Normalos als Berater
Hilfe für die Politiker „da oben“: Bürgerrat startet – was steckt dahinter?
VonJens Kiffmeierschließen
Die Mitglieder werden ausgelost: Der neue Bürgerrat soll der Politik Tipps geben – etwa zur Ernährung. Doch was kann das neue Gremium? Der Überblick.
Berlin – Otto Normalverbraucher macht jetzt Politik: Am Freitag (21. Juli) ist der Startschuss für die Einsetzung des ersten Bürgerrates gefallen. Vor der Auslosung der Mitglieder verteidigte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas das neue Gremium gegen Kritik. Dieses sei „eine Bereicherung und kein Nebenparlament, wie Kritiker sagen“, stellte die SPD-Politikerin im ARD-Morgenmagazin klar. Es gebe im Bundestag Anhörungsverfahren mit Experten, aber kein Gremium, in dem über ein Thema explizit mit Bürgerinnen und Bürgern gesprochen werde. Doch das werde sich jetzt ändern.
Bürgerrat zur Ernährung: Bundestag startet Auslosung der Mitglieder
Der Bürgerrat ist ein neues Projekt der Bundesregierung. Die Einsetzung hatte der Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition und der Linken beschlossen. Es soll die Kluft zwischen den Politikern und den Wählerinnen und Wähler verkleinern. Denn gerade in den letzten Jahren wurde vermehrt die Frage gestellt, ob politische Entscheidungen tatsächlich noch die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung widerspiegeln.
So wird immer wieder moniert, dass die Politik allzu oft von Eliten und Interessensgruppen bestimmt wird, während die Stimme des einfachen Bürgers nur bedingt Gehör findet. Deswegen soll der Bürgerrat jetzt Abhilfe schaffen und die Bürger direkter in die Entscheidungsprozesse einbinden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden ausgelost. Sie sollen ihre Arbeit Ende September aufnehmen und binnen weniger Monate ein „Bürgergutachten“ mit Handlungsempfehlungen erarbeiten. Zum Auftakt soll das Thema Ernährung bearbeitet werden. Doch wie funktioniert der Bürgerrat eigentlich? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist der Bürgerrat?
Der Bürgerrat ist ein neues Konzept der Bürgerbeteiligung, das in verschiedenen Ländern bereits erfolgreich Anwendung findet, etwa in Frankreich oder Irland. Es handelt sich dabei um eine zufällig ausgewählte Gruppe von 160 Bürgern, die repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist. Diese Bürgerinnen und Bürger werden für einen bestimmten Zeitraum zusammengebracht, um sich mit einem konkreten politischen Thema intensiv auseinanderzusetzen und Empfehlungen für politische Entscheidungsträger zu erarbeiten. Möglicherweise können dadurch auch die Ängste der Deutschen abgebaut werden.
Ab Herbst wird das Gremium an drei Wochenenden in Präsenz sowie bei sechs digitalen Treffen zusammenkommen und zum Auftakt über das Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ beraten. Bis Ende Februar 2024 soll der Rat dann Empfehlungen vorlegen. Die Mitglieder für den Bürgerrat werden nicht gewählt, sondern per Losverfahren von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ausgesucht.
Wahl vom Bürgerrat: Wer ist Mitglied?
Insgesamt umfasst der Bürgerrat 160 Mitglieder, die keine Politiker, keine Lobbyisten und auch keine Experten sind. Vielmehr handelt es sich um ganz normale Bürgerinnen und Bürger, die per Losverfahren aus der Bevölkerung ausgewählt werden. Durch diese zufällige Auswahl soll eine repräsentative Gruppe entstehen, die in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, Beruf und sozialen Hintergrund die Vielfalt der Gesellschaft abbildet.
