Verstärkung der Truppen in der Ukraine mobilisiert wurden. Möglich ist, dass nun aber weitere Unruhen folgen könnten. (fbu/afp/dpa)

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