Nach Demirals Wolfsgruß
Politischer Ärger droht: Erdogan reist zum EM-Spiel der Türkei nach Deutschland
VonErkan Pehlivanschließen
Die Kontroverse um den Wolfsgruß bei der EM spitzt sich zu. Die diplomatischen Folgen könnten weitreichend sein.
Berlin – Die Causa um den Wolfsgruß bei dem EM-Spiel Österreich gegen die Türkei durch den Nationalspieler Merih Demiral entwickelt sich immer mehr zu einer diplomatischen Krise. In die Diskussion haben sich die Ministerien beider Länder eingeschaltet. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel. Wir erwarten, dass die UEFA den Fall untersucht und Sanktionen prüft“, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch auf X mitgeteilt.
Die Türkei bestellte daraufhin den deutschen Botschafter ein. Einen Tag später tat es das Auswärtige Amt gleich und bestellte seinerseits den türkischen Botschafter ein. In einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums wird die Kritik der deutschen Behörden an Demiral als ausländerfeindlich bezeichnet.
Erdogan will bei EM-Viertelfinalspiel der Türkei auf der Tribüne sitzen
Am Samstag (6. Juli) wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zum EM-Spiel zwischen der Türkei und den Niederlanden in Berlin erwartet. Dann droht bei der Fußball-EM die nächste Eskalationsstufe. „Ich halte es für falsch, dass Präsident Erdogan nach Berlin kommt, denn jeder weiß, dass ein Fußballer, der dieses Zeichen macht, ein faschistisches Symbol zeigt. In diesem Sinne kommt Erdogan nach Deutschland, um seine Macht zu zeigen, ein typisch osmanischer Geist, wir sind Türken, wir sind Osmanen, niemand kann uns was. Das ist eine Aktion, die darauf abzielt, die Emotionen der eigenen Wähler zu streicheln“, sagt die deutsch-türkische Journalistin Süheyla Kaplan im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA.
Auch fürchtet Kaplan, dass ein solcher Besuch besonders unter die Türkeistämmigen einen Keil treiben kann. „Gleichzeitig leben nicht nur AKP-Wähler in Deutschland, sondern auch die Opposition in Deutschland, die größtenteils aus ihrem Land geflohen ist und deren Herz ebenfalls für die türkische Nationalmannschaft schlägt. Fußball ist kein Feld des Faschismus.“
EM-Spiel nicht nur zwischen Türkei und Niederlande
Auch die im kanadischen Exil lebende Journalistin, Arzu Yildiz, sieht es falsch, dass nach dem Wolfsgruß-Eklat Erdogan nach Deutschland kommt. „Dass Erdogan nach einem solchen Vorfall zum Spiel geht, kann als Unterstützung oder Billigung dieser Bewegung aufgefasst werden. Das bringt auch Debatten mit sich. Andererseits gibt es nach diesem faschistischen und rassistischen Symbol seit Tagen angespannte Diskussionen zwischen vielen rassistischen Gruppen, die ihre türkische Identität betonen und sich damit brüsten, und den Menschen, die dagegen sind und das ist ein beträchtlicher Teil. Was auch immer Erdogan dort beabsichtigt, das Spiel wird nicht nur zwischen den Niederlanden und der Türkei stattfinden“, sagt Yildiz im Gespräch mit unserer Redaktion.
Linken-Abgeordnete: Erdogan ist in Berlin nicht willkommen
Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut sieht es ähnlich. „Erdogan ist in Berlin nicht willkommen“, so die Politikerin in einer Mitteilung und warnt. „Die EM darf nicht als Bühne für rechtsextremistische Ideologien missbraucht werden. Dieser Wolfsgruß, ein Symbol der rechtsextremen Grauen Wölfe, muss als bewusste Provokation und als Zeichen der Unterstützung dieser extremistischen Bewegung gewertet werden. Solche Gesten haben in einem Sport, der für Toleranz und gegenseitigen Respekt stehen sollte, keinen Platz“.
Turkish Ultras rufen zum Wolfsgruß auf den Tribünen auf
Und die Befürchtungen der Journalistinnen sind nicht unbegründet. Unter die Fans könnten sich Nationalisten mischen, die provozieren. Die Fangruppe „Turkish Ultras“ ruft in den sozialen Medien dazu auf, den Wolfsgruß zu zeigen. „Wir rufen unsere Fans auf den Tribünen auf, während der Nationalhymne den Wolfsgruß zu zeigen, um so zu zeigen, dass der Wolfsgruß kein rassistisches, sondern das türkische Nationalsymbol ist.“
Kein Verständnis für Kritik an Wolfsgruß in der Türkei
In der Türkei hat man hingegen kein Verständnis für die Empörung wegen des Wolfsgrußes. Das türkisches Außenministerium nennt den Wolfsgruß ein historisches und kulturelles Symbol. Ähnlich sieht es der Anführer der ultranationalistischen Zafer Partisi, Ümit Özdag. „Das ist seit 2.000 Jahren das Symbol der Türken.“
Kritiker sehen in dem Wolfsgruß ein Symbol des türkischen Nationalismus und Faschismus. Die Kurdische Gemeinde Deutschland, der Zentralrat der Armenier und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte fordern daher ein Verbot der nationalistischen Grauen Wölfe.
UEFA sperrt Demiral nach Wolfsgruß
Die UEFA hat Merih Demiral derweil für zwei Spiele gesperrt. Damit wird der 26-Jährige das EM-Viertelfinale am Samstag in Berlin gegen die Niederlande und ein mögliches Halbfinale verpassen. Demiral habe „die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht“, begründete die UEFA ihre Entscheidung. (erpe)
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