Mitte Juni wurden bereits rund 20.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger per Post eingeladen, sich an dem Gremium zu beteiligen. Um mitzumachen, müssen die Leute mindestens 16 Jahre alt sein und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Bis zu Wochenbeginn konnten sich die Eingeladenen zurückmelden, wenn sie an der Auslosung teilnehmen wollen. Der Bundestag erhielt nach eigenen Angaben über 2000 Antworten.
Wie funktioniert die Auslosung zum Bürgerrat?
Die Auslosung der Bürgerrat-Mitglieder ist ein entscheidender Schritt, um die Unabhängigkeit und Repräsentativität des Gremiums zu gewährleisten. Hierfür wird in der Regel eine Datenbank mit potenziellen Teilnehmern erstellt, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen, wie etwa das Mindestalter oder die Staatsbürgerschaft.
Der Bundestag hat beschlossen, dass in dem Gremium bestimmte Merkmale ausreichend repräsentiert sein müssen. So sollen in dem Gremium etwa alle Bundesländer vertreten sein, Menschen mit verschiedenem Bildungsgrad teilnehmen und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis herrschen. Da es zum Auftakt des Bürgerrates um Ernährung geht, sollen auch Vegetarier und Veganer entsprechend ihres Bevölkerungsanteils vertreten sein. Ein computergestützter Zufallsgenerator setzt anhand dieser Kriterien mehrere Gruppen zusammen. Die Bundestagspräsidentin zieht dann in dem Losverfahren eine der zusammengewürfelten Gruppen.
Was kann der Bürgerrat bewirken?
Der Bürgerrat hat das Potenzial, politische Entscheidungen transparenter, demokratischer und bürgernäher zu gestalten. Da die Mitglieder repräsentativ für die Bevölkerung sind, können ihre Empfehlungen durrchaus ein breites Spektrum an Meinungen und Bedürfnissen abbilden. Zudem können sie in den Debatten von Experten unterstützt werden, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen.
Die Macht des Bürgerrats liegt aber nicht darin, selbst Gesetze zu erlassen oder politische Entscheidungen zu treffen. Vielmehr werden die erarbeiteten Empfehlungen an politische Entscheidungsträger übergeben. Der Bürgerrat fungiert somit als Beratergremium und kann politische Prozesse maßgeblich beeinflussen. Die politischen Akteure sind in der Regel nicht verpflichtet, den Empfehlungen zu folgen, doch die öffentliche Wahrnehmung und die Legitimität der Entscheidungen können gestärkt werden, wenn die politischen Akteure die Empfehlungen des Bürgerrats berücksichtigen.
Welche Kritik gibt es an dem Bürgerrat?
Für einen Teil der Union handelt es sich beim Bürgerrat um einen Nebenschauplatz. „Dass der Staat mehrere Millionen Euro für einen Bürgerrat ausgibt und dann nicht einmal klar ist, was am Ende dabei herauskommen soll, ist nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber scheinheilig, sondern auch pure Geldverschwendung“, zitierte der Spiegel die stellvertretende CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp. Zu Themen wie Ernährung könnten die Abgeordneten auch einfach vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen. „Mein Wahlkreis ist mein Bürgerrat.“
Doch das sieht die Bundestagspräsidentin anders. Bärbel Bas argumentierte, dass die Abgeordneten die Meinung „schweigende Mitte“ oft nicht kennen würden. „Selbst wenn ich Bürgersprechstunden mache in meinem Wahlkreis oder ich lade zu einer Bürgerversammlung ein: Da kommen immer die, die sowieso an diesem Thema schon eine Meinung haben, zu mir kommen und sagen: Ich will, dass du das im Bundestag durchsetzt.“ Jetzt gebe es beim Bürgerrat eine repräsentative Zusammensetzung, „wo Menschen zusammenkommen, die ich vielleicht sonst gar nicht treffen würde als Abgeordnete“. (jeki)
Für diesen von der Redaktion geschriebenen Artikel wurde maschinelle Unterstützung genutzt. Der Artikel wurde vor Veröffentlichung von Redakteur Jens Kiffmeier sorgfältig überprüft.