Neun Punkte zur Ernährung
Bürgerrats-Empfehlungen: Amthor und Künast streiten über „Zuckersteuer durch die Hintertür“
VonAndreas Schmidschließen
Der Bundestag diskutiert über die Empfehlungen des Bürgerrats zum Thema Ernährung. Nicht alle der neun Vorschläge sorgen für Jubel. Hitzig wird es bei der Mehrwertsteuer.
Mehrere Monate lang haben sich 160 Menschen in Deutschland über das Thema Ernährung ausgetauscht. Organisiert im ersten Bürgerrat zum Thema. Herausgekommen sind neun Empfehlungen, die der Bürgerrat priorisiert hat.
SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, „neue Formen des Bürgerdialogs“ wie Bürgerräte nutzen zu wollen. Es besteht aber keine Verpflichtung, dass die Vorschläge umgesetzt werden. Im Kern einigte sich der Bürgerrat auf folgende Punkte:
Die Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung
- Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder
- Verpflichtendes staatliches Label für ein „bewusstes Einkaufen“
- Für große Supermärkte verpflichtende Weitergabe von noch genießbaren Lebensmitteln, die sonst entsorgt werden würden (zum Beispiel an Tafeln)
- Verpflichtendes, staatliches „Tierwohllabel“
- Neuer Steuersatz für Lebensmittel (0 Prozent auf Obst, Gemüse und Wasser)
- Gesunde Gemeinschaftsverpflegung in Pflegeeinrichtungen/Krankenhäusern
- Tierwohlprämie (einmaliger Zuschuss sowie laufende Prämie von 40 Cent pro Kilo Fleisch, zwei Cent pro Ei und Liter Milch, 15 Cent pro Kilo Käse, Butter und Milchpulver)
- Energydrinks erst ab 16 Jahren
- Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen
Amthor und Künast über „Zuckersteuer durch die Hintertür“
Schon in Vorfeld der Debatte äußerte sich der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU, Philipp Amthor, zu den Vorschlägen. Auf Anfrage von IPPEN.MEDIA sagte Amthor: „Während wir etwa die Forderungen einer Stärkung der Ernährungsbildung grundsätzlich begrüßen, sehen wir etwa die steuerpolitischen Vorschläge kritisch.“ Steuern sollten „eigentlich der Finanzierung des Staates und nicht der Erziehung der Bürger dienen“, so Amthor. Die Union lehne insbesondere eine „Zuckersteuer durch die Hintertür oder eine einseitige Umgestaltung der Fleischbesteuerung nach Haltungsformen ab“.
Im Bundestag griff die Grünen-Politikerin Renate Künast Amthors Aussagen auf. „Ich finde die Idee der Mehrwertsteuer brillant“, sagte die frühere Bundesernährungsministerin. Der Bürgerrat hätte der Politik „etwas ins Hausaufgabenheft geschrieben“, so Künast. „Die Menschen sagen: Sie wollen, dass Gemüse und Obst preiswerter und Zucker teurer wird. Dahinter stehen wissenschaftliche Erkenntnisse. Das finde ich gut.“
Bürgerrat: „Empfehlungen werden weder direkt umgesetzt, noch verschwinden sie in der Schublade“
Neben den reinen inhaltlichen Aspekten ging es im Bundestag auch um das generelle Format „Bürgerrat“. Die Union kritisierte das Verfahren des Bürgerrats. Es würde das Parlament delegitimieren. „Wovor haben Sie eigentlich Angst?“, fragte der SPD-Politiker Matthias Miersch im Bundestag. „Dieser Bürgerrat hat für unsere Arbeit ganz wertvolle Impulse gesetzt.“
Auch einzelne FDP-Politiker zeigten sich skeptisch. FDP-Politiker Gero Clemens Hocker sprach von „Wünsch-dir-was-Vorschlägen“. Er kritisierte im Bundestag unter anderem das kostenfreie Mittagessen. Das sei weder fair noch umsetzbar. Lob gibt es von Kita-Vertretern: „Die Forderung des Bürgerrats nach einem qualitativ guten Mittagessen für alle Kinder ist in jedem Fall sinnvoll“, sagte Waltraud Weegmann, Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands, gegenüber unserer Redaktion. „So könnten alle Kinder von einer gesunden Ernährung schon in der Kita profitieren.“
Der zuständige FDP-Berichterstatter Stephan Thomae äußerte sich gegenüber unserer Redaktion positiver: „Es ist gut für unsere Demokratie, solche neuen, innovativen Konzepte auszuprobieren“. Die konkrete Umgestaltung sei allerdings fraglich. „Die Ergebnisse des Bürgerrates müssen realistisch betrachtet werden. Sie werden weder direkt umgesetzt, noch verschwinden sie in der Schublade.“ (as)
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