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CDU bügelt Ampel-Plan ab: „Werden für schlechte Gesetze keine Mehrheitsbeschaffer sein“
VonAndreas Schmid
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Die CDU/CSU will kein Lauterbach-Gesetz durch den Bundestag bringen – und ein anders gleich sofort stoppen.
Was bedeutet das Ampel-Aus für die Gesundheitspolitik? Mehrere geplante Gesetze drohen nun zu scheitern. Auch, weil die Union der Rest-Ampel nicht zu Mehrheiten helfen wird. „Das wird nicht passieren“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU, Tino Sorge, im Interview mit IPPEN.MEDIA. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gesagt, die SPD werde mit der Union über Gesetzesvorhaben sprechen, die man gemeinsam verabschieden sollte. Doch: Die Ampel habe zu lange mit echten Reformen gewartet, so Sorge. „Das rächt sich jetzt“, sagt der CDU-Politiker, der ein Ampel-Gesetz in der Gesundheitspolitik am liebsten sofort begraben wollen würde.
Union wird keine Lauterbach-Gesetze mittragen: „Wird nicht passieren“
Herr Sorge, wie haben Sie das Aus der Ampel erlebt?
Wir haben alle damit gerechnet, dass die Ampel so nicht weitermachen kann. Dass die Regierung geplatzt ist, führt in vielen Bereichen – auch in der Gesundheitspolitik – dazu, dass momentan alles auf Eis liegt. Denn für schlechte Gesetze werden wir aus Prinzip keine Mehrheitsbeschaffer sein. Es muss schnell die Vertrauensfrage kommen, damit auch im Gesundheitsbereich ein neuer Politikstil Einzug halten kann.
Welche gesundheitspolitischen Gesetzesvorhaben bleiben durch das Regierungsende auf der Strecke?
In vielen Bereichen wurden strukturelle Reformen überhaupt nicht angeschoben, etwa bei der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Pflegeversicherung. Da wurde viel versprochen, aber konkrete Vorschläge hat es nicht gegeben. Das rächt sich jetzt. Ohne Mehrheit werden diese Vorhaben nicht mehr kommen.
Die CDU/CSU könnte sie mit SPD und Grünen verabschieden. Die Union hat ja auch angekündigt, nach der Vertrauensfrage bei gewissen Punkten gesprächsbereit zu sein. Wo kommen Sie der Rest-Ampel in der Gesundheitspolitik entgegen?
Das wird nicht passieren. Die Ampel sagt jetzt in Torschlusspanik: Ihr müsst bestimmten Gesetzen zustimmen und unser Unvermögen der letzten drei Jahre kaschieren. Das wird nicht funktionieren. Abends werden die Faulen fleißig, die Ampel hatte drei Jahre Zeit. Bei wichtigen Gesetzen wie der Krankenhaus- und Notfallreform oder der Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung hat es die Ampel praktisch nie geschafft, Kompromisse zu finden. Fast alle Vorschläge von uns wurden vom Tisch gewischt, etwa bei der Krankenhausreform, die mit einem besseren Kompromiss gemeinsam mit den Ländern hätte enden können.
Rufen die Länder mit Zweidrittel-Mehrheit den Vermittlungsausschuss an, wird die Krankenhausreform dort mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben. Sollte es aber nicht so kommen, würde sie trotz der massiven Kritik in Kraft treten. Klar ist dann aber auch, dass die nächste Regierung einen Großteil der Pläne wieder ändern muss. Denn viele grundsätzliche Fragen sind nach wie vor nicht geklärt oder falsch aufgegleist.
Welche?
Nicht mehr jedes Krankenhaus soll alles anbieten, diese Spezialisierung ist sinnvoll. Es ist aber völlig offen und hochumstritten, welche Krankenhäuser bleiben sollen. Wir haben von Minister Lauterbach bis heute keine Auswirkungsanalyse dazu bekommen. Die Finanzierung ist unklar und die Zuordnung von Leistungsgruppen sowie Vorhaltepauschalen in der Kritik. Die Reform führt nicht dazu, dass sich das System verbessert. Das ist das Grundproblem nach drei Jahren Ampel im Gesundheitswesen.
CDU-Gesundheitsexperte will dreistufiges Pflege-Modell: „Pflege wird nicht billiger“
Was würde ein CDU-Gesundheitsminister Tino Sorge anders machen?
Wir müssen im Gesundheitssystem viel mehr Akteure miteinbeziehen, statt Reformen wie zuletzt immer nur im stillen Kämmerlein zu beschließen. Es braucht eine völlig andere Kommunikation und eine neue Ehrlichkeit. Das ist auch eine Stilfrage. Es wird oft so getan, als würde durch Reformen alles günstiger. Zur Wahrheit gehört: Gesundheit und Pflege werden zumindest nicht billiger, die Zahl der Senioren und Pflegebedürftigen wird deutlich steigen. Gesundheit ist Daseinsvorsorge, die uns auch etwas wert sein muss. Das Geld, das da ist, muss aber sinnvoller verteilt werden. Wir können die Pflegeversicherung nicht mehr nur über die reine Umlage finanzieren.
Sondern?
Es braucht mehrere Säulen: Erstens: die staatliche, in die auch Steuermittel gehören. Man kann aus dem Pflegetopf nicht ständig versicherungsfremde Leistungen wie Corona-Tests oder Rentenbeiträge für pflegende Angehörige zahlen, die eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden müssten – so schwächt man nur das System.
Zweitens?
Wir wollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber animieren, durch stärkere betriebliche Pflegevorsorge das Pflegerisiko mit abzusichern. Und drittens wird es mehr individuelle Eigenvorsorge brauchen.
Das heißt, die Menschen sollen sich selbst um die Absicherung im Alter kümmern?
Soweit sie dazu selbst in der Lage sind und in sinnvoller Ergänzung zu den anderen Säulen. Natürlich müssen wir denjenigen helfen, die das nicht selbst können. Das gilt besonders für jene, die schon kurz vor der Pflegebedürftigkeit stehen. Aber die, die in jungen Jahren für sich selbst vorsorgen können, sollen das auch tun. Durchaus auch steuerlich privilegiert. Pflegebedürftigkeit im Alter ist ein erwartbares Risiko, jeder Mensch sollte sich damit beschäftigen.
„So wie in Bayern derzeit“: CDU-Politiker Sorge träumt von Ergebnis 40+
Die Neuwahlen sollen am 23. Februar stattfinden. Das ist der Sonntag vor der Karnevalswoche. Werden Sie da was zu feiern haben?
So ist der Plan. Es ist gut, dass wir jetzt Klarheit beim Wahltermin haben und die Hängepartie auf ihr Ende zusteuert. Es wird zwar ein viel kürzerer, knackigerer Wahlkampf, aber wir als Union finden das gut. Je früher der Regierungswechsel, desto besser.
Wann ist es ein gutes Ergebnis für die CDU/CSU?
Am besten so wie in Bayern derzeit, wo die CSU in Umfragen bei 43 Prozent steht. Dann könnten wir allein regieren und CDU pur umsetzen. Ansonsten wollen wir so stark sein, dass wir uns den Koalitionspartner aussuchen können.
Sie werden dann wohl mit einer der Ampel-Parteien koalieren müssen, die Sie so stark kritisieren.
Streit und Kritik in einer Demokratie bedeuten zum Glück nicht, dass man nicht mehr konstruktiv miteinander zusammenarbeiten kann. Im Gegenteil.
Tino Sorge sitzt seit 2013 für die CDU im Deutschen Bundestag und ist dort gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er ist in Thüringen geboren und hat seinen Wahlkreis in Magdeburg.
Ja. Wenn es möglich ist, werden wir die Cannabis-Legalisierung in einer neuen Regierungskonstellation rückgängig machen. Als Gesundheitsminister eine zusätzliche Droge zu legalisieren, ist und bleibt ein Treppenwitz.
Dieser Gesundheitsminister, Karl Lauterbach, hat am Montag gesagt: „Im Bereich der Gesundheitspolitik hat die Ampel aus meiner Sicht sehr gut gearbeitet“. Hat er recht?
Karl Lauterbach hat in der Gesundheitspolitik eine etwas spezielle Wahrnehmung, freundlich ausgedrückt. Im Gesundheitswesen haben weder die Expertenverbände noch die Bürger den Eindruck, es hätte sich vieles verbessert. Karl Lauterbach war in den vergangenen Jahren der federführende Gesundheitsexperte der SPD und hat viele Dinge, die er zuletzt kritisierte, selbst mit auf den Weg gebracht. Zum Beispiel die Fallpauschalen. Andererseits feiert er sich für Verbesserungen, die wir als Union und SPD zusammen angeschoben haben. Etwa die Digitalisierung unter den CDU-Ministern Hermann Gröhe und Jens Spahn. Insofern sind solche Aussagen schon sehr sportlich. Da hätte ich mir mehr Rationalität und Selbstkritik gewünscht. Die wird es in Zukunft besonders brauchen